Zur offiziellen Premiere des Augsburger Bischofs Bertram Meier am Hochfest Mariä Himmelfahrt in Maria Vesperbild bot der mittelschwäbische Wallfahrtsort eine Melange aus Feststimmung und ungewohnter Normalität. Ohne Maskenpflicht durften die Wallfahrer an der Grotte wieder beten und singen. Gut dreitausend Gläubige strömten unter strahlend blauem Himmel zum abendlichen Pontifikalamt und genossen die von einem kräftigen Regenguss am Nachmittag erfrischte Sommerluft.
Kirche ist "nicht an einem toten Punkt"
Viele Augsburger Diözesane wollten ihrem seit gut einem Jahr amtierenden Bischof endlich persönlich begegnen, nachdem die Teilnehmerzahl an der Bischofsweihe im Juni 2020 pandemiebedingt überschaubar ausgefallen war. Der Oberhirte, der seit Kindheitstagen eine persönliche Beziehung zu Maria Vesperbild hat, distanzierte sich von der Resignation, die manchem Katholiken nördlich der Alpen derzeit zu schaffen macht: Die Kirche in Deutschland sei nicht "an einem toten Punkt". Er selbst habe die Zuversicht, dass sich geistliche Früchte zeigen werden.
Von der eingerüsteten Wallfahrtskirche spannte der Bischof in der Predigt den Bogen zur erneuerungsbedürftigen Institution "nicht nach selbst gemachten Plänen, sondern auf der Basis dessen, was Jesus Christus uns als Bauherr und Architekt vorgegeben hat." Das Fest der Aufnahme Mariens sei Marias "Geburtstagsfeier für den Himmel". Meier bot praktische Tipps für eine marianische Gewissenserforschung: "Lasse ich mich von Maria durchs Leben begleiten? Finde ich mit und durch Maria näher zu Jesus?" Echtes Christsein funktioniere nur marianisch, unterstrich er und zog die Grenze zu Fehlentwicklungen: "Maria hat keine Weihe empfangen und sie hat auch dafür nicht demonstriert. Sie hat nicht bei den Aposteln im Abendmahlssaal angeklopft." Die Gottesmutter habe aber beherzt "Ja" zum Leben gesagt und sei ein Vorbild auch für Christen heute, nicht auf die Maßstäbe dieser Welt zu schauen, sondern auf die "vom Evangelium vorgegebene Messlatte".
Die Kirche und die Gläubigen müssen das Leben schützen
Als Feuerprobe sieht Bischof Meier die politische Debatte um die Legitimierung des assistierten Suizids: "Wo es um Leben und Tod geht, darf es für katholische Christen keine faulen Kompromisse geben: Wir schützen und verteidigen das Leben von der Zeugung bis zum natürlichen Tod, ohne Wenn und Aber." Schon der umstrittene Beratungsschein zum Schwangerschaftsabbruch sei einst fast zur Zerreißprobe für die katholische Kirche und christliche Politiker in Deutschland geworden. Die Kirche müsse vermeiden, dass sich ein solcher Konflikt wiederhole. Wenn daran gedacht werde, den assistierten Suizid als Dienstleistung in caritativen Einrichtungen nach erfolgter Pflichtberatung anzubieten, dann erliege die Kirche "einem Selbstmissverständnis". Bischof Meier wörtlich: "Frösche tragen wir über die Straße, doch Kleine und Schwache wie Embryonen und Senioren bleiben auf der Strecke. Wählen wir das Leben! Kämpfen wir für das Leben! Machen wir klare Ansage!"
Marias "Ja" zum Leben sei Vorbild. Sie habe diese Antwort geben können, weil sie zuvor ganz Ohr für Gott gewesen sei - eine Hörende, auch dies ein Vorbild für uns alle. "Einem Menschen lauschen", so der Bischof, "kann eine Neuentdeckung sein. Heute haben viele das Lauschen verlernt. Als Priester und Bischof wünsche ich mir selbst, immer mehr ein Hörender zu werden. Vielleicht ist die Krise der Beichte nicht zuletzt eine Krise der Priester: Wir sollen zuerst einmal hören und lauschen. Dann erst gilt es, selbst das Wort zu ergreifen, zu ermahnen und Zuspruch zu geben. Dies gilt auch für die Kirche als Ganze: Vielleicht reden wir deshalb so oft an den Menschen vorbei, weil wir antworten, wo wir nicht gefragt wurden, und Fragen stellen, die die Menschen in ihren Freuden und Nöten nicht interessieren."
Laien sind für den "Weltdienst" verantwortlich
Gegenüber dieser Zeitung unterstrich Bischof Meier, dass er das Thema Lebensschutz "nicht nur in Wahlkampfzeiten" ganz oben ansetze. Ausdrücklich forderte der Bischof mehr Engagement der Laien. "Das können nicht nur die Bischöfe machen." Auch bei geistlichen Prozessen wie dem Synodalen Weg komme es darauf an, solche Themen wieder zu artikulieren. Wir müssen nicht nur innerkirchlich, sondern auch nach außen unsere Mission erfüllen, Salz, Sauerteig und Licht zu sein. Da müssen die Laien in die Gänge kommen." Mit Nachdruck wies der Augsburger Oberhirte auf die Priorität des "Weltdienstes der Laien" hin. Natürlich sollten sie die Kirche mitgestalten, "aber ich habe den Eindruck: Der Weltdienst führt ein Schattendasein". Er wünsche sich mehr OffensiÜber
Die feierliche Lichterprozession endete traditionell am prachtvollen Blumenteppich, dessen Motiv in diesem Jahr die Marienerscheinung im westfranzösischen La Salette im Jahr 1846 aufgriff. Dem eindringlichen Aufruf der Mutter Gottes "Betet" folgten am Sonntag zahlreiche Gläubige aus den muttersprachlichen Gemeinden. Bereits am Samstag hatte eine Gruppe syrischer Wallfahrer aus Augsburg in Maria Vesperbild Eucharistie gefeiert und die Mutter Jesu mit Liedern und Tänzen gefeiert.
Über 10.000 Pilger kamen am Sonntag
Mehr als zehntausend Pilger besuchten am Sonntag den mittelschwäbischen Gnadenort. Morgens herrschte großer Andrang bei den Pilgermessen mit Segnung der Kräuterbuschen. Zahlreiche junge Familien mit Kindern prägten das Bild. Wallfahrtsdirektor Monsignore Erwin Reichart kündigte den Umzug des Gnadenbildes in den Kapellenraum im Pilgerhaus an: Vier Monate bleibt die Piet an ihrem neuen Domizil, während in der Wallfahrtskirche der neue Rokokoaltar fertiggestellt wird. An Weihnachten sollen die Pforten wieder offenstehen. Mit viel Engagement sammeln Gläubige derzeit den noch fehlenden Betrag für die Restaurierung. Ein langjähriger Vesperbild-Wallfahrer, Volker Brosch aus Augsburg, beschreibt den Zauber des Ortes treffend: "An Maria Vesperbild faszinieren mich immer wieder die Ruhe, Gelassenheit und Ausstrahlung. Man spürt einfach: Hier ist die Muttergottes zuhause".
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