Der ehemalige Postulator für die Seligsprechung von Pater Josef Kentenich, Pater Angel Strada, hat am Montag erklärt, dass es kein Aufhebungsdekret des Vatikan für den Gründer der Schönstatt-Bewegung gebe. Der Argentinier war von 1997-2017 für die Causa Kentenich als Postulator zuständig. Josef Kentenich war 1965 nach vierzehnjähriger Verbannung in Übersee nach Deutschland zurückgekehrt.
Strada: "Keine einzige Spur" von sexuellem Missbrauch
In einem Interview auf der Seite der Schönstatt-Bewegung verwies Strada auf die Fülle des Materials, das im Seligsprechungsverfahren für eine Sichtung in Frage gekommen sei. Dafür habe man in 120 kirchlichen und zivilen Archiven in Deutschland und im Ausland geforscht. Auf Vorschlag des Vatikan habe die aus Mitgliedern der Schönstattbewegung und externen zusammengesetzte Geschichtskommission aus 32.000 vorhandenen Dokumenten 8.000 ausgewählt und auf etwa 70.000 Seiten zusammengestellt.
Der ehemalige Postulator bestritt die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs, die in den jüngst bekannt gewordenen Vatikan-Dokumenten gegen den Gründer der Schönstattbewegung erhoben werden: „In den bisher gesichteten Akten gibt es keine einzige Spur, die auf einen Fall von sexuellem Missbrauch hindeuten würde. Wenn es in den Dokumenten des bisherigen Geheimarchivs in Rom überzeugende Zeugnisse gibt, die einen Missbrauch klar beweisen, dann muss die Kirche entscheiden, den Seligsprechungsprozess zu beenden“, sagte Strada. Diese Entscheidung werde dann die „vollständige Unterstützung“ der Schönstattbewegung finden.
"Wenige Schwestern" hart, ungerechnet oder unverstanden behandelt
Auf die Frage, ob die Akten Aussagen zum Stichwort Machtmissbrauch enthielten antwortete Strada, „wenige Schwestern“ hätten erklärt, sich von Pater Kentenich hart, ungerecht oder unverstanden behandelt zu fühlen. Diese Aussagen seien ernst zu nehmen, doch könne von einer Gemeinschaft von damals 1.500 Mitgliedern nicht erwartet werden, dass alle mit allem einverstanden seien.
Die Begründungen für die Entscheidung, Kentenich 1951 zu verbannen, weichen nach Darstellung des ehemaligen Postulators voneinander ab. Strada verwies auf verschiedene, inhaltlich voneinander abweichende Dekrete des Visitators Sebastian Tromp SJ, vom Heiligen Offizium und vom Generalsuperior der Pallottiner. Nach Darstellung des Heiligen Offiziums seien einige Entwicklungen in Schönstatt zu korrigieren gewesen. Zugleich sei ausgeschlossen worden, dass diese Maßnahmen in Anwesenheit Kentenichs durchgeführt werden, der als „unbelehrbar“ angesehen worden sei. Ein anderes Dokument greife die Behauptung einiger Bischöfe auf, Pater Kentenich sei infolge seiner vierjährigen Haft im Konzentrationslager Dachau psychisch krank. Ein verlangtes psychologisches Gutachten attestiere dem Gründer der Schönstattbewegung Unauffälligkeit.
Keine Rehabilitation
Eine schriftlich dokumentierte Rehabilitation Kentenichs hat es Strada zufolge nicht gegeben, weil die Ausstellung von Aufhebungsdekreten durch das Heilige Offizium – der Vorgängerinstitution der heutigen Glaubenskongregation – nicht üblich gewesen sei. Zu entnehmen sei die Rehabilitierung Pater Kentenichs der Tatsache, dass er von Milwaukee nach Rom zurückkehrte und mit Wissen des Heiligen Offiziums alle ihm zuvor verbotenen Tätigkeiten wieder aufnahm.
Paul VI. habe ihn am 22. Dezember 1965 in Audienz empfangen. Die vom damaligen Münsteraner Bischof Joseph Höffner einzeln befragten deutschen Bischöfe hätten der Rückkehr Kentenichs nach Deutschland zugestimmt. Kardinal Ildebrando Antoniutti, der Präfekt der Religiosenkongregation, habe von Höffner die positiven Antworten der deutschen Bischöfe erhalten und Kentenich daraufhin „die volle Freiheit“ gegeben. Höffner inkardinierte Pater Kentenich im Dezember 1965 in das Bistum Münster. Darüber hinaus habe der Präfekt des Heiligen Offiziums, Kardinal Alfredo Ottaviani, drei Jahre nach Kentenichs Tod, im Dezember 1971, in einer zwölfseitigen Schrift mit dem Titel „Erinnerungen an Pater Kentenich“ um Verzeihung gebeten „und sich entschuldigt“ für das, was Kentenich „angetan“ worden sei.
Der ehemalige Postulator bestätigte die Angabe der Historikerin Alexandra von Teuffenbach, eine Gruppe Marienschwestern, unter ihnen die ehemalige Generaloberin, habe brieflich Kritik an Pater Kentenich nach Trier und Rom weitergegeben. Diese Briefe seien Bestandteil der für den Seligsprechungsprozess ausgewählten 8 000 Dokumente. Strada verwies in diesem Zusammenhang auf einen Brief der Generaloberin an Pius XII., demzufolge diese „keinen Zweifel an der sittlichen Integrität des Gründers habe, die Frage sei, ob ein Nachfolger das Amt ebenso sittlich einwandfrei ausüben würde“. Zudem stelle sie fest, dass es Schwestern gäbe, die den Gründer „anhimmelten“, doch gehe das nicht vom Gründer aus, sondern von den Schwestern.
Seligsprechungsverfahren auf Bistumsebene nicht abgeschlossen
Zudem habe es in Rom „Zuständigkeitsdiskussionen“ zwischen verschiedenen vatikanischen Behörden in Bezug auf das 1975 in der Diözese Trier eingeleitete Seligsprechungsverfahren gegeben. 1991 habe der damalige Trierer Bischof Hermann Josef Spital auf seine erneute Anfrage nach dem Nihil Obstat der Heiligsprechungskongregation den Bescheid bekommen, dass der Heilige Stuhl nach erneuter Untersuchung keinen Grund sehe, warum der Seligsprechungsprozess für Josef Kentenich, nicht eröffnet werden könne.
Das Bistum Trier bestätigte gegenüber dieser Zeitung, dass das Seligsprechungsverfahren für Pater Josef Kentenich (1885–1968) auf Bistumsebene nicht abgeschlossen sei. Die Internetseite katholisch.de hatte vor wenigen Tagen gemeldet, das Seligsprechungsverfahren für den Gründer der Schönstattbewegung sei 2007 auf diözesaner Ebene abgeschlossen worden. Diese Aussage dementierte das Bistum und wies darauf hin, man mache keine weiteren Angaben zu dem „sehr komplexen“ Verfahren. Lediglich die in den geltenden Normen vorgesehene Historikerkommission für jedes Seligsprechungsverfahren habe ihre Arbeit 2007 abgeschlossen. Bischof Stephan Ackermann hatte kürzlich beschlossen, eine neue Historikerkommission in der Causa Kentenich einzusetzen. Nicht bestätigen wollte das Bistum Trier auch die Angabe Stradas, der neuen Kommission gehörten drei Externe, ein Schönstattpater sowie eine Marienschwester an.
Schönstatt will Aufarbeitung
Sie wird auf den Ergebnissen einer vorausgegangenen Kommission aufbauen. Aufgabe der neuen Historikerkommission wird es insbesondere sein, alle nun zugänglichen Dokumente der vatikanischen Archive zu sammeln, die in irgendeiner Weise dieses Seligsprechungsverfahren betreffen, und ihre Bedeutung zu bewerten. Dabei können die Schriftstücke von Pater Kentenich selbst stammen oder aber sich auf ihn und sein Wirken beziehen. Es werde dabei auch Aufgabe der Kommission sein, das neu gefundene Material mit dem abzugleichen, was bislang schon von der früheren Kommission an Dokumenten aus anderen Archiven zusammengetragen und ausgewertet worden ist. Am Ende ihrer Arbeit wird die Kommission – unter Einbeziehung des Ergebnisses der vorausgegangenen Kommission – einen Bericht erstellen, in dem auch eine Aussage gemacht wird über die Persönlichkeit und die Spiritualität von Josef Kentenich, so wie sie sich in den gesammelten Dokumenten darstellen.
Die Schönstattbewegung hat sich bereits für eine transparente Aufarbeitung aller Missbrauchsvorwürfe gegen Pater Kentenich ausgesprochen. Einer KNA-Meldung zufolge suchten die Verantwortlichen der Bewegung derzeit unter Berücksichtigung der für den Seligsprechungsprozess geltenden Schweigebestimmungen nach geeigneten Wegen, um die bisher zugänglichen Dokumente zu veröffentlichen.
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