Madrid

Das Wunder von Gorkum

Eine im Sommer 1572 profanierte, heute noch unversehrte Hostie wird in El Escorial nahe Madrid jedes Jahr öffentlich verehrt.
Eucharistisches Wunder El Escorial
Foto: IN/Museo Nacional del Prado, Madrid | Die Anbetung der „Heiligen Hostie“ durch König Karl II. von Spanien. Claudio Coello (1685-1690). Öl auf Leinwand, 70,5 x 38 Zentimeter. Eine Kopie von dem Gemälde befindet sich im Prado-Museum.

Am letzten Sonntag im September wird wieder einmal die „Heilige Hostie“ von El Escorial nahe Madrid zur Verehrung ausgestellt. Die besondere Reliquie ist als „eucharistisches Wunder von Gorkum“ bekannt und gehört beispielsweise auch zu der Internet-Ausstellung, die der 2020 seliggesprochene Carlo Acutis über Eucharistische Wunder in der ganzen Welt zusammenstellte (www.miracolieucaristici.org).

Der Doppelname Gorkum-El Escorial bezieht sich darauf, dass sich das eucharistische Wunder in der niederländischen Stadt Gorkum (niederländisch Gorinchem) ereignete: Im Rahmen des sogenannten Spanisch-Niederländischen oder auch Achtzigjährigen Kriegs (1568-1648), der zur Unabhängigkeit der nördlichen Niederlande von der spanischen Krone beziehungsweise vom Haus Habsburg führte, fiel die 1566 protestantisch gewordene Stadt an die Aufständischen unter der Führung Wilhelms von Oranien im Sommer 1572. Sie folterten und töteten 19 Geistliche, die sich nicht der „neuen Lehre“ anschließen wollten – sie sollten den Glauben an die Realpräsenz Jesu Christi in der Eucharistie abschwören sowie den Primat des Papstes leugnen. Die „Märtyrer von Gorkum“ wurden am 9. Juli 1572 gehängt; nach deren Seligsprechung durch Clemens X. 1675 sprach sie Pius IX. am 29. Juni 1867 heilig.

Als „Geusen“ – so nannten sich die Aufständischen selbst – die Kathedrale betraten, zerschlugen sie außerdem den Tabernakel, entfernten die Monstranz mit dem Allerheiligsten und warfen die Hostie zu Boden. Einer der Soldaten trat sogar auf die Hostie; die mit Nägeln beschlagene Stiefelsohle hinterließ drei Löcher, die heute noch zu sehen sind. Laut der Überlieferung trat in dem Augenblick Blut aus den drei Löchern aus, die dann zu drei kleinen kreisförmigen Wunden wurden. Einer der Soldaten bereute allerdings die Freveltat und barg die profanierte Hostie, die er dem Kanoniker Jean van der Delft aushändigte.

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Auf Umwegen nach Madrid

Nach einigen Umwegen erhielt König Philipp II. (1527-1598) von Spanien die Reliquie im Jahre 1594 als Geschenk. Der Monarch bestimmte als Aufbewahrungs- und Verehrungsort die etwa 45 Kilometer nördlich von Madrid gelegene Palast- und Klosteranlage „El Escorial“, die er selbst hatte bauen lassen, und die am Ende seines Lebens zu seiner Residenz wurde. Im „Pantheon der Könige“ sind die spanischen Könige seit Philipps Vater Karl V. (1500-1558) bis zum letzten verstorbenen König Alfons XIII. (1886-1941) – dem Urgroßvater des jetzigen Königs Philipp VI. – sowie etliche Familienangehörige beigesetzt.

Die „Heilige Hostie“ wird bis heute in der Sakristei der Klosterkirche aufbewahrt. Über dem Altar befinden sich vier Flachreliefs aus Bronze und Marmor von Filippo Filippini. Die Monstranz mit der unverwesten Hostie wird von einem Ölbild von Claudio Coello verborgen, das zwischen 1685 und 1690 im Auftrag von Karl II. (1661-1700) entstand. Das Bild zeigt die Anbetung der „Heiligen Hostie“ durch König Karl II. und weitere Persönlichkeiten des spanischen Hofs. Um die Monstranz mit der Reliquie sichtbar werden zu lassen, wird das Gemälde an Schienen heruntergefahren. Dies geschieht an zwei Tagen im Jahr, am letzten Sonntag im September sowie am 28. Oktober. An beiden Tagen wird die „Heilige Hostie“ in El Escorial in Prozession getragen.

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