Leben nach dem Tod

In Erwartung des himmlischen Jerusalems

Für den Christen erschließt sich der Sinn des Lebens aus dem, was danach kommt: Das himmlische Jerusalem. Aber wie beeinflusst das das Leben im Hier und Jetzt?
Das himmlische Jerusalem auf einem romanischen Fresko aus dem 12. Jahrhundert in der Abteikirche von Saint-Chef in Frankreich (Detail).
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Das himmlische Jerusalem auf einem romanischen Fresko aus dem 12. Jahrhundert in der Abteikirche von Saint-Chef in Frankreich (Detail).

 Die Rede von den letzten Dingen ist ernst. Es wird deutlich, worum es im Leben geht und wie wichtig die persönliche Entscheidung ist. Und doch verbindet sich damit eine hoffnungsvolle ja sogar frohe Botschaft für alle, die an Gott glauben. Denn so wie der Tod Jesu Christi am Kreuz nicht das Ende war, sondern der Anfang zum neuen, unvergänglichen und verklärten Leben, werden alle, die an Christus teilhaftig geworden sind, ähnliches erleben. Ein neuer Himmel und eine neue Erde (Offb 21,1) werden vorausgesagt, geschaffen in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Die Zuversicht, dem neuen Jerusalem entgegenzugehen, „das aus dem Himmel herabkommt“ (Offb 3,12), sollte jeden Christen mit Zuversicht erfüllen. Was aber ist damit gemeint, wie lässt sich dies verstehen?


Das himmlische Jerusalem, von dem das Buch der Offenbarung spricht, ist eine weit vollkommenere Wirklichkeit als das Paradies. Bereits der Prophet Jesaja hatte die Neuschöpfung des Himmels und der Erde (vgl. Jes 65,17) vorausgesagt, die erst nach dem Kommen des Messias und durch die Allmacht Gottes möglich wird. Jesus Christus, als der neue Adam, ist „lebendig machender Geist“ (1 Kor 15,45). Er macht alles neu (vgl. Offb 21,5), denn Gott – so betont der Apostel Paulus – will alles zu Christus führen (vgl. Kol 1,16). Der Herr hatte den Jüngern versprochen, für sie in der Himmlischen Stadt einen Platz zu bereiten (vgl. Joh 14,2). Was darunter vorzustellen ist, beschreibt der Apostel Johannes, dem dies in mystischer Schau gezeigt worden war.

Ort der Gegenwart Gottes


Im universalen Gericht, das an Dramatik nicht zu überbieten ist (vgl. Offb. 20,10), wird die Spreu vom Weizen getrennt. „Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuersee geworfen“ (Offb 20,15). Anders verhält es sich mit jenen, die dem Herrn in diesem Leben die Treue gehalten haben und die im Buch des Lebens verzeichnet sind. Für sie ist das himmlische Jerusalem als Ort der Gegenwart Gottes bestimmt.
Der Evangelist sagt, dass der erste Himmel und die erste Erde vergangen sein werden, während „die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel“ herabkommt (Offb 21,2). Es ist die „Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal“ (Offb 21,3-4).

Lesen Sie auch:


Das himmlische Jerusalem ist erfüllt von der Gegenwart Gottes, dort wird Gott alles in allem sein (vgl. 1 Kor 15,28). Der Apostel Johannes verwendet eine allegorische Sprache, um das zum Ausdruck zu bringen, was „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat […], was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Er beschreibt das himmlische Jerusalem als goldene Stadt (vgl. Offb 21,18). Gold wurde dem neugeborenen König von den Sterndeutern zur Huldigung bei seiner Geburt gebracht (vgl. Mt 2,11). Das Gold ist Symbol für die göttliche Weisheit und Reinheit (vgl. Weish 3,5-6), von der im himmlischen Jerusalem alles erfüllt sein wird. Die Herrlichkeit Gottes wird in dieser Stadt leuchten (vgl. Offb 21,23) und all jene erleuchten, die Gott lieben (vgl. Jak 1,12).


Der Herr ist Mensch geworden, um uns den Weg zu diesem ewigen Leben in der Herrlichkeit Gottes zu zeigen und es zu ermöglichen. Vor seinem Leiden, Tod und Auferstehung sagte er zu seinen Jüngern, er gehe, um einen Platz für sie vorzubereiten (vgl. Joh 14,2). Denn „er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Erkenntnis der göttlichen Wahrheit und Erlösung stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Die geoffenbarte Wahrheit ist das Licht, durch das der Weg des Christen erkennbar wird, andernfalls würde man Gefahr laufen, vom Weg abzukommen oder ihn gar nicht erst zu finden. Die Frage nach dem Weg, den der Christ zu gehen hat, ist die entscheidende Frage für die eigene Existenz. Sie wird noch einmal dringlicher im Hinblick auf das ewige Leben, auf das hin der Mensch erschaffen ist. Ohne eindeutige Wegweisungen zum ewigen Leben würde das Christentum zu einer nebulösen Theorie verkommen, die folglich nichts oder wenig mit der Wirklichkeit des Lebens zu tun hat.

Christ-Sein ist ein konkreter Weg


Leider ist in den letzten Jahrzehnten genau dieser Eindruck entstanden. Das Christentum wird vielerorts nicht mehr als konkreter Weg zum ewigen Leben wahrgenommen, sondern als eine Meinung oder als eine moralisch-politische Position. Daher erkennen selbst viele Christen nicht mehr, was ihnen zum Heil dient, und folglich können sie nur schwerlich auf diesem Weg gehen. Damit aber steht und fällt das Christentum, denn mit dem Glauben verbindet sich ein konkreter Weg. Wenn dieser Weg, den Christus uns durch seine Auferstehung eröffnet hat, aus dem Blick gerät und wenn gar der Glaube an die Auferstehung fehlt, dann ist alles leer und vergebens (vgl. 1 Kor 15,14).


2021 erschien – ebenfalls nach einer in der „Tagespost“ veröffentlichten Serie – das Buch „Wegweisung für verunsicherte Christen“, das nun bereits in dritter Auflage erschienen ist. Es wurde dankbar angenommen und von vielen Seiten kam die Rückmeldung, dass die Menschen gerade in unserer Zeit Orientierung für den Glauben brauchen. Hin und wieder wurde aber auch gefragt, ob das Wort „Wegweisung“ nicht einen zu großen Anspruch erhebe. Doch es gehört zum Wesen des Christentums, jenen Weg zu kennen, anderen mitzuteilen und auf ihm zu gehen, der Jesus Christus ist.
Die Schwierigkeit unserer Zeit besteht darin, dass manchmal selbst Bischöfe, Priester, Ordensleute, Synodale und Professoren nicht mehr wissen, was den Menschen zum Heil dient. Wenn jedoch die zentrale Botschaft christlicher Verkündigung verdunkelt oder durch nebulöse und nichtssagende Floskeln überlagert wird, dann bewahrheitet sich, wovon das Evangelium spricht: „Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen?“ (Lk 6,39) So wird inzwischen in der Kirche über fast alles gesprochen und debattiert, aber nicht über das Eigentliche: den Weg zum Heil. Oft werden den Menschen gar falsche Wege empfohlen, die der geoffenbarten Botschaft widersprechen und dadurch die Menschen in die Irre führen.


Die Lehre der Kirche ist von so grundlegender Bedeutung, weil sie nichts anderes ist als Wegweisung; ohne sie geht die Orientierung verloren und alles wird gleich gültig. Der Apostel Paulus mahnte daher: „Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen“ (2 Tim 4,2). Deswegen konnte der heilige Paulus an die Galater schreiben: „Es gibt kein anderes Evangelium, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und die das Evangelium Christi verfälschen wollen. Jedoch, auch wenn wir selbst oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten als das, das wir verkündet haben – er sei verflucht“ (Gal 1,8). Die Worte des Apostels, die auf den ersten Blick hart und unbarmherzig klingen, werden erst vor dem Hintergrund des ewigen Lebens verständlich. Denn es gibt keine größere Unbarmherzigkeit, als Menschen den Weg vorzuenthalten, der zum ewigen Leben führt, oder sogar einen falschen Weg zu zeigen.

Die Annahme Christi macht den Christen


Der Christ wird dadurch zum Christen, dass er Christus annimmt (vgl. Kol 2,6). Dies bedeutet zweierlei: Zum einen nimmt der Christ die Wahrheit an, die Gott in Jesus Christus geoffenbart hat, zum anderen folgt er dieser Wahrheit, die Jesus Christus ist. Mit Recht wurde das Christentum in seinen Anfängen als „Weg“ bezeichnet, denn es ist der Weg zum ewigen Leben. Dabei geht es nicht um menschliche Weisheit, sondern um die Erkenntnis durch den Glauben, der das Denken und die Vernunft übersteigt. Was dem Auge verborgen bleibt, wird auf diese Weise sichtbar. Dazu gehört wesentlich die Lehre von den letzten Dingen, jenen Wirklichkeiten also, die einen jeden Menschen nach dem Tod erwarten.
Was dies konkret bedeutet, wurde auf dieser Seite in 18 Beiträgen dargelegt. Die Beiträge wurden überarbeitet und unter dem Titel „Wegweisung für das Ewige Leben“ als Buch publiziert. Es führt vor Augen, dass der Sinn des Lebens sich von seinem Ende her erschließt. Wer nicht weiß, wohin er geht, wird sich bestenfalls im Kreis drehen, aber er wird kaum an das Ziel gelangen. Ein Christ sollte diesen Weg kennen. Mehr noch, er sollte bereit sein für diesen Schatz alles zu verkaufen, um ihn zu besitzen (vgl. Mt 13,44).


Der Apostel Paulus schrieb im ersten Brief an die Korinther: „Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet werden, wenn ihr festhaltet an dem Wort, das ich euch verkündet habe, es sei denn, ihr hättet den Glauben unüberlegt angenommen. Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe“ (1 Kor 15,3). An dieser Vorgabe orientieren sich die Ausführungen in diesem Buch, um nüchtern und klar jene Wahrheit aufzuzeigen, durch die der Weg zum ewigen Leben erkennbar wird, um ihn dann gehen zu können. Es ist erstaunlich, dass es in vielen Pfarreien und kirchlichen Bildungshäusern keine Schwierigkeit ist, wenn esoterische Praktiken wie Yoga, Reiki, Horoskope und andere Dinge angeboten, durchgeführt und sogar gefördert werden. Gegenüber fernöstlichen Religionen und anderen Glaubensrichtungen gibt man sich tolerant und weltoffen. Doch wenn in denselben Pfarreien die geoffenbarte Wahrheit im Hinblick auf die letzten Dinge ohne Abstriche verkündet wird, wenn über das persönliche und universale Gericht, das Fegefeuer und die Hölle gesprochen wird, dann schlägt diese vermeintliche Weltoffenheit oft in radikale Ablehnung um.

Jesus Christus ist Ziel und Maßstab des Lebens


Und dennoch muss diese Botschaft, „ob gelegen oder ungelegen“, verkündet werden, denn die Wahrheit befreit (vgl. Joh 8,32), ihre Erkenntnis lässt den Weg sichtbar werden, der zum Heil führt. Denn was nützt es, wenn man in diesem Leben alle Freuden genießt, aber am Wesentlichen vorbeiläuft? Was nützt es, wenn man alles „toleriert“ und respektiert, aber nicht jene Wahrheit, die allein zum Leben führt? Die Heilige Schrift bringt dies auf den Punkt: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen und dann wird er jedem nach seinen Taten vergelten“ (Mt 16,26). Das Ziel und der Maßstab des Lebens sind uns in Jesus Christus gegeben. Diese Botschaft ist keine Last, sondern der Grund unserer Hoffnung (vgl. Hebr 10,23), denn sie zeigt den Weg des Lebens. Wer diesen Weg – der Jesus Christus ist – erkennt und auf ihm geht, wird zum ewigen Leben gelangen. Diese hoffnungsvolle und erfüllende Botschaft auf neue Weise zugänglich zu machen, ist Anliegen des nunmehr vorliegenden Buches.


Ralph Weimann: Wegweisung für das Ewige Leben. Paperback, 96 Seiten, Fe-Medien, Kisslegg 2023, EUR 6,95.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Ralph Weimann Bischof Christen Ewiges Leben Jesus Christus Johannes der Täufer Paulus von Tarsus Prophet Jesaja

Weitere Artikel

Der Glaube gibt Antwort auf die großen Fragen des Lebens. Er ist kein Gefühl und auch nicht irrational, sondern gründet in der Offenbarung, die die „letzten Dinge“ zu erklären vermag.
13.12.2022, 07 Uhr
Ralph Weimann
Jede Zeit hat ihr ganz eigenes Bild von Josef, Maria und anderen Familienmitgliedern Jesu – was lehrt uns das?
27.12.2022, 11 Uhr
Uwe Wolff
Die christliche US-Erfolgsserie „The Chosen“ zeigte im Berliner „Babylon“-Kino zum Start der dritten Staffel einen brandneuen Kurzfilm.
20.12.2022, 15 Uhr
Sally-Jo Durney

Kirche

Wegen Überfüllung geschlossen: 16000 Pilger aus 28 Ländern wandern am kommenden Wochenende zu Fuß von Paris nach Chartres.
28.05.2023, 13 Uhr
Franziska Harter
In der 56. Folge des Katechismuspodcasts mit der Theologin Margarete Strauss geht es um die Frage, wie der Mensch mit der Vorsehung zusammenarbeitet.
27.05.2023, 14 Uhr
Meldung
„Das war die Vorsehung!“ Aber was genau ist das eigentlich? Dieser Frage widmet sich Theologin Margarete Strauss in der 55. Folge des Katechismuspodcasts.
26.05.2023, 14 Uhr
Meldung
In der 54. Folge des Katechismuspodcasts geht es mit Theologin Margarete Strauss um die Schöpfungstätigkeit Gottes.
25.05.2023, 18 Uhr
Meldung
Historisch, theologisch, spirituell: Welche Aspekte laut "Premio Ratzinger"-Preisträger Ludger Schwienhorst-Schönberger eine zeitgemäße Bibelwissenschaft auszeichnen. 
27.05.2023, 17 Uhr
Ludger Schwienhorst-Schönberger