Würzburg

Die bekehrte Leidenschaft der Natalia Bienkowski

Natalia Bienkowski ist davon überzeugt, dass die katholische Sexualmoral kein Stiefkind, sondern die Chance für die Kirche ist.
Natalia Bienkowski
Foto: Klemens Körner (-Körner- Chemnitz-) | Von der Anhängerin der Metal-Szene zur Verfechterin der Theologie des Leibes: Natalia Bienkowski.

In einer katholischen Familie in München geboren, in der Gebet, persönliche Christusbeziehung oder die Lehre der Kirche jedoch nie Thema waren, wandte sich Natalia Bienkowski im Alter von 15 Jahren von der katholischen Kirche ab. Gelangweilt von der Oberflächlichkeit, die sie etwa in ihrem Firmkurs erlebte, findet sie ein neues Umfeld unter der Isarbrücke: „In meiner rebellischen Phase verbrachte ich meine Zeit mit Leuten aus der Metal- und Punkszene und passte mich ihnen an. Das heißt: viel Alkohol, Rauchen, Springerstiefel, schwarz geschminkte Augen, Lippenpiercing, die Haare mal rot und mal lila.“

Während die Teenagerin beginnt in Bands zu spielen und auf Festivals zu fahren, erfährt sie auch von der offenen Sexualität der Szene: „Es war nichts Besonderes, mit Leuten rumzumachen, die man kaum kannte.“

Nach der Beziehung viele Jahre solo

Obwohl ihr Umfeld sich darüber lustig macht, entscheidet sich Natalia zunächst dagegen, ihren ersten Sex zu erleben: „Ich spürte einen großen Druck, dass ich nicht dazugehöre, dass mit mir etwas nicht stimmt, dass ich nicht gut genug bin, solange ich keinen Sex habe.“ Eigentlich habe sie sich gewünscht, mit 21 zu heiraten und viele Kinder zu bekommen, aber als sie dann mit 18 einen neuen Freund hat, gibt Natalia dem Druck ihres Umfelds nach. „Ich dachte, wenn ich nichts biete, dann werde ich auf Dauer keinen Freund oder Mann haben können. Meine innerliche Ausrede war: Ich will ja für immer mit ihm zusammenbleiben, also ist es okay. Aber statt geliebt habe ich mich einfach nur benutzt gefühlt. Ich hatte etwas von mir gegeben, das nicht angenommen wurde.“

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Ein paar Monate darauf beendete sie die Beziehung und blieb viele Jahre solo: „Vielleicht war ich danach emotional einfach ausgestorben.“ Nachdem die heute 31-Jährige zum Studium nach Dresden zog, begannen Angstzustände sie zu plagen. Nachdem das Licht nachts gelöscht war, waren Geräusche im Zimmer zu hören und sie fühlte sich gelähmt. In der Not fiel ihr ein, zu beten. Das Vaterunser musste sie erst wieder lernen, jedoch half es ihr, Ruhe zu finden. „Ich fühlte dann wieder und wieder eine sanfte innerliche Anfrage, die mich rief, sonntags in die Messe zu gehen.“

Irgendwann gab sie dem Ruf nach, auch wenn sie sich nicht traute, die heilige Kommunion zu empfangen. „Ich wusste, dass ich, gerade was das sechste Gebot betrifft, sehr viel auf dem Kerbholz hatte und erstmal zur Beichte gehen muss.“ Leichter gesagt als getan: Einige Anläufe führen sie vor die Beichtstühle in der Dresdner Kathedrale, bis sie Mut fasste. „Ich habe gebeichtet und es fühlte sich an, als habe jemand eine eitrige Wunde aufgestochen“, so Bienkowski.
Ihr Leben wird in kurzer Zeit völlig auf den Kopf gestellt, eine ungekannte Sehnsucht führt sie täglich in die Messe, zum Rosenkranzgebet, zur monatlichen Beichte, sie liest alle Bücher zu Marienerscheinungen, die sie in der Bibliothek finden kann. „Meine alten Freunde sagten mir immer weniger zu, mit ihnen war es langweilig, leer, immer die gleichen Witze. Ich bat Gott, er möge mir neue Freunde schenken.“ Nur drei Tage später lernte sie die Leiterin von Nightfever in Dresden kennen, von der sie gleich eingeladen wurde. Schnell gelangte sie in einen Gebetskreis, der sich wöchentlich zum gemeinsamen Rosenkranz, Bibelteilen und Abendessen zusammenfand.

Zugang zur Theologie des Leibes

Eine geistliche Begleiterin verschaffte der heutigen Doktorandin einen Zugang zur Theologie des Leibes. Sie las Bücher, besuchte Kongresse. Inzwischen hielt sie selbst mehrere Vorträge darüber – etwa auf dem Kongress „Freude am Glauben“. Eindrücklich ist ihr biographischer Zugang aufgrund ihrer Zeit in der Metal-Szene: „Ich hätte mir gewünscht, dass ich in meiner Jugend einen Beistand gehabt hätte, als der Druck, ,endlich‘ das erste Mal zu haben, groß war. Ich hätte mir gewünscht, dass mir jemand sagt, dass ich es wert bin und mich nicht den Gelüsten der Männer unterordnen muss. Jemand, der mir sagt, dass ich meine Wünsche nach einer dauerhaften, treuen Beziehung als gesunde und stabile Basis für eine Familie nicht begraben brauche. Für mich ist die Theologie des Leibes wahre Freiheit.“

Es gehe nicht darum, das erste Mal einfach an irgendjemanden zu verschwenden und sich auf Lust reduzieren zu lassen. Vielmehr komme es auf das an, was Christopher West eine „disciplined wildness“ nennt. „Das Wilde, Leidenschaftliche wird nicht verdrängt, sondern erzogen. Erst durch ein festes Eheversprechen kann ich mich als Frau wirklich fallen lassen und es entsteht ein Rahmen für Sexualität, in dem keine Verletzungen entstehen“, sagt die heutige Dresdnerin, die in der Theologie Johannes Pauls II. zugleich einen Auftrag für die Kirche sieht: „Wer, wenn nicht die Kirche, schützt junge Menschen vor dem Druck, ,endlich‘ das erste Mal zu haben, wenn sie es nicht wollen? Wer sonst kann den verlorenen Menschen auf der Suche nach echter Liebe Halt und Richtung geben? Wer sonst kann ihnen Freiheit verschaffen?“

Aus Sicht von Natalia Bienkowski ist die Sexualmoral die intelligenteste und beste Leitschnur für gelingende Beziehungen und der Ausweg aus der eigenen Leere, wie sie sie in ihrem von einer Sex-macht-Spaß-Mentalität getriebenen Umfeld erlebt hat. „Das habe ich damals mitgemacht, aber mehr als ,Spaß‘ war es nicht: nur Leere, Druck und eine beklemmende Unfreiheit. Die Theologie des Leibes dagegen geht ohne Kompromisse auf unsere wahren Herzenswünsche ein!“

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