Vatikan

„Propaganda Fide": Als Rom die Welt aufteilte

400 Jahre „Propaganda Fide". Am Dreikönigstag 1622 gründete Papst Gregor XV. die päpstliche Missionskongregation . Auch Norddeutschland war bis 1929 Missionsgebiet.
Weltkarte
Foto: Wikipedia gemeinfrei

Am sechsten Januar 1622, während des Dreißigjährigen Krieges, errichtete Papst Gregor XV. (1621–1623) die Missionskongregation „Sacra Congregatio de Propaganda Fide“, die „Heilige Kongregation zur Verbreitung des Glaubens“. Es war in mehrerlei Hinsicht ein Meilenstein in der Geschichte der katholischen Kirche und des Papsttums. Papst Gregor hatte diese Kongregation in der Überzeugung errichtet, „dass die vorzüglichste Aufgabe seines Hirtenamtes die Verbreitung des christlichen Glaubens sei, durch den die Menschen zur Erkenntnis und zur Verehrung des wahren Gottes geführt werden“. Schon am 14. Januar 1622 kam die Kongregation, der 13 Kardinäle angehörten, zu ihrer ersten Sitzung zusammen.

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Mission für alle 

Auch ein deutscher Kardinal, Eitel Friedrich von Hohenzollern (1582–1625), von 1623 bis 1625 Bischof von Osnabrück, gehörte der Kongregation an. In seiner Bulle zur Errichtung der Missionskongregation mit dem Titel „Romanum decet Pontificem“ vom 22. Juni 1622 verwies Papst Gregor ausdrücklich auf die „Missionspflicht“ für alle Christen und alle Bischöfe, insbesondere aber die des Bischofs von Rom im Petrusamt.

Das Gründungsdatum der Missionskongregation am sechsten Januar unterstreicht einmal mehr ihre Bedeutung und vor allem auch das pastorale Anliegen dieser Kongregation. Der sechste Januar ist der Tag des Hochfestes „Erscheinung des Herrn“ („Epiphanie“), an dem die Sterndeuter (Magier) an der Krippe standen und das neugeborene Kind in Bethlehem als Sohn Gottes erkannten und verehrten. Alle Welt sollte nun von der Existenz Gottes erfahren.

Pastorale Versorgung statt Machtanspruch

In der Kongregationssitzung am achten März 1622 wurde zum ersten Mal durch die Kurie die gesamte Welt territorial in verschiedene Missionsgebiete eingeteilt. Diese wiederum wurden den ausschließlich in Europa residierenden Nuntien unterstellt. Die Apostolischen Nuntien wurden schon am 15. Januar 1622 mit einem Zirkularschreiben über ihre neuen Aufgaben informiert. Zukünftig lief über die Nuntien die gesamte Kommunikation zwischen der päpstlichen Kurie auf der einen und den verantwortlichen Missionaren, sowie zuständigen Apostolischen Vikaren und Bischöfen auf der anderen Seite.

Bei der Aufteilung auf die Nuntiaturen wurden die Territorien in Übersee in Anlehnung an die jeweiligen politischen Verhältnisse vorgenommen, so wie schon auf Vermittlung des Borgia-Papstes Alexander VI. (1492–1503) im Vertrag von Tordesillas (1494) die Kolonialgebiete zwischen den beiden konkurrierenden Seemächten Portugal und Spanien aufgeteilt worden war. Beispielsweise wurde die amerikanische Westküste von Kalifornien über Mittelamerika bis hin nach Chile, die Philippinen und die Molukken (niederländische Kolonialgebiete) dem Nuntius in Madrid übertragen. Brasilien, Indien, die portugiesischen Inseln im Atlantik und im Indischen Ozean, darunter Madagaskar und die Ostafrikanische Küste, wurden dem Nuntius in Lissabon unterstellt.

Pastorale Versorgung

Die spanischen Niederlande, England, Irland, Wales, Schottland, Dänemark und Norwegen wurden dem Nuntius in Brüssel zugeteilt. Der römische Pragmatismus ging so weit, dass die unierten Patriarchate in Konstantinopel und Alexandrien eingebunden worden waren. Palästina, Syrien, Armenien, Antiochien, Arabien, Mesopotamien und Persien (bis zum Indus) wurden der Kustodie der Franziskaner mit Sitz in Jerusalem zugewiesen. Die päpstliche Missionskongregation „de Propaganda Fide“ war stets darauf bedacht, dass nicht päpstlicher Machtanspruch geltend gemacht wurde, sondern die pastorale und spirituelle Versorgung der Menschen in den Missions- und Kolonialländern im Vordergrund stand. Ohnehin hatten die Kolonialherren in der Regel die geistliche Aufsicht den Päpsten entzogen.

Als schließlich in den Kolonialgebieten die ersten Diözesen gegründet wurden, sicherten sich die Kolonialmächte durch das mehrfach auch in Europa praktizierte königliche Denominationsrecht ihre Einflussnahme auf die Auswahl der Kandidaten. Den Nuntien und auch der päpstlichen Kurie konnte wegen der immer wieder aufkommenden, bereits von Zeitgenossen angeprangerten Missstände im innerkirchlichen Bereich sowie wegen manchem Vorgehen gegen die Ureinwohner oder der Sklavenhaltung nicht der Vorwurf gemacht werden, sich an diesen menschenverachtenden Machenschaften beteiligt zu haben. Nur weil dort im Namen der Kirche Gewalt ausgeübt wurde, geschah dieses jedoch nicht mit Zustimmung des Heiligen Stuhls. Vielmehr hatten sich die Päpste von Beginn an gegen die Unterdrückung der Ureinwohner in Amerika eingesetzt und die Versklavung, die in Afrika meistens in muslimischer Hand war und organisiert wurde, stets verurteilt.

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Struktur der päpstlichen Diplomatie beständig

Lediglich das Engagement in Ländern wie China, Indonesien oder Teilen des Orients blieb Aufgabe päpstlicher Missionspolitik. Übrigens wurden weite Teile des protestantischen Norddeutschlands kirchlich von einem Apostolischen Vikar des Nordens im Rang eines Bischofs verwaltet, der seit 1667 von der „Propaganda Fide“ bestellt wurde. Der Selige Konvertit und Bischof Nils Stensen (Steno) (1638–1686) aus Dänemark und der italienische Komponist und Bischof Agostino Steffani (1654–1728) waren die bekanntesten von ihnen. Erst mit dem Preußenkonkordat von 1929 wurden die päpstlichen Missionsgebiete den verschiedenen norddeutschen Bistümern oder der Neugründung des Bistums Berlin zugeordnet.

Selbstverständlich war es für das demokratische Preußen der Weimarer Republik auch eine Prestigefrage, beim Papst nicht mehr als Missionsgebiet geführt zu werden.
Mit der Schaffung des päpstlichen Staatssekretariates sowie der Aufteilung der Welt durch die Missionskongregation „de Propaganda Fide“ war zu Anfang des 16. Jahrhunderts die Entwicklung der „ständigen päpstlichen Nuntiaturen“ im Wesentlichen abgeschlossen. Die päpstliche Diplomatie hatte ihre bis heute gültige Struktur erreicht und wies den Säkularisierungsprozess des seit dem 16. Jahrhundert aufkommenden europäischen Staatsdenkens in die Schranken.

Seit der Kurienreform unter Papst Paul VI. 1967 heißt die Missionskongregation „Kongregation für die Evangelisierung der Völker“. Mit ihrer Errichtung 1622 hatte die päpstliche Kurie – obwohl ihr Universalitätsanspruch entschieden unter Kaiser Karl V. (1530–1556) eingeschränkt worden war – zum ersten Mal seit der Entdeckung Amerikas (1492) und der Reformation in Deutschland (1517) eine Verwaltungsstruktur geschaffen: zur Umsetzung der hochmittelalterlichen Idee von der „ecclesia Romana“ als die „universalis ecclesia“.

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