Interview

Veronika Lohmer: „Die Musik soll Gott Raum geben“

Veronika Lohmer ist als Sängerin des Gebetshauses Augsburg mit christlicher Musik erfolgreich, ihre Lobpreis-Musikvideos werden auf Youtube hundertausendfach angeschaut. Ein Gespräch über neue und alte geistliche Musik, über Gottesbegegnung und Berufung.
Aufnahmen von der MEHR-Konferenz. Lobpreis kann helfen, das Herz für Gott zu öffnen.
Foto: KNA | Aufnahmen von der MEHR-Konferenz. Lobpreis kann helfen, das Herz für Gott zu öffnen.

Was passiert im Lobpreis mit uns? Warum ist diese Form geistlicher Musik so beliebt?

Wir haben einfach die Sehnsucht, Musik zu machen, in der sich Gott irgendwie ausbreiten kann. Lobpreis ist für mich wie ein Raum, in den man eintritt, in dem Menschen Gott begegnen können. Es gibt dazu auch eine Bibelstelle, im Psalm 22, wo steht, dass Gott im Lobpreis seines Volkes wohnt. Das ist die Verheißung: Wenn wir anfangen zu singen, wenn wir anfangen, in diesen musikalischen Raum zu gehen, dass er dann gegenwärtig ist.

Gott in der Musik zu begegnen, gibt es dafür so etwas wie ein Rezept? Funktioniert das immer?

Ich glaube, das kommt total darauf an, wie offen ein Herz ist, das so etwas hört. Wenn man irgendwie auf der Suche ist, wenn man eigentlich Gott begegnen möchte, dann kann Lobpreis definitiv etwas sein, was einen total trifft, sogar wenn man noch nicht gläubig ist. Dann kann die Musik gewissermaßen eine Abkürzung für den Glauben sein: nicht über den Kopf, sondern direkt ins Herz. Aber es kann eben auch emotional gar nichts auslösen, wenn man dicht macht.

Stichwort Emotionalität, wie ist das auf der Bühne? Wie sehr spüren Sie da Gottes Gegenwart?

Mega krass! Als wir uns danach hier getroffen haben war die erste Frage von einem meiner Sänger: „Vroni, was machst du nochmal, wenn du auf der Bühne bist und du merkst dich überrollen die Emotionen, wie gehst du damit um?“ Natürlich müssen wir uns auf eine gewisse Weise abgrenzen, sodass wir noch singen können. Aber es ist überhaupt keine „Dienstleistung“. Wir verstehen das eher so, dass wir vorangehen, wohin andere Leute uns leicht folgen können sollen. Dazu müssen wir uns aber komplett mit hineingeben.

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Auf der musikalischen Ebene, was unterscheidet Lobpreis von herkömmlicher Kirchenmusik?

Die aktuelle Lobpreis-Musik ist uns gewissermaßen kulturell nahe, moderner, näher an der säkularen Musik. Es gibt einfache Melodien und viele Wiederholungen. Es soll leicht sein, mitzusingen. Wenn der Fokus darauf liegt, einer Person begegnen zu wollen, dann ist das umso leichter, je einfacher die Musik ist. Es braucht gar keinen Schnickschnack, das stört oft nur. Die Musik soll nicht ablenken, sondern Gott Raum geben.

Und es geht auch darum, dem Ganzen Zeit zu geben und nicht von einem Lied zum nächsten zu eilen. Sonst ist es ein Monolog und keine Begegnung. Wenn ich ein „Set“ von Liedern zusammenstelle, muss ich auch darauf achten, Abzweigungsmöglichkeiten zu haben. Es ist zum Beispiel ganz wichtig, dass die Band nach bestimmten Liedern immer merkt, dass noch etwas kommen soll. Sie müssen dann musikalisch so flexibel sein, das Ganze so zu halten, in diesem Fluss zu bleiben, dass ich noch etwas aussingen kann oder ausbeten kann.

Freikirchliche Gottesdienste sind oft nicht so anders als beispielsweise eine weniger-Konferenz im Kleinformat, mit Lobpreis, Gebet und Predigt. Die Musik im durchschnittlichen katholischen Gottesdienst ist demgegenüber oft weniger mitreißend. Wo liegt das Problem?

Es ist vielleicht so, dass wir in der Zeit, in der wir leben, ein bisschen verlernt haben, die Schätze der „alten“ Musik zu erschließen. Wir tun uns mitunter schwer, daran anzuknüpfen. Aber ich würde das nicht werten wollen. Je mehr ich mich wirklich in der Tiefe damit beschäftige, was am Sonntag in der Messe passiert, auch in der Musik, umso mehr bin ich dabei, und umso mehr trifft es mich dann auch. Gerade in der alten Kirchenmusik steckt so ein Schatz, den müssen wir eigentlich noch mal ganz neu entdecken. Da steckt so etwas Würdiges und Heiliges drinnen. Manchmal belächeln wir das so, dagegen habe ich was.

Das Gebetshaus ist ein überkonfessionelles Projekt, das gilt auch für die Musik, die dort gemacht wird. Wie wichtig ist das?

Super wichtig. Unser Herz schlägt total für Ökumene. Wenn ich selber Lobpreis mache, dann stelle ich mir diese Szene in der Offenbarung vor, wo in der Mitte Gottes Thron ist und vor dem Thron ist das Lamm, und alle drumherum beten an. Dass alle beieinander sind und den einen anschauen und anbeten, das ist, glaube ich, das Zentrum, das ist unsere Zukunft. Da wird es keine Sitzordnung geben, nach dem Motto hier dürfen die, und da die, sondern alle singen gemeinsam mit einer Stimme. Das ist auch das Schöne an der Musik, dass es da nicht um sozialen Status geht, wie alt man ist, oder von welchem Background man kommt. Wir fokussieren uns auf eine Mitte. Und dann erheben sich die Stimmen und singen.

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Wie wird man eigentlich professionelle Lobpreis-Sängerin? Gibt es dahinter eine konkrete Berufungsgeschichte?

Ich tue mich mit dem Begriff ganz schwer, weil es den „professionellen“ Lobpreismusiker eigentlich gar nicht geben sollte. Ich bin einfach eine Musikerin von ganzem Herzen und die ganzen Leute, die bei mir in der Band sind, auch. Ich habe Jazzgesang studiert. Ich wusste schon in der Ausbildung, dass es mein größter Traum wäre, meine Musikalität einfach genau wieder so zurückschenken. Es ist ja ein totales, gottgeschenktes Privileg, musikalisch sein zu dürfen. Deswegen war für mich klar, dass ich nicht in die säkulare Szene will. Und dann war ich 2007 eine Zeitlang in einem Gebetshaus in Kansas City. Da wird gebetet, und immer in Form von Musik. Die nehmen das Wort Gottes, meditieren das, aber singen da die ganze Zeit drüber.

Das vereint einfach meine beiden Grundsehnsüchte, die über allem stehen – zu beten, mit Gott zu reden, und Musik zu machen. Ich wusste dann: Wenn es irgendwann in Deutschland sowas geben würde, dann möchte ich das machen. Also einfach an dem Ort sein, wo dieser Lobpreis nicht mehr aufhört, wo bei Tag und Nacht einfach gesungen und gebetet wird. Das war eigentlich lange, bevor es hier bei uns in Augsburg ein Gebetshaus gab.

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Jakob Ranke Geistliche Musik Ökumene

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