Im folgenden dokumentieren wir die Katechese bei der heutigen Generalaudienz von Papst Leo XIV:
Liebe Brüder und Schwestern,
in unserer Katechesereihe über Jesus, unsere Hoffnung, betrachten wir heute das Geheimnis des Karsamstags. Der Sohn Gottes liegt im Grab. Aber seine „Abwesenheit” ist keine Leere: Sie ist Erwartung, zurückgehaltene Fülle, in der Dunkelheit bewahrtes Versprechen. Es ist der Tag der großen Stille, an dem der Himmel stumm und die Erde unbeweglich zu sein scheint, aber gerade dort vollzieht sich das tiefste Geheimnis des christlichen Glaubens. Es ist eine bedeutungsvolle Stille, wie der Schoß einer Mutter, der ihr noch ungeborenes, aber bereits lebendiges Kind bewahrt.
Ein neues Grab
Der vom Kreuz abgenommene Leib Jesu wird sorgfältig eingewickelt, wie man es mit etwas Kostbarem tut. Der Evangelist Johannes berichtet uns, dass er in einem Garten begraben wurde, in „einem neuen Grab, in das noch niemand gelegt worden war“ (Joh 19,41). Nichts wird dem Zufall überlassen. Dieser Garten erinnert an das verlorene Eden, den Ort, an dem Gott und Mensch vereint waren. Und dieses nie benutzte Grab spricht von etwas, das noch geschehen muss: Es ist eine Schwelle, kein Endpunkt. Am Anfang der Schöpfung hatte Gott einen Garten angelegt, nun beginnt auch die neue Schöpfung in einem Garten: mit einem verschlossenen Grab, das sich bald öffnen wird.
Der Karsamstag ist auch ein Tag der Ruhe. Nach dem jüdischen Gesetz darf am siebten Tag nicht gearbeitet werden: Nach sechs Tagen der Schöpfung ruhte Gott (vgl. Gen 2,2). Nun ruht auch der Sohn, nachdem er sein Heilswerk vollendet hat. Nicht weil er müde ist, sondern weil er sein Werk vollendet hat. Nicht weil er aufgegeben hat, sondern weil er bis zum Äußersten geliebt hat. Es gibt nichts mehr hinzuzufügen. Diese Ruhe ist das Siegel des vollbrachten Werkes, sie ist die Bestätigung, dass das, was getan werden musste, wirklich vollendet wurde. Es ist eine Ruhe, die von der verborgenen Gegenwart des Herrn erfüllt ist.
Als wäre das Leben nie genug
Es fällt uns schwer, innezuhalten und auszuruhen. Wir leben so, als wäre das Leben nie genug. Wir rennen, um etwas zu produzieren, um etwas zu beweisen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Aber das Evangelium lehrt uns, dass das Innehalten eine Geste des Vertrauens ist, die wir lernen müssen. Der Karsamstag lädt uns ein, zu entdecken, dass das Leben nicht immer von dem abhängt, was wir tun, sondern auch davon, wie wir uns von dem verabschieden können, was wir getan haben.
Jesus, das lebendige Wort des Vaters, schweigt im Grab. Aber gerade in dieser Stille beginnt neues Leben aufzubrechen. Wie ein Samenkorn in der Erde, wie die Dunkelheit vor der Morgendämmerung. Gott hat keine Angst vor der verstreichenden Zeit, denn er ist auch der Herr des Wartens. So kann auch unsere ungenutzte Zeit, die Zeit der Pausen, der Leere, der unfruchtbaren Momente, zum Schoß der Auferstehung werden. Jede angenommene Stille kann die Voraussetzung für ein neues Wort sein. Jede Zeit des Stillstands kann zu einer Zeit der Gnade werden, wenn wir sie Gott anbieten.
Jesus, begraben in der Erde, ist das milde Antlitz eines Gottes, der nicht den ganzen Raum einnimmt. Er ist der Gott, der zulässt, der wartet, der sich zurücknimmt, um uns Freiheit zu lassen. Er ist der Gott, der vertraut, auch wenn alles verloren scheint. Und wir lernen an diesem stillstehenden Karsamstag, dass wir uns mit der Auferstehung nicht beeilen dürfen: Zuerst einmal müssen wir bleiben, die Stille annehmen, uns von den Grenzen umarmen lassen. Manchmal suchen wir schnelle Antworten, sofortige Lösungen. Aber Gott wirkt in der Tiefe, in der langsamen Zeit des Vertrauens. Der Samstag des Begräbnisses wird so zum Schoß, aus dem die Kraft eines unbesiegbaren Lichtes hervorbrechen kann, des Lichtes von Ostern.
Stille, Warten
Liebe Freunde, die christliche Hoffnung entsteht nicht im Lärm, sondern in der Stille eines von Liebe erfüllten Wartens. Sie ist nicht das Ergebnis von Euphorie, sondern von vertrauensvoller Hingabe. Das lehrt uns die Jungfrau Maria: Sie verkörpert dieses Warten, dieses Vertrauen, diese Hoffnung. Wenn es uns so vorkommt, dass alles stillsteht, wenn uns das Leben wie eine Sackgasse erscheint, erinnern wir uns an den Karsamstag. Auch im Grab bereitet Gott die größte Überraschung. Und wenn wir das, was gewesen ist, mit Dankbarkeit annehmen können, werden wir entdecken, dass Gott gerade im Kleinen und in der Stille die Wirklichkeit zu verwandeln liebt und durch die Treue seiner Liebe alles neu macht. Wahre Freude entsteht aus einem Leben im Warten, aus geduldigem Glauben, aus der Hoffnung, dass das, was in Liebe gelebt wurde, ganz gewiss zum ewigen Leben auferstehen wird.
Deutsche Übersetzung von Vatican Media.
Nach der Katechese bei der Generalaudienz und den Grüßen in den einzelnen Landessprachen brachte Papst Leo in einem dringlichen Appell seine besondere Verbundenheit mit der Bevölkerung im Gaza-Streifen zum Ausdruck:
„Ich bekunde meine tiefe Verbundenheit mit dem palästinensischen Volk in Gaza, das weiterhin in Angst lebt und unter unzumutbaren Bedingungen überleben muss, nachdem es erneut gewaltsam aus seinem Land vertrieben wurde. Vor dem allmächtigen Herrn, der geboten hat: ,Du sollst nicht töten‘ (Ex 20,13), und angesichts der gesamten Menschheitsgeschichte hat jeder Mensch eine unantastbare Würde, die zu achten und zu schützen ist. Ich erneuere meinen Aufruf zu einem Waffenstillstand, zur Freilassung der Geiseln, zu einer diplomatischen Verhandlungslösung und zur uneingeschränkten Achtung des humanitären Völkerrechts. Ich lade alle ein, sich meinem inständigen Gebet anzuschließen, damit bald ein Morgen des Friedens und der Gerechtigkeit anbricht.“
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