Israel

Friedensboten im Heiligen Land

Wie Christen unterschiedlicher Konfessionen als ökumenische Begleiter palästinensischen Kindern und Hirten beistehen.
EA-Helferin in Hebron
Foto: imago stock&people | Immer wieder regnet es hier Wurfgeschosse auf die Helfer: Eine EAPPI-Freiwillige in Hebron.

Es bedarf ausländischer Friedensaktivisten, damit sich palästinensische Kinder auf dem Schulweg sicher fühlen. Solche Schutzpräsenz leistet das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen, das auf einen Appell Jerusalemer Kirchenoberhäupter hin vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde. Die Schweizerin Valentina Maggiulli, 2006 Leiterin des EAPPI-Büros in Jerusalem, erklärt: „Die lokalen Kirchen ergriffen die Initiative.“ Sie wären nach dem Beginn der zweiten Intifada der Palästinenser zur Überzeugung gelangt, „dass die internationale Gemeinschaft ein Auge auf die Situation werfen muss“. Da die Vereinten Nationen keine Beobachtermission entsenden wollten, entschied sich die ÖRK-Generalversammlung Maggiulli zufolge dafür: „Das passte in unser Programm im Rahmen der Dekade der Gewaltüberwindung. Wir wollten ein Zeichen setzen und eine internationale christliche Präsenz.“

Ein Jahr später kamen die ersten Ökumenische Begleiter (EAs), darunter auch Deutsche, in die sechs Einsatzorte im West-Jordanland und in Ost-Jerusalem. Die Aufgaben reichen vom Beobachtungsdienst an Trennmauer und Kontrollpunkten über die Unterstützung israelischer Friedens- und Menschenrechtsgruppen wie „B'Tselem“, „Machsom Watch“ oder „Breaking the Silence“ bis zur Teilnahme an gewaltfreien Kundgebungen. Nicht zuletzt leisten EAs Schutzfunktion bei der palästinensischen Olivenernte oder im Dorf Yanoun unweit Nablus durch eine 24-Stunden-Präsenz, um Übergriffe meist militanter Siedler zu verhindern. Andere begleiten Beduinen beim Weiden ihrer Herden.

Angriffe durch Siedler

Vor allem jedoch in Hebron werden EAs dringend benötigt. Dort müssen Schüler am Kontrollpunkt bisweilen ihren Ranzen öffnen oder werden von Soldaten befragt. Postiert um die Cordoba-Schule gegenüber der jüdischen Siedlung Beit Hadassah sind sie dank der Dienstweste mit dem Logo, das ein Kreuz und eine Friedenstaube auf Stacheldraht zeigt, erkennbar. Wiederholt wurden EAs dort von Siedlern angegriffen. Einmal waren Prellungen die Folge, ein andermal warf laut Maggiulli ein Siedler einer EA „einen fußballgroßen Stein an den Kopf“. Die Wunde musste mit sieben Stichen genäht werden. Das Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland (EMS) veröffentlichte darauf diese Presseerklärung: „Besorgniserregend ist, dass dort postierte israelische Soldaten und die Polizei bei solchen Übergriffen und auch bei Übergriffen gegen die palästinensische Bevölkerung oft nicht eingreifen.“ Was Maggiulli vor gut 15 Jahren erlebte und so umschrieb, gilt leider immer noch: „In Hebron sind wir zusammen mit den Palästinensern der Feind, da werden die Begleiter täglich mit Hass überschüttet, beschimpft und mit Eiern, Abfall und Steinen beworfen.“

In den letzten Jahren ist der Kreis der EAPPI-Entsendeländer auf 21 angewachsen, darunter sind auch Österreich, Argentinien, die Philippinen oder Australien. Ständig sind bis 30 ökumenische Begleiter für jeweils drei Monate im Einsatz. „Unsere EAs (…) werden Zeugen des Lebens unter Besatzung (…)“, erklärt der ÖRK/WCC. Nach ihrem Einsatz heimgekehrt „teilen sie ihre Erfahrungen mit, um so die Augen ihrer Gemeinden, Kirchen und Regierungen für die Realität der Besatzung zu öffnen“. EAPPI sei „entscheidend für die Arbeit, die Besatzung zu beenden und einen gerechten Frieden in Palästina und Israel voranzubringen“.

Bedrückende Situation der Palästinenser

Mehr als 70 Kirchen und kirchliche Werke sowie ökumenische Gremien von Kanada über Brasilien bis nach Südafrika beteiligen sich mittlerweile am EAPPI-Programm, in Deutschland sind dies Pax Christi oder das Berliner Missionswerk. Um von einer der beiden Organisationen entsandt zu werden, sollte man zwischen 25 und 70 Jahre alt sowie körperlich und psychisch belastbar sein; Englisch wird vorausgesetzt, ebenso die Bereitschaft, in einem internationalen Team zu arbeiten. Ein Vorbereitungskurs vor der Ausreise ist verpflichtend.

Susanna Blatt ist evangelische Pfarrerin bei Stuttgart. 2016 war sie in Tulkarem im nördlichen West-Jordanland im Einsatz und sah, „wie das Leben der Palästinenser sehr eingeschränkt ist durch die Mauer, die sie von Verwandten, den heiligen Stätten und wichtigen Einrichtungen in Ost-Jerusalem trennt“. Geradezu „bedrückend“ sei, dass der „immer weiter voranschreitende israelische Siedlungsbau auf palästinensischem Land einen Frieden auf der Basis von Völkerrecht und Menschenrechten in immer weitere Ferne rücken lässt“. Erst vor Ort verstanden hat die Mittfünfzigerin, dass „das zivile israelische Recht im West-Jordanland für israelische Siedler gilt, aber nicht für Palästinenser“. Die seit über 50 Jahre andauernde Besatzung behindert in Blatts Augen „ein Leben Seite an Seite in zwei Staaten“.

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Eine sinnvolle Aufgabe

Auch Martin Rambow ist Theologe. Mitte der 1960er Jahre Wehrdiensttotalverweigerer in der DDR, wurde er später evangelischer Pfarrer in Gotha und Erfurt. 2009, schon pensioniert, war er als EA in Bethlehem. „Israel wurde entzaubert“ lautet eine Erkenntnis. Augenöffnend war für ihn die „Entdeckung der palästinensisch-christlichen Theologie“. Die politische Situation in Israel/Palästina hält er für „aussichtslos“.

Bettina Flick war zweimal EA. Gerade die „kleinen Momente“ zeigten ihr, dass ihre „Aufgabe als Menschenrechtsbeobachterin“ sinnvoll ist. „Da traut sich ein Schulkind nicht, allein an den Soldaten vorbeizugehen, ergreift aber freudig meine Hand und geht mit mir zusammen nach Hause.“ Ein Beduine, dessen Zelt mehrfach zerstört wurde, versicherte ihr: „Wenn ihr mich nicht immer wieder besuchen würdet, hätte ich schon lange aufgegeben.“ Und ein palästinensischer Friedensaktivist meinte: „Ihr seid unsere Lebensversicherung. Weil ihr da seid, ist die Gewalt weniger schlimm.“

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