Im März 1948 zog zwei Wochen lang ein großer Pilgerstrom zum Karmel „Ponti Rossi“ in Neapel, wo die verstorbene Karmelitin Maria Giuseppina di Gesù Crocifisso aufgebahrt lag, die in der Stadt und der Umgebung als „monaca santa“, heilige Nonne, bekannt war. Besonders in den schweren Jahren des Krieges und der Nachkriegszeit hatten unzählige Menschen bei Pinella, wie sie liebevoll genannt wurde, geistlichen Rat gesucht: einfache Gläubige ebenso wie Bischöfe, Kardinäle und Angehörige des Adels. Ihr Grab befindet sich in der Klosterkirche, wo die Karmelitinnen sich bis heute zum Chorgebet versammeln, unter einer Inschrift mit den Worten der heiligen Theresia von Avila: „Aut pati aut mori“ – entweder leiden oder sterben –, was bedeuten soll: sich weiterentwickeln, was immer auch Schmerzen mit sich bringt, oder stillstehen und damit innerlich tot sein. Das Leiden wurde im Leben von Maria Giuseppina di Gesù Crocifisso zur großen geistlichen Kraft und zum Mittelpunkt ihrer Christusnachfolge. Papst Benedikt XVI. ließ sie im Jahr 2008 seligsprechen.
Früher Wunsch auf Eintritt in den Karmel
Giuseppina Catanea, so ihr bürgerlicher Name, wurde am 18. Februar 1896 in Neapel geboren. Ihr Vater war Eisenbahner, ihre Mutter entstammte dem niederen Adel. Als junges Mädchen besuchte Giuseppina die Handelsschule, während sie innerlich den Wunsch verspürte, es ihrer Schwester Antonietta gleichzutun, die in den Karmel eingetreten war. Zunächst verzichtete sie jedoch auf diesen Schritt aus Rücksicht auf ihre Mutter und aufgrund gesundheitlicher Probleme.
Als Neapel im März 1918 unter den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs litt und gleichzeitig die Spanische Grippe umging, gewährte Antonietta ihrer Schwester Zuflucht in der neuen Karmelgemeinschaft „Ponti Rossi“, die sie selbst mitgegründet hatte, die aber noch nicht offiziell anerkannt war. Im Kloster zog Giuseppina sich eine so schwere Lungenentzündung zu, dass sie in der Weihnachtszeit 1918 die Sterbesakramente empfing. Es folgte eine Knochentuberkulose. Die folgenden fünf Jahre wurde sie, gelähmt und bettlägerig, weiter im Karmel gepflegt.
Wendepunkt im Leben
Am 26. Juni 1923 geschah ein Wunder, das den Wendepunkt in Giuseppinas Leben darstellt: Als die Armreliquie des heiligen Franz Xaver, die damals vorübergehend in Neapel war, auf ihr Bett gestellt wurde, ging eine Bewegung durch ihren Körper, sie setzte sich auf, verließ das Bett und ging umher – die Lähmung war vollständig verschwunden, ohne dass die Ärzte eine Erklärung dafür fanden.
Nach der Wunderheilung blieb Giuseppina weiter im Karmel und wurde im Januar 1933, als die Gemeinschaft kanonisch zugelassen worden war, offiziell in den Orden aufgenommen. Zusammen mit dem Ordenskleid erhielt sie den Beinamen „di Gesù Crocifisso“: vom gekreuzigten Jesus. Sie schrieb: „Das Leiden ist ein lieber, süßer Kuss des Gekreuzigten. Ich wünsche nichts außer dem Kreuz, das Licht und Liebe ist.“
Wertvolle Ratgeberin
Da der Bericht über die Wunderheilung sich in Neapel wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, kamen zahlreiche Menschen zum Karmel, um Giuseppina zu sehen und mit ihr zu sprechen. Bereitwillig verbrachte sie viele Stunden hinter dem Gitter im Sprechzimmer, wo sie zur wertvollen Ratgeberin wurde, die von immer mehr Menschen aufgesucht wurde, verstärkt im Zweiten Weltkrieg mit seinen großen Leiden für die Bevölkerung. Sie hatte für alle ein offenes Ohr, obwohl sie selbst immer wieder von Schmerzen heimgesucht wurde, die besonders seit 1943 zunahmen, als sie an einer Innenohrentzündung erkrankte, Verkalkungen ihr Nervensystem angriffen und sie nach und nach das Augenlicht verlor. Ab 1944 konnte sie sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Im Jahr darauf wurde sie zur Oberin der Gemeinschaft gewählt. Trotz der anhaltenden Schmerzen und Leiden, die sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, begegnete sie ihren Mitschwestern ebenso weise und einfühlsam wie den Ratsuchenden im Sprechzimmer.
Im Februar 1948 brach Mutter Giuseppina zusammen, als ein großer Abszess zu einer offenen Wunde wurde und noch eine Lungenembolie hinzukam. Sie starb am 14. März 1948 im Alter von 52 Jahren.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.