Es war schon eine Herausforderung, sich in den ersten Tagen des noch jungen Jahres von Deutschland aus nach Rom zu wagen. Das Virus mit seiner hoch ansteckenden Variante Omikron lauert überall, Sicherheitsvorkehrungen machen die Reise – ob per Luft oder Bahn – zu einer Expedition, Wetter und Temperaturen waren auch nicht gerade einladend und die römische Offenheit für Pilger und Touristen ist pandemiebedingt derzeit ebenso sehr eingeschränkt. Dennoch war es am Ende eine Gruppe von über 40 Personen, die sich auf dem abendlichen Friedhof des Campo Santo Teutonico sammelte, um dann dort in der Kirche der Schmerzhaften Muttergottes direkt neben dem Petersdom den ersten gemeinsamen Gottesdienst zu feiern. Und so erfuhr man sehr bald, wer wegen Krankheit, Quarantäne oder eines positiven Tests am Ende doch zu Hause bleiben musste.
Reduzierte Gruppe
Die Gruppe wäre wohl viel größer gewesen, wenn es nicht all diese widrigen Umstände gegeben hätte. Auf Einladung der Initiative „Neuer Anfang“ war man nach Rom gekommen, um zu den Gräbern der Apostel und den Hauptkirchen der Ewigen Stadt zu pilgern. Es sollte eine durch und durch geistliche Wallfahrt sein, geboren aus der Not heraus – beziehungsweise einem großen Erschrecken: mitansehen zu müssen, „wie der Synodale Weg in Deutschland vollkommen aus dem Ruder läuft“. So jedenfalls steht es in einem Brief, den Papst Franziskus am nächsten Morgen bei der Generalaudienz in den Händen hielt. Überreicht von Bernhard Meuser von der Initiative „Neuer Anfang“. Und das von bisher 6 000 Unterzeichnern mitgetragene Manifest der Initiative über eine wahre Reform der Kirche erhielt der Papst gleich dazu.
Pilgerfahrt durch die Hauptkirchen
Es ging nicht nur nach Sankt Peter, wo man mit Papst Franziskus die Messe zum Fest der Erscheinung des Herrn feierte, nach Sankt Paul vor den Mauern, in die Lateranbasilika oder auch nach Santa Maria Maggiore und in die uralte Kirche Santa Prassede, sondern es waren auch Tage des intensiven Gesprächs. Wer sich ausgiebig Zeit für die Gruppe nahm, war Kurienkardinal Kurt Koch, der nicht nur einen der Gottesdienste während der Wallfahrt übernahm, sondern der der Gruppe auch auf viele Fragen hin Antwort stand. Es ist der Glaubenssinn, der sich in Deutschland unter vielen gläubigen Katholiken rührt: Eine Gruppe von Theologen und kirchlichen Funktionären zieht eine Agenda durch, die schon seit Jahren in den Schubladen liegt, und die Bischöfe sind gebeten, mit roten oder grünen Karten über die neue Kirche abzustimmen. Kardinal Koch verwies auf Papst Franziskus, für den Synodalität zunächst einmal darin bestünde, zu „hören, hören, hören“.
Auf wen hören die Protagonisten des synodalen Weges
Auf wen, so fragen sich normale Katholiken, hören denn die Protagonisten des Synodalen Wegs? Wie soll ein einfacher Gläubiger, der sich sein Katholisch-Sein bewahren möchte und aus irgendeinem Grund Delegierter bei den Synodalversammlungen geworden ist, in einer auf maximal eine Minute begrenzten Redezeit die Gründe dafür darlegen, dass die Antwort auf die Säkularisierung der Gesellschaft nicht in einer Selbstsäkularisierung der Kirche bestehen darf? Für Kardinal Koch, und für diesen Hinweis waren die Wallfahrer sehr dankbar, bestehe Synode darin, unter Anrufung des Heiligen Geistes so lange aufeinander, auf das Wort Gottes und den beständigen Glauben der Kirche zu hören und darum zu ringen, bis Einmütigkeit entstanden sei. Demokratie mit ihren Mehrheitsentscheidungen sei dagegen etwas ganz anderes. Doch der Glaubenssinn der Katholiken spürt, dass es bei den Foren des Synodalen Wegs in Deutschland nicht um Einmütigkeit im Glauben, sondern um ein Projekt der Relativierung geht.
Wer sich sehr viel Zeit gerade für die jungen Leute unter den Wallfahrern nahm, war Kardinal Walter Kasper – Urgestein, was die Kirche in Deutschland und die römische Kurie betrifft. Bereits beim dritten Online-Studientag der Initiative „Neuer Anfang“ im vergangenen November hatte der Kardinal auf Webfehler des Synodalen Wegs hingewiesen: „Es war die Ursünde des Synodalen Wegs“, sagte er damals mit Entschiedenheit zur „offiziellen“ Reaktion auf das Schreiben des Papstes vom Sommer 2019, „dass er die Einladung von Papst Franziskus, vom Grundauftrag der Evangelisierung auszugehen, beiseitegelegt und damit faktisch nachgeordnete Kriterien in den Vordergrund gerückt hat. Rein formal hat er das Bischofsamt nicht aufgegeben, er hat es aber in seinem Wesen entkernt.
Nur noch Aufsichtsrat
Aufs Ganze gesehen ist der Bischof nach dem synodalen Text nicht viel anderes als ein auf Zeit gewählter und jederzeit abwählbarer Vorsitzender eines Aufsichtsrats“. In Rom vor der Gruppe fügte Kasper noch etwas hinzu: Indirekt hielt er seinen Mitbrüdern im Bischofsamt vor, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das sicherlich viele historische Verdienste aufzuweisen habe, zu dem Repräsentanten des Volk Gottes gemacht zu haben, obwohl es das gar nicht sei. Aufmunternd lud der Kardinal die Wallfahrer ein, den Kontakt zu ihren Bischöfen zu suchen. Nur jetzt kann es noch gelingen, die Evangelisierung – wie vom Papst gewünscht – zum Kernanliegen des Synodalen Wegs zu machen.
Das Manifest, das auch Papst Franziskus erhalten hat, findet sich auf der Seite www.neueranfang.online.
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