„Die päpstliche Aufhebung des Jesuitenordens 1773 bleibt eine der merkwürdigsten Tatsachen der Kirchengeschichte. Merkwürdig, dass ein religiöser Orden vom Papst aufgehoben wird, der über die ganze Welt verbreitet ist. Merkwürdig, dass die Beseitigung des Ordens gefordert wird von Herrschern, die bis in die letzten Jahre hinein Jesuiten zu ihren Vertrauten und Beratern zählten. Merkwürdig, dass die Gegner des Ordens dessen Aufhebung durchsetzen konnten, obwohl die Jesuiten in ihren Schulen gerade die Jugend aus höheren gesellschaftlichen Schichten unterrichteten. Merkwürdig, dass der Orden nach seiner Aufhebung von nichtkatholischen Fürsten beschützt und bereits nach einer Generation für die ganze Welt wiederhergestellt wird.“ Mit diesen Worten kommentiert die deutsche Provinz der Gesellschaft Jesu in ihrem Internetauftritt die zwei Jahrzehnte von 1773 und 1814, in denen die vom heiligen Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert gegründete Ordensgemeinschaft durch päpstliche Verfügung aufgehoben war. In diesen Jahren spielte der heilige Giuseppe Pignatelli eine zentrale Rolle: Er gilt als der „Wiederhersteller“ der Gesellschaft Jesu. Sein Gedenktag ist der 15. November.
Bereits mit 15 Jahren trat er in das Noviziat der Gesellschaft Jesu ein
Giuseppe Pignatelli wurde am 27. Dezember 1737 im nordspanischen Saragossa geboren, als Sohn einer neapolitanischen Adelsfamilie, der mehrere Kardinäle sowie ein Papst entstammten. Bereits mit 15 Jahren trat er in das Noviziat der Gesellschaft Jesu ein. Seinen jugendlichen Wunsch, als Missionar zu den nordamerikanischen Indianern zu gehen, konnte er aufgrund seiner labilen Gesundheit nicht verwirklichen. Stattdessen wurde er nach der Priesterweihe im Jahr 1762 als Lehrer in Saragossa eingesetzt und war gleichzeitig als Gefängnisseelsorger tätig. Aufgrund seiner Einfühlsamkeit nannte man den jungen Ordensmann „Vater der zum Tod am Galgen Verurteilten“.
In diesen Jahren brodelte es an den europäischen Fürstenhöfen, wo sich, geschürt durch politische und religiöse Gegner, Unmut gegen die Jesuiten verbreitete. 1759 wurden diese aus Portugal ausgewiesen, wenig später aus Frankreich. Im April 1767 traf es auch die spanischen Jesuiten, als Karl III. sie des Landes verwies. Die etwa 600 Ordensmänner schifften sich ein, um über das Mittelmeer den Kirchenstaat zu erreichen. Die Verantwortung für die lange Seereise wurde dem erst 29-jährigen Giuseppe Pignatelli übertragen, unter dessen sicherer Führung und ständiger Ermutigung die Flotte im Jahr 1678 Ferrara und damit den Kirchenstaat erreichte.
In Bologna wirkte er als Weltpriester
Aber auch hier währte die Sicherheit nicht lange: Am 21. Juli 1773 verfügte Papst Clemens XIV. unter dem Druck der europäischen Fürsten die Aufhebung der Gesellschaft Jesu. Der Ordensgeneral Lorenzo Ricci wurde in ein Verlies der Engelsburg eingekerkert, wo er zwei Jahre später starb. Giuseppe Pignatelli hielt sich von 1773 bis 1779 in Bologna auf. Er wirkte hier als Weltpriester und bemühte sich gleichzeitig, bei Pius VI. und dessen Nachfolger Pius VII. die Wiederzulassung des Jesuitenordens zu erwirken. 1798 suchte er Pius VI. in Florenz auf, wo dieser nach seiner Absetzung durch Napoleon gefangen gehalten wurde. Der Papst gestattete Pignatelli die Errichtung eines Jesuitennoviziats in Colorno bei Parma. Im November 1799 trafen die ersten sechs Novizen ein – die einzigen in ganz Westeuropa. Als Novizenmeister war Pignatelli ein Vorbild der Einfachheit und Demut. Er machte Bettelgänge in der Stadt, besuchte Kranke und Gefangene und packte im Haushalt mit an, übernahm Küchen- und Putzdienste.
Seine letzten Lebensjahr verbrachte er in Rom
1804 erlangte Pignatelli von Pius VII. die Wiederzulassung des Ordens in Neapel und schließlich – als Napoleon Neapel besetzte – auch in Rom. Hier verbrachte Pignatelli seine letzten Lebensjahre im Dienst des Wiederaufbaus der Gesellschaft Jesu sowie der Armen und Gefangenen. Er starb am 15. November 1811 im Spital Sankt Pantaleo beim Kolosseum. Drei Jahre nach seinem Tod stellte Pius VII. den Jesuitenorden auf der ganzen Welt wieder her. Giuseppe Pignatelli, der 1933 selig- und 1954 heiliggesprochen wurde, ist im Hochchor von „Il Gesu“, der Mutterkirche des Jesuitenordens in Rom, bestattet.
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