Wer kennt das nicht? Vorgesetzte, denen der öffentliche Zuspruch und Erfolg, den ihre hart arbeitenden Mitarbeiter ernten, regelmäßig die Zornesröte ins Gesicht treibt. Statt sich über ihre Leistungen zu freuen, verfolgen sie sie eifersüchtig auf Schritt und Tritt, warten auf den kleinsten Fehler, um dann unbarmherzig zuzustoßen und ihnen den Garaus zu machen.
So in etwa stellt der in den Laienstand versetzte Lebensschutz-Aktivist Frank Pavone, Gründer und National Direktor der „Priests for Life“, das Schicksal, das ihm widerfuhr, in den Sozialen Medien dar. Schuld an der Misere sind demnach der Bischof der im US-Bundesstaat Texas gelegenen Diözese Amarillo, Patrick James Zurek, die Kleruskongregation und nicht zuletzt Papst Franziskus selbst. Unmöglich wäre das selbstverständlich nicht.
Und doch sind Zweifel an dieser Darstellung angebracht. Nicht nur, weil, wie es in der Erklärung heißt, die der Apostolische Nuntius, Erzbischof Christophe Pierre, am 13. Dezember allen amerikanischen Bischöfen übermittelte, Pavone in kanonischen Verfahren der „blasphemischen Kommunikation in den Sozialen Medien und des anhaltenden Ungehorsams gegen die rechtmäßigen Anweisungen seines Diözesanbischofs für schuldig befunden“ wurde. Nicht nur, weil sich die Verteidigung von Pavone in einem Meer von US-Lebensrechtsorganisationen in überschaubaren Grenzen hält. Nicht nur, weil Pavone in seiner Heimatdiözese New York, in die er 1988 ordiniert worden war, bereits ähnliche Probleme hatte. Sondern vor allem, weil an Priester andere Anforderungen gestellt werden als Pavone sie offenbar an sich stellen lassen wollte.
Der Selbstgesandte
Niemand wird geweiht, um hernach eine Existenz als Vollzeit-Lebensschutz-Aktivist zu führen, sondern um allen Menschen die frohe Botschaft zu verkünden, sie seelsorgerlich zu begleiten und sie mit den Sakramenten der Kirche zu stärken.
Niemand wird geweiht, um Wahlkampf für US-Präsidentschaftskandidaten zu machen. Auch dann nicht, wenn sie in der Frage der Abtreibung die Position der Kirche teilen. Priester müssen bereit sein, wie Christus am Kreuz, die ganze Welt zu umarmen. Ein politisches Engagement, das Spaltung fördert, Umkehr und Versöhnung erschwert, ist mit dem Tragen des Kollars nicht vereinbar.
Der heute 63-Jährige Pavone hat in den letzten zwei Jahrzehnten zweifellos Großes für den Lebensschutz in den Vereinigten Staaten von Amerika geleistet. Doch tat er das stets nach dem Motto: „I did it my way“. Genauso kann er es nun weiter halten. Im Laienstand besitzt er all jene Freiheiten, die er sich als Priester angemaßt hat.
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