Selten rotieren die schweren Mühlsteine der katholischen Kirche so schnell wie in diesen Tagen. Der „Synodale Weg“ und seine Weichenstellungen treiben sie derzeit mit ungeahnter Kraft an. Wenige Tage vor Beginn der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist noch immer nicht absehbar, wohin die Entwicklung gehen wird. Nach den jüngsten Ereignissen scheint es nicht einmal mehr ausgemacht, dass es den „Synodalen Weg“ überhaupt geben wird. Denn während nun grundsätzliche Vorbehalte des Vatikan gegen die deutschen Pläne öffentlich wurden, scheint auch in den Reihen der Bischöfe die Zahl derer zu wachsen, die mit Skepsis auf die derzeitige Marschrichtung blicken.
Auf der Tagesordnung für das Treffen der Oberhirten ab Montag in Fulda steht damit auch die Grundsatzentscheidung, ob die in den zurückliegenden Monaten seit dem Beschluss von Lingen verfolgten Pläne für den „Synodalen Weg“ weitgehend unverändert fortgeführt werden sollen. Gegen sie gab es innerhalb der Bischofskonferenz bereits von Beginn deutlichen Widerspruch. Insbesondere die thematische Schwerpunktsetzung sowie die Zusammensetzung des „verbindlichen synodalen Prozesses“ waren Gegenstand der Kritik. Dass diese auch konstruktiv vorgebracht wurde, zeigten die Kritiker nun am Samstag. Das Bistum Regensburg veröffentlichte den Alternativentwurf von Bischof Rudolf Voderholzer und Kardinal Rainer Maria Woelki. Gemeinsam hatten sie bereits zur Versammlung der Diözesanbischöfe im August eine eigene Vorlage für die Statuten des „Synodalen Wegs“ eingebracht, welche allerdings mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden war.
Vatikan meldet kirchenrechtliche Bedenken an
Dass er nun doch öffentlich wurde, ist wiederum dem vatikanischen Einwand gegen den angenommenen Entwurf geschuldet. Anfang September hatte die Kongregation für die Bischöfe durch ihren Präfekten, Kardinal Marc Ouellet, die deutschen Bischöfe wissen lassen, dass ihre Pläne in eine für den Vatikan nicht tragbare Richtung zeigen würden. Die Oberhirten hätten demnach ein sogenanntes Plenarkonzil ausgerufen, ohne dies aber so zu nennen und sich an das kirchenrechtlich vorgeschriebene Verfahren zu halten.
Im Entwurf von Woelki und Voderholzer waren die von Ouellet angemahnten Punkte berücksichtigt worden. Insbesondere die Rolle der Bischöfe als Träger der Entscheidungsgewalt sowie des Vatikan als letzter Prüfinstanz waren darin festgeschrieben. Vor allem aber hatten die Autoren des Alternativentwurfs andere Themen zur synodalen Beratung vorgeschlagen: Anstelle der „lehramtlich geklärten Themen“ wie dem Zugang von Frauen zu Weiheämtern oder der Sexualmoral wollten sie die Glaubenskrise und die Neuevangelisierung in den Mittelpunkt stellen. Unter den 27 Diözesanbischöfen war der Entwurf mit 21 Gegenstimmen deutlich durchgefallen.
In einem Antwortschreiben an Ouellet verteidigte der DBK-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx in der vergangenen Woche den Mehrheitsbeschluss. Der „Synodale Weg“ sei „eigener Art“ und dürfe „deshalb auf keinen Fall durch die Brille kirchenrechtlich verfasster Instrumente“ gesehen werden, schreibt Marx in dem Brief, welcher der „Tagespost“ vorliegt. Die Verärgerung von Marx über den vatikanischen Einwand ist dem Schriftstück deutlich anzumerken. Auch auf Laien-Seite beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken herrscht wenig Verständnis für die Einmischung der Zentrale. In einer Stellungnahme vom Freitag erklärte ZdK-Präsident Thomas Sternberg seine Unterstützung für das Vorgehen von Marx und kritisierte zwischen den Zeilen zugleich den vatikanischen Versuch, „das freie Gespräch, das nach Ergebnissen und notwendigen Reformschritten sucht“, zu unterdrücken.
„Die Unruhe ist groß“, fasste Marx die Situation in seinem Brief an Ouellet zusammen. Noch am Montag reiste der Münchner Erzbischof persönlich nach Rom, um dort im persönlichen Gespräch „etwaige Missverständnisse“ auszuräumen, wie es in der Ankündigung der DBK vom Wochenende hieß. Unruhe herrscht dabei nicht nur auf Seiten der ausgesprochenen Reformer, die kurz vor dem geplanten Beginn des „Synodalen Wegs“ bereits mit den Hufen scharren. Denn das römische Machtwort wurde in Deutschland auch von solchen Bischöfen aufmerksam aufgenommen, die sich bislang nicht klar auf einer der beiden Seiten verortet haben.
„Eine Kuh bleibt eine Kuh“
Exemplarisch dafür steht der Kölner Weihbischof Ansgar Puff, der weder dem Ständigen Rat der DBK noch einem der sonstigen in den zurückliegenden Monaten mit dem Thema befassten Gremien angehört. „Eine Kuh bleibt eine Kuh, auch wenn einige Menschen beschließen: ‚Wir nennen dieses Tier jetzt einfach mal Pferd‘“, sagte er in einem Impuls für das Kölner „Domradio“ am Montag. Deutlich stellte er sich damit hinter die Sichtweise des Vatikan: Der „Synodale Weg“ sei seinem Wesen nach ein Partikularkonzil und müsse auch als solches behandelt werden. Wie schon der Vatikan redete Puff damit allerdings nicht einem Abbruch der Planungen das Wort. Im Gegenteil, eine rechtlich sichere Fassung des „Synodalen Weges“ würde nicht zuletzt die gewünschte Verbindlichkeit der Entscheidungen ermöglichen, so der Weihbischof.
Auch von denjenigen, die bereits an den Planungen für den „Synodalen Weg“ beteiligt waren, mehren sich unterdessen kritische Wortmeldungen über den Kurs der zurückliegenden Monate. Caritas-Präsident Peter Neher, der am Wochenende in der „Gemeinsamen Konferenz“ von DBK und ZdK an den Beratungen über die bisherigen Schritte teilnahm, mahnte noch in der vergangenen Woche zu Zurückhaltung. Der „Synodale Weg“ sei gut und richtig, werde aber dennoch nicht alle Fragen beantworten können und müsse auch strukturell überarbeitet werden.
Auch Berlins Erzbischof Heiner Koch, der ebenfalls Mitglied der „Gemeinsamen Konferenz“ ist, äußerte schon vorab seine Sorgen. Er sei skeptisch, „wenn der ‚Synodale Weg‘ nur wie ein parlamentarischer Abstimmungsprozess verstanden wird“, sagte er in der vergangenen Woche gegenüber der „Tagespost“. Von den Teilnehmern des Prozesses erwartet er sich „Herzlichkeit und Lernbereitschaft“ auch gegenüber denjenigen, „deren Überzeugung mir fremd ist“. Ohne Wohlwollen sähe er in ihnen lediglich „diejenigen, die ich überstimmen muss“, so der Erzbischof.
Arbeitspapiere weisen auf große Differenzen hin
Unterdessen wurden am Samstag auch die von den sogenannten „vorbereitenden Foren“ erarbeiteten Arbeitspapiere für den „Synodalen Weg“ veröffentlicht. Die Grundlagendokumente für die geplanten Debatten weisen dabei nicht nur äußerlich erhebliche Unterschiede auf – so ist etwa der Text zum Thema „Sexualmoral“ gut viermal so lang wie jener zur „Priesterlichen Lebensform“. Ersteres basiert nach Angaben der Autoren zudem auf einem Vortrag, den der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff bei der jüngsten DBK-Vollversammlung gehalten hatte. Aus dem Papier geht weiter hervor, dass es zu praktisch allen behandelten Themen sich teils deutlich widersprechende Ansichten gab, die alle auch festgehalten wurden.
Ebenfalls vermerkt wurde in der Vorlage zur Sexualmoral, dass jene Stimmen, die sich für die tradierten Positionen von Lehramt und Moraltheologie ausgesprochen hatten, in der Minderheit waren. Für ein Arbeitspapier, das Grundlage einer vertieften Debatte sein soll, ein bemerkenswerter Umstand. Tritt der „Synodale Weg“ wie bislang geplant zusammen, würden absehbare Mehrheiten über Vorlagen diskutieren, die ihnen von entsprechenden Mehrheiten auf den Tisch gelegt wurden. Bereits im Juli hatte ZdK-Präsident Sternberg gar in Aussicht gestellt, dass die Teilnehmer der vorbereitenden Arbeitsgruppen später auch den eigentlichen synodalen Gesprächsforen angehören dürften. Auch das dürfte in der katholischen Kirche in Deutschland nicht für mehr Ruhe sorgen.
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