Ein Mann in Bermuda-Shorts erhält in der Kölner Basilika St. Gereon eine kurze Erklärung in Sachen Kulturgeschichte. Während sein Blick entlang der Wände des antiken Ovalbaus wandert, hallt die Jahreszahl „1248“ durch den Raum, Baubeginn des nahen gotischen Doms. Die Geschichte von St. Gereon reicht allerdings viel weiter zurück und ist bei den Touristen und Kölnern nicht weniger gefragt.
Besucher begrüßen
Der ältere Herr, der den Besucher auf seinem Gang durch den Sakralbau begleitet und kunstgeschichtliche Erläuterungen gibt, gehört einem Team von Ehrenamtlichen an, die in den zwölf romanischen Kirchen Kölns eine neue Form der Willkommenskultur etablieren wollen. Die Idee: Besucher, Touristen und Passanten bleiben beim Eintritt in die Kirche nicht mehr sich selbst überlassen, sondern werden im Eingangsbereich von jemandem begrüßt. Das kann durch ein Lächeln sein, ein paar freundliche Worte oder auch das Angebot, ein paar Sätze über die Kirche erzählt zu bekommen. Schon seit einiger Zeit ist der Begriff „Willkommenskultur“ landauf, landab zu einer gängigen Wendung geworden – wie fand er seinen Weg in Kölns Mitte?
Willkommenskultur schaffen
„Vor etwa eineinhalb Jahren gab es einen Konvent, zu dem rund 250 kirchlich interessierte Menschen – Haupt- und Ehrenamtliche – gekommen sind. Es bewegte uns die Frage: Was sind die Themen, die wir künftig angehen müssen?“, berichtet Pfarrer Dominik Meiering, Koordinator der Kölner Innenstadtgemeinden.
Die klare Antwort der Teilnehmenden damals war: eine Willkommenskultur schaffen. Weil, so die übereinstimmende Meinung, die meisten Gemeinden wie Thermoskannen funktionierten – nach innen schön warm, aber nach außen kalt und ohne Ausstrahlung.
Die Tür soll offen sein
Für Gemeindereferent Tobias Wolf fängt das bereits bei den äußeren Gegebenheiten an, die häufig zu wünschen übrig lassen: „Wenn ich als Fremder vor dem verschlossenen Riesen-Portal stehe und erst zweimal um die Kirche laufen muss, um den Eingang zu finden, dann ist das nicht gerade einladend. Aber das sind die Basics, wo wir noch lernen können.“
In einigen Kirchen – wie St. Gereon und St. Severin – entwickelt sich das Projekt, an dem auch der Förderverein Romanische Kirchen Kölns beteiligt ist, inzwischen sehr erfolgreich. Für andere Gotteshäuser werden noch Menschen für den Kirchenempfang gesucht. „Mit dreihundert Ehrenamtlichen wären wir schon sehr zufrieden“, sagt Pastoralreferent Thomas Zalfen, der die Leitung des Projektes innehat. Er betont, dass grundsätzlich eine Offenheit für die Menschen, den Raum, den Glauben und die Kirche da sein solle, aber niemand fromm sein müsse, um mitmachen zu können. „Menschen, die ein offenes Ohr haben für andere und sich einfach anhören, wenn jemand zugibt, dass er einsam ist... die machen Seelsorge. Und genau das ist Kirche und gelebter Glaube.“
Mehr als ein smarter Service
Ein erste, behutsame Kontaktaufnahme führe dann schnell zu den nächsten Anliegen, fügt Thomas Zalfen an. Die einen erkundigen sich, wie denn das so mit der Taufe sei, andere bekunden den Wunsch nach einer kirchlichen Trauung. Plötzlich sind tiefergehende Gespräche möglich – über „Gott und die Welt“. In Informationsveranstaltungen werden die Ehrenamtlichen über die Anforderungen und Aufgaben informiert. Auch später erfahren sie Unterstützung bei ihrer Arbeit, erhalten etwa Schulungen zur Gesprächsführung.
Wichtig sei, sich in das Gegenüber hineinzudenken und auch zu erspüren, was der andere wolle, um ihm den Besuch so angenehm wie möglich zu gestalten. „Im Marketing spricht man von ,customer‘ oder ,visitor journey‘, was heißt: Ich begebe mich in die Position desjenigen, der kommt“, so Pfarrer Meiering.
Für ihn sei Willkommenskultur auf jeden Fall mehr als ein smarter Service nach amerikanischem Muster, der allzu häufig an der Oberfläche bleibe. Im Vordergrund stehe vielmehr, dass man mit dem anderen in eine wirkliche Begegnung oder Beziehung eintrete. Dies soll nun bald täglich in allen romanischen Kirchen der Rheinstadt verwirklicht werden.
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