„Wir müssen Perspektiven finden für das Schweigen der Waffen, und vor allem für die Zeit danach“, sagte der Vorsitzende des Zentralausschusses des Weltkirchenrats und evangelische Landesbischof in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, jüngst. Wer wollte ihm da widersprechen? Wenn der „Ökumenische Rat der Kirchen“ (ÖRK) etwas zum „Schweigen der Waffen“ beitragen kann, dann ist es zweifellos seine moralische Pflicht, dies zu tun.
Gleichwohl wirft der Plan, den Bedford-Strohm und ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay nach ihrer Begegnung mit Papst Franziskus in Rom andeuteten, Fragen auf. Geplant ist nämlich ein Runder Tisch mit ÖRK-Mitgliedern aus Russland und der Ukraine im Mai. Von der russisch-orthodoxen Kirche gebe es bereits positive Signale; mit den ukrainischen Kirchen liefen noch Hintergrundgespräche, so Bedford-Strohm.
Das ist nicht erstaunlich. Das Moskauer Patriarchat, das – im Gegensatz zur katholischen Kirche – seit 1961 Mitglied im ÖRK ist, hat viel Erfahrung darin, diese ökumenische Bühne für seine Selbstdarstellung und Propaganda zu nutzen. Wie Patriarch Kyrill das Videogespräch mit dem Papst am 16. März 2022 nutzte, um seine Kriegspropaganda darzulegen und der Welt einen Gleichklang mit dem Papst vorzugaukeln, so droht nun der Runde Tisch der ÖRK zur Plattform für die Moskauer Propaganda zu werden. Wer wissen will, wie das Moskauer Patriarchat die Lage in der Ukraine und Putins Krieg sieht, kann sich auf der Internetseite „www.patriarchia.ru“ jederzeit einen Eindruck verschaffen.
Ein asymmetrischer Krieg
Will der ÖRK dieser hasserfüllten, an Lügen und Verdrehungen reichen Kriegshetze tatsächlich eine internationale Bühne bieten? Zumal es hier weder um akademische noch um pastorale Fragen geht, sondern um einen Krieg, der Hunderttausende das Leben und Millionen die Heimat kostet. Während Kyrill für den Kriegstreiber Putin betet, die russische Armee segnet und die Kreml-Propaganda durch pseudoreligiöse Mythen legitimiert, sterben in der Ukraine Menschen jeder Konfession, zerstören russische Raketen Gotteshäuser aller Religionen. Es ist ein asymmetrischer Krieg, in dem Täter und Opfer um der Gerechtigkeit willen benannt werden müssen, bevor sie in einen Dialog eintreten können. Solange die wesentlichen Fakten nicht benannt und außer Streit gestellt sind, ist ein Runder Tisch sinnlos, ja irreführend.
Worüber sollen Vertreter der autokephalen „Orthodoxen Kirche der Ukraine“ mit der russischen Orthodoxie sprechen, solange das Moskauer Patriarchat sie als Schismatiker beschimpft? Wie sollen Vertreter der „Ukrainisch-Orthodoxen Kirche“ agieren, wenn das Moskauer Patriarchat beansprucht, für sie sprechen und handeln zu dürfen, obwohl sie sich für autonom erklärten? Wie sollen Ukrainer mit den Vertretern Kyrills sprechen, solange dieser die Existenz einer ukrainischen Identität bestreitet, die ukrainische Eigenstaatlichkeit zur Sünde erklärt und die russischen Mörder in der Ukraine als Märtyrer bezeichnet? Ohne eine tiefgreifende Umkehr, ja Bekehrung der russisch-orthodoxen Kirchenleitung wird der geplante Runde Tisch zum Desaster. Er kann nur zur Verbitterung und Desillusionierung beitragen.
ÖRK riskiert maximalen ökumenischen Schaden
Nicht nur bilateral, auch weltkirchlich übrigens, denn Kyrill agitiert nicht nur gegen die ukrainische Identität und Kirchlichkeit, sondern – seit vielen Jahren – gegen das Ehrenoberhaupt der globalen Orthodoxie, den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Sollte der ÖRK zwar dem Kriegshetzer Kyrill, nicht aber dem Friedensmahner Bartholomaios eine Bühne bieten, dann wäre der ökumenische Schaden maximiert.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.