Wer bei Google den Suchbegriff „Marienthal“ eingibt, erhält unzählige Treffer: Marienthal im Rheingau, in Frankreich, im Ahrtal – der Ortsname erfreut sich großer Beliebtheit. Ein Jubiläum feiert in diesem Jahr der idyllisch inmitten der Westerwälder Höhenzüge eingebettete Ort Marienthal, dessen Tal von dem gleichnamigen Bach durchzogen wird. Das Dorf wird dominiert von seinem ehemaligen Kloster, der zugehörigen Wallfahrtskirche, ein paar schön erhaltenen Fachwerkhäusern und einem sehenswerten alten Friedhof. Marienthal – ein wunderschön gelegenes Ausflugsziel für Westerwald-Liebhaber? Nicht ganz, nicht nur! Die Marienthaler Wallfahrt zur „Schmerzhaften Mutter“ aus dem 15. Jahrhundert ist schon seit 600 Jahren Tradition.
Damit gehört Marienthal am östlichsten Zipfel des Erzbistums Köln zu den ältesten Pilgerzielen in Deutschland. Doch dies ist nicht die einzige Besonderheit dieses Gnadenortes im Wortsinne: In einer Zeit, in der sich nicht nur Laiengremien, sondern auch Bischöfe immer weiter von Rom entfernen, die Austrittszahlen in Deutschland neue Rekordhöhen erreichen – übrigens durchaus auch aus vorgenannten Gründen, ist dieser stille und vor den Augen der Welt gleichsam verborgene kleine Ort zu einem springlebendigen Quellborn katholischen Glaubens geworden: Hier findet seit 2020 immer von Freitag bis Montag eucharistische Anbetung statt. Insgesamt von 68 Stunden Dauer finden sich für jede einzelne Stunde je ein Beter oder eine Beterin. Geboren ist diese intensive eucharistische Anbetung sozusagen aus der Not, erklärt Pfarrer Frank Aumüller, der seit über vierzehn Jahren mit der Wallfahrtsseelsorge in Marienthal betraut ist. „Es war zur Zeit des ersten Lockdowns. Da habe ich mich gefragt: War es das jetzt? Die Bischöfe haben erst mal alles dichtgemacht. Aber, so dachten wir uns, einzelne Beter dürfen immer noch im Kirchengebäude sein. Und so haben wir einfach am Josefstag angefangen, Anbetung zu halten.“ Wo es eine derart beeindruckende Initiative gibt, da mehrt sich der Segen, der auf diesem Ort und seiner Gemeinde liegt, stetig weiter.
Unspektakuläre Anfänge
Dabei waren die Anfänge von Marienthal schlicht und unspektakulär. Es war wohl um das Jahr 1423, dass ein frommer Hirte aus dem nahe gelegenen Hamm seine Herde in das idyllische, von einem Bach durchflossene Tal zur Weide führte. Er schien ein wenig Muße zu haben, denn er schnitzte ein Bildnis der Muttergottes und befestigte es, wie es damals Brauch war, an einer mächtigen Eiche. Schon bald stellten sich gläubige Menschen aus der nächsten Umgebung ein, die davor ihre Andacht verrichten wollten, und ebenso schnell machten Nachrichten von wundersamen Gebetserhörungen die Runde. Dieses ursprüngliche Marienbildnis ging leider verloren, doch für den Bau einer ersten Kapelle fertigte ein Künstler aus der Kölner Schule um 1460 das bis heute verehrte Gnadenbild an. Die etwa ein Meter hohe Statue aus Holz trägt seitdem den Titel „Schmerzhafte Mutter“. 1489 wurde der neue Altar der Kapelle durch den Kölner Erzbischof Johannes Spender geweiht und der Örtlichkeit der neue Name „Marienthal“ verliehen. Doch die Kapelle bot bald nicht mehr ausreichend Platz für die Pilgerströme, sodass im Jahr 1503 bereits eine größere Kirche errichtet wurde.
Selbst die Zeit der Reformation konnte Marienthal gut überstehen: Obwohl von 1563 bis 1664 alle Übungen der katholischen Konfession zu unterbleiben hatten, nahm das Volk weiterhin seine Zuflucht zur Schmerzhaften Muttergottes von Marienthal. Danach hielten fast 300 Jahre lang die Franziskaner diese Gnadenstätte in ihrer Obhut, bis sie es im Jahre 1974 wegen Nachwuchsmangel aufgeben mussten. Es folgte ein polnischer Pater vom Orden des heiligen Michael bis in das Jahr 2007. Welchen herausragenden geistlichen Stellenwert die Marienthaler Gemeinde innehat, kann man daran erkennen, dass neben der Anbetungsgruppe auch eine Marienthaler Rosenkranzbruderschaft besteht, die gut sechzig Gläubige umfasst. Daneben ist es in den vergangenen fünfzehn Jahren zu einem der gefragtesten Beichtorte zwischen Bonn und Köln geworden, wobei die Pönitenten respektive Messteilnehmer zum Teil lange Anfahrten auf sich nehmen.
Beinah prophetische Eingebung
Jeden Donnerstagabend wird mit einigem Erfolg für Priesterberufungen gebetet. All diese guten Früchte verdanken sich dem Heiligen Geist, den vielen treuen Gläubigen, dem besonnenen Pfarrer Aumüller sowie einer fast schon prophetischen Eingebung des mittlerweile verstorbenen Kardinals Joachim Meisner, der zu Aumüller seinerzeit sagte: „Ich habe da in meinem Bistum einen wunderbaren Wallfahrtsort, der im Dornröschenschlaf liegt. Möchtest du den übernehmen?“ Im 600. Jubiläumsjahr hat sich die Gemeinde unter Pfarrer Frank Aumüller, der seit 2008 für die Wallfahrtsseelsorge zuständig ist, ein kleines, aber feines ganzjähriges Festprogramm ausgedacht, das mit dem Beginn des Jubeljahres am 1. Januar 2023 mit einem Hochamt zur heiligen Gottesmutter Maria feierlich eröffnet wurde: Es wird Filmvorführungen, Konzerte und Vorträge bekannter Autoren geben, Besuche von Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, dem Kölner Generalvikar Guido Assmann, zudem zahlreiche Angebote für Einkehrtage. Selbstverständlich wird der Marienmonat Mai mit Rosenkranzgebet und Andachten begangen. In der eigentlichen Festwoche vom 8. bis 15. September 2023 werden täglich heilige Messen, Hochämter oder Pontifikalämter zelebriert.
Und so gibt es in Marienthal wirklich hinreichend Grund, das Jubiläum festlich zu begehen. Nicht nur die Seele atmet in dieser geistlich geprägten, malerischen Umgebung auf – für das leibliche Wohl ist ebenfalls gesorgt: Verknüpfen lässt sich die Pilgerfahrt hervorragend mit einer Wanderung auf dem zertifizierten Naturwanderweg „Westerwaldsteig“. Beliebt und empfohlen sei Besuchern auch der Marienwanderweg, der Marienthal mit dem Zisterzienserkloster Marienstatt verbindet sowie der Marienthaler Kreuzweg oberhalb des Klosters, der mitten durch den Wald führt. Vom Kloster Marienstatt aus findet übrigens alljährlich zum Hochfest Christi Himmelfahrt eine Prozession nach Marienthal statt. In beiden Klöstern gibt es wunderbare Möglichkeiten zur geistlichen Besinnung wie auch zu einer zünftigen Einkehr nach einer schönen Wanderung.
Weitere Infos zum Jubiläumsjahr:
wallfahrtskirche-marienthal.de
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