Würzburg

Eine apokalyptische Seuche?

Was heißt hier apokalyptisch? Immer wieder fällt in diesen Tagen der eskalierenden Seuche das Wort "apokalyptisch". Doch alle Texte über die apokalyptischen Katastrophen im Neuen Testament und später prägen immer wieder diese fünf Dinge als deren Sinn und Bedeutung ein.
Evangeliar mit einem Lamm Gottes
Foto: Cristian Gennari (KNA) | Im Ganzen sind Katastrophen zu begreifen als Spiegel der Welt und insofern als Attribute des Unerlöstseins.

1. Der Mensch ist nicht Gott

Er ist vielmehr gefährdet und hilfsbedürftig. Nach der Offenbarung Johannis K.6-11 sollen die Katastrophen in diesem Sinne "in die Knie" zwingen. Das könnte, wie die Psalmen sagen, auch durch Größe und Schönheit der Schöpfung geschehen, doch angesichts der geringen Nachhaltigkeit von Lob und Dank könnte es auch durch die schreckliche Größe der Katastrophen geschehen. Auch wenn die Geheime Offenbarung in diesem Punkte ihres Erfolges gar nicht sicher ist (Apk 9,20), könnte der Mensch doch durch diese Eindrücke und Einbrüche weniger selbstherrlich werden und zur Ordnung der Schöpfung "zurückkehren"(ein Wort für "Umkehr").

2. Die Katastrophen sind ein Teil des Kommens Gottes

Die Katastrophen sind darin Symptom der nachhaltigen Erschütterung des Bestehenden durch Gottes Majestät. In der Geheimen Offenbarung kündigt nach den Gemeindebriefen (K.1-4) die Thronvision von K.5 Gottes Kommen an. Da die Welt, so wie sie ist, nicht Gottes Gebot und Vorstellung entspricht, ist dieses Kommen Gottes in die Welt ein schmerzhafter und verlustreicher Prozess, vergleichbar der durch einen Arzt zu vollziehenden Operation.

3. Es ist nicht wahr, dass Gott vor allem durch die Katastrophe des Weltendes käme

Die biblische Rede vom Kommen Gottes ist viel weiter und umfasst vor allem auch Positives. Und dabei ist Rede von Theologen, dass die Ankündigung des nahen Weltendes "irrtümlich" gewesen sei und den Eindruck der "Parusieverzögerung" verschuldet habe, eine optische Täuschung der Ausleger. Vielmehr kommt die Verwandlung der Welt in Gang durch Sakramente und Heiligen Geist. Gott kommt vor allem als Heiliger Geist. Daher beginnen fast alle Gebete um den Heiligen Geist mit der Bitte "Komm!". Und genau so geschieht es durch die Sakramente, dass Gott kommt. Daher geschieht das bei einigen Sakramenten auch in ausdrücklicher und ausführlicher  Verbindung mit dem Heiligen Geist (Taufe, Firmung, Eucharistie, Priesterweihe). Und der Heilige Geist wird "Creator Spiritus" genannt, und zwar besonders für die "zweite Schöpfung".

4. Die überwältigende Mehrzahl der Katastrophen ist von Menschen hausgemacht

Denn die Schöpfung "vergisst nichts", und so geht es in der überwältigenden Mehrzahl der Katastrophen, die den Menschen nach dem Grundsatz von Tun und Ergehen einholen. Es sind daher schlicht die Naturgesetze, die wirken. Und vielleicht auch unabhängig von menschlichen Fehlern z.B. bei der Bildung neuer Viren.

5. Katastrophen nicht als Strafen Gottes für die Sünden der Menschen

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Doch viele Katastrophen werden nicht als Strafen Gottes für die Sünden der Menschen verstanden, sondern immer auch als Proben und Testfälle für den Glauben (wie bei Hiob). Im Ganzen sind sie eher zu begreifen als Spiegel der Welt und insofern als Attribute des Unerlöstseins. Deshalb werden nicht die Nöte Einzelner genannt, sondern wenn das überhaupt geschieht, dann von Gruppen (z.B. Schwangere, Stillende). Aber zumeist allgemeine Phänomene (wie Hunger und Pest). Da gilt dann eine Zusammengehörigkeit aller unter einer umgreifenden "Wolke des Unheils" wie zum Beispiel bei Hungersnöten. In den Apokalypsen werden diese Nöte in Katalogen dargestellt. Gerade dadurch, durch diese Form  ergibt sich das Bild eines kohärenten Unheils, so wie man in einem Flugzeug, das noch nicht landen darf, über einer geschlossenen Wolkendecke schwebt. All das Dunkel und die Not zusammen ergeben als Bild des Unheils ein Gegenbild zu dem Heil, das doch verheißen ist. Denn auch das Heil wird nicht individualistisch und nicht als Gegenbild zu einzelnen Lastern (etwa moralisierend) dargestellt. Sondern als "Reich", als "Leib Christi", als "neue Familie". Insofern sind die Schreckensbilder der Apokalypsen anti-millenaristisch (das heißt der Hoffnung auf ein tausendjähriges Schlaraffenland entgegenlaufend)  zu verstehen, d.h. sie zerstören die Illusion, die Welt/die Erde könne aus eigenem Potential ein Goldenes Zeitalter am Ende hervorbringen.

Die beiden wichtigsten Faktoren, die auf diesem Feld eine individualistische Sicht verhindern, sind solche, die die Bedeutung Einzelner für eine größere Menge darstellen, so die Phänomene der Stellvertretung  (Jesus Christus, Heilige) und deren Gegenteil, die Ansteckung  (Adam und Eva; Irrlehrer wie Simon Magus, die Prophetin Jezabel). Beides stiftet eine Gemeinschaft, sei es zum Guten (Stellvertretung), sei es zum Bösen (Verführung. Ansteckung).   
Das Hauptmerkmal für diese "andere, jetzt schon beginnende Ordnung" ist der Menschensohn, dessen Regeln und Bedingungen die Gemeinde aus den Evangelien gut kennt. Und durch das Blut des Lammes sind sie erlöst. Das heißt: Alles Unrecht ist abgewaschen, und die Getauften sind  ein und fleckenlos geworden wie das Lamm. Insofern ist ihnen schon einmal jede Zukunftsangst genommen.

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