Bitte und Vergebung. Das Weihegebet, das Papst Franziskus am Freitag im Petersdom gesprochen hat, fand am Ende eines Bußgottesdienstes statt, der von einer guten Dreiviertelstunde der persönlichen Sündenvergebung unterbrochen war. In den Beichtstühlen der Basilika empfingen Gläubige die Lossprechung, auch Franziskus legte seine Beichte ab und spendete das Sakrament der Buße. Als der Papst die ganze Welt, insbesondere aber Russland und die Ukraine, dem Unbefleckten Herzen Mariens weihte und um Frieden bat – „o Mutter, bewahre die Welt vor der nuklearen Bedrohung“ –, tat er das zusammen mit vielen Bischöfen, Priestern, geistlichen Gemeinschaften und Gläubigen in aller Welt. Doch wie Franziskus selber und ganz konkret zu dem Krieg in der Ukraine steht, hatte er am Tag zuvor in einer Audienz dargelegt, die nicht wie das Weihegebet am Festtag der Verkündigung des Herrn im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.
Hehre Prinzipien
Der italienische Frauenverband „Centro Femminile Italiano“ war zu seinem 31. Nationalkongress in Rom zusammengekommen und der Papst ließ sich vor den Verbandsdamen über die „gute Politik“ aus, die nicht einer Logik der Macht und Beherrschung entstammen dürfe, sondern sich aus einer „Kultur der Sorge“ ableite, der Sorge um die Person und ihrer Würde sowie der Sorge um das gemeinsame Haus. Päpste haben das Privileg, in weltlichen Dingen die hehren Prinzipien hochhalten zu können, ohne in die Niederungen der Tagespolitik hinabsteigen zu müssen. Aber beim Thema des „schändlichen“ Ukraine-Kriegs, der für Franziskus den Negativ-Beweis jener „Kultur der Sorge um die Person“ darstelle, wurde der Papst jedoch sehr konkret.
Das dem Übel zugrunde liegende Problem sei es, dass „man die Welt weiterhin regiert, als sei sie ein Schachbrett, auf dem die Mächtigen die Spielzüge planen, um ihre Vorherrschaft zum Schaden der Anderen auszuweiten“. Die wahre Antwort darauf „sind nicht weitere Waffen und weitere Sanktionen. Ich habe mich geschämt, als ich gelesen habe, dass sich eine Gruppe von Staaten dafür einsetzt, zwei Prozent glaube ich, oder zwei Promille des Bruttosozialprodukts als Antwort darauf, was gerade geschieht, für die Beschaffung von Waffen auszugeben. Eine Verrücktheit!“
Prozent oder Promille
Typisch, dass Franziskus sich nicht ganz sicher war, ob es nun zwei Prozent oder zwei Promille an Rüstungsetat waren, von denen er gelesen hatte. Der Papst spricht oft frei und zeigt dann oft Unsicherheiten, die frühere Päpste bei heiklen Themen mit einem klaren und vom Staatssekretariat gegengelesenen Manuskript vermieden haben. Aber der Sinn dessen, war Franziskus sagen wollte, war klar. Und deutschen Medien war ebenso klar, dass der Papst hier nicht zuletzt die von Olaf Scholz geführte Bundesregierung meinte, deren Beschluss, den Wehretat auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen, auf das Unverständnis von Franziskus gestoßen war.
Und der Papst insistierte: „Die wahre Antwort sind, wie ich gesagt habe, nicht weitere Waffen, weitere Sanktionen“ – und hier stellte Franziskus die gesamte Reaktion des Westens auf den Krieg Putins in Frage – „und weitere politisch-militärische Allianzen, sondern ein anderer Ansatz, eine andere Art, die inzwischen globalisierte Welt zu regieren -und nicht, wie jetzt, die Zähne zu zeigen. Eine andere Art, die internationalen Beziehungen umzusetzen. Das Modell der Sorge verwirklicht sich Gott sei Dank schon. Aber leider ist es noch dem Modell der wirtschaftlich-technokratisch-militärischen unterworfen.“
Kriege auf der ganzen Welt
Nun weiß auch der Papst, dass ein Ende des Kriegs in der Ukraine, das er in diesen Tagen und Wochen immer wieder beschwört, nicht darin liegen kann, der ganzen Welt innerhalb von Wochenfrist ein anderes Modell schmackhaft zu machen, um die internationalen Beziehungen und den Interessenausgleich zwischen den Nationen und Bündnissen zu organisieren. Auch wies Franziskus vor dem katholischen Frauenverband darauf hin, dass der „Dritte Weltkrieg in Etappen“, von dem er immer spricht, im vollen Gange ist. Studien für internationale Konfliktforschung zählten etwa für das Jahr 2021 allein 20 Kriege auf, die in den verschiedensten Regionen der Welt geführt werden. Aber dem Papst geht es weniger um die Lösung eines einzelnen Konflikts, als vielmehr um einen „globalen Mentalitätswechsel“, bei dem allerdings die Christen in besonderer Weise gefordert seien und den er mit dem Vorbild Jesu Christi, Gandhis und der Heiligen verbindet.
Er habe zum Thema der Friedenspolitik sprechen wollen, sagte er den katholischen Frauen, „um mich selbst und alle anderen, beginnend mit den Christen, daran zu erinnern, dass dieser Mentalitätswechsel alle betrifft und von jedem Einzelnen abhängt. Es ist die Schule Jesu, die uns gelehrt hat, wie sich das Reich Gottes immer von kleinen Samen ausgehend entwickelt.
Gewaltlosigkeit
Es ist die Schule Gandhis, die ein Volk auf dem Weg der Gewaltlosigkeit in die Freiheit geführt hat. Es ist die Schule der Heiligen, die die Menschheit durch das Zeugnis eines Lebens im Dienst Gottes und an den Nächsten wachsen lässt. Und schließlich, so Franziskus an seine Zuhörerinnen, seien es die Frauen, die dann, wenn sie in der Gesellschaft etwas zu sagen bekommen, das System ändern könnten: „Die Frauen können das System ändern, wenn es ihnen gelingt, um es einmal so auszudrücken, die Macht der Herrschaftslogik in eine Logik des Dienstes, der Sorge zu verwandeln. Es braucht eine Bekehrung: Die Macht mit der Logik der Herrschaft umzuwandeln in eine Macht des Dienstes mit der Logik der Sorge.“
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