Das Pantheon in Rom gehört zu den beeindruckendsten Bauwerken, die aus der Antike erhalten sind. Seine zum Himmel hin offene Kuppel diente Michelangelo als Vorbild für die Kuppel des Petersdoms. Unter dem Petersdom, in den Vatikanischen Grotten, befindet sich auch das Grab des Papstes, dem die Umwandlung des Pantheons in eine Kirche und somit sein Erhalt zu verdanken ist: Bonifatius IV. Er saß von 608 bis 615 auf dem Stuhl Petri und wurde von seinem berühmten Namensvetter Bonifatius VIII. (1294–1303) – dem Autor der Bulle „Unam Sanctam“ über die geistliche Vollmacht der Kirche, die sich keiner weltlichen Herrschaft unterwerfen darf – heiliggesprochen.
Bonifatius IV., dessen Gedenktag die Kirche am 8. Mai. feiert, wurde im späten sechsten Jahrhundert als Sohn eines Arztes in den Abruzzen geboren und war Benediktiner. Als sein Mitbruder Gregor der Große 590 zum Papst gewählt wurde, machte dieser Bonifatius zu seinem Schatzmeister. Gegen Ende August 608 bestieg Bonifatius selbst den Stuhl Petri. Kurz zuvor hatte der oströmische Kaiser Phokas, zu dessen Herrschaftsgebiet offiziell auch die Stadt Rom gehörte, den Papst durch ein Dekret als einzigen Universalhirten der Kirche anerkannt – gegen den Bischof von Konstantinopel, der ebenfalls diesen Anspruch erhob.
Phokas machte Bonifatius IV. ein großes Geschenk: das Pantheon auf dem Marsfeld, den im zweiten Jahrhundert unter Kaiser Hadrian eingeweihten Tempel aller Götter, dessen Vorgängerbau auf Kaiser Augustus zurückging. Bonifatius ließ den antiken Tempel in eine Kirche umwandeln und die Gebeine der frühen Christen Roms aus den Katakomben hierher umbetten. Ein Grund dafür war auch sein Wunsch, den florierenden Reliquienhandel zu unterbinden, der dazu geführt hatte, dass in den frühchristlichen Friedhöfen immer mehr Gräber aufgebrochen worden und die sterblichen Überreste der frühen Christen verschwunden waren. „18 Karren mit Märtyrergebeinen“, wie es in einer alten Quelle heißt, wurden von Bonifatius IV. ins Pantheon überführt, das seitdem den offiziellen Namen „St. Maria ad Martyres“ trägt. Die Kirchweihe des Pantheons am 13. Mai 609 oder 610 ist der Ursprung des Hochfestes Allerheiligen. An einigen Orten im Osten des Reiches ist ein Gedenktag aller Heiligen am 13. Mai bereits seit dem 4. Jahrhundert belegt, aber erst unter Bonifatius IV. wurde es zum Fest für die Universalkirche. Hundert Jahre später verlegte Papst Gregor III. es auf den 1. November, an dem es bis heute gefeiert wird.
Als Benediktiner förderte Bonifatius die Mission in England, wohin Gregor Mönche entsandt hatte. Als es zwischen diesen und den ersten Bischöfen des Landes zum Streit über liturgische und theologische Fragen kam, griff Bonifatius schlichtend ein, indem er eine Synode in Italien einberief, zu der er auch Bischof Mellitus von London einlud. Er gab diesem außerdem Schreiben mit, die an die Mönche in England gerichtet waren.
Im Westen des Reiches herrschte zu dieser Zeit ein Machtvakuum, da der byzantinische Kaiser ihn mehr oder weniger sich selbst überließ, so dass die Langobarden große Teile erobern konnten. Aufgrund von Dürreperioden, Missernten und dem Zusammenbruch des Transportwesens war die Versorgung der Stadt Rom nicht mehr gewährleistet; Hunger und Epidemien breiteten sich aus. Ein Jahr vor seinem Tod erhielt Bonifatius IV. die größte Hiobsbotschaft: Am 22. Mai 614 hatten die persischen Sassaniden Jerusalem erobert. Es war zu einem Massaker gekommen, bei dem schätzungsweise 90 000 Christen in der Heiligen Stadt ermordet worden waren. Die wichtigste Reliquie der Christenheit, das Heilige Kreuz, war gestohlen und nach Ktesiphon, in die am Tigris gelegene Hauptstadt der Sassaniden gebracht worden.
Der am 8. Mai 615 verstorbene Bonifatius IV. leitete die Kirche in einer schweren Zeit und musste sich schwierigen Aufgaben stellen. Er stellte sich ihnen als Mönch, der er auch als Papst immer geblieben ist: durch kluges Handeln, Gebet und Buße.
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