In der katholischen Liturgie wird der Akt des Brotbrechens von der Akklamation oder dem Gesang des „Agnus Dei“ begleitet: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser / gib uns deinen Frieden.“ Dieser liturgische Teil wurde im siebten Jahrhundert von Papst Sergius I. in den Messkanon eingeführt.
Sergius wuchs in der zweiten Hälfte des siebten Jahrhunderts in Palermo auf; seine Eltern waren Syrer aus Antiochien. Er schlug früh die kirchliche Laufbahn ein und war nach seiner Übersiedlung von Sizilien nach Rom Mitglied der „Schola cantorum“ am Lateran, die für die liturgische Ausgestaltung der päpstlichen Gottesdienste zuständig war. Papst Leo II. (682-683) weihte ihn zum Diakon. Auf Leo folgten Benedikt II., Johannes V. und Konon, die jeweils nur etwa ein Jahr im Amt waren. Als Konon am 21. September 687 starb, stritten zwei Kandidaten um seine Nachfolge. Als keine Einigung erzielt werden konnte, wurde Sergius von Vertretern des Klerus und der zivilen Autoritäten als Kompromisskandidat auf den Stuhl Petri gewählt. Er trat am 15. Dezember 687 sein Amt an.
Interesse an Missionsarbeit
Papst Sergius hatte großes Interesse an der Missionsarbeit im Norden Europas. Er empfing im Jahr 689 den angelsächsischen Fürsten Caedwalla, der ein Jahr zuvor die Herrschaft über Wessex niedergelegt hatte, um sich auf eine Pilgerreise nach Rom zu begeben und sich vom Papst taufen zu lassen, nachdem er bereits zuvor den christlichen Glauben angenommen hatte. Kurz darauf verstarb er. Sergius ließ Caedwalla in der Petersbasilika beisetzen und einen – heute verschollenen – Epitaph an seinem Grab anbringen. Zweimal, 692 und 695, empfing Sergius den angelsächsischen Missionar Willibrord und überreichte ihm bei seinem zweiten Aufenthalt als Zeichen seiner Entsendung als Erzbischof bei den Friesen das Pallium. Es war die wohl erste Palliums-Verleihung auf dem europäischen Kontinent als symbolischer Hinweis auf die Teilhabe des Erzbischofs an der Machtfülle des Bischofs von Rom, insbesondere bei der Gründung neuer Diözesen in Missionsgebieten.
Sergius trat als Papst sehr selbstbewusst auf, vor allem gegenüber dem byzantinischen Kaiser Justinian II., der das Recht beanspruchte, kirchliche Belange zu beeinflussen und theologische Entscheidungen zu treffen. 691 oder 692 berief Justinian im Kaiserpalast eine Synode ein, die als „Trullanische Synode“ in die Geschichte eingegangen ist und an der fast ausschließlich oströmische Bischöfe teilnahmen. Sergius schickte einige Vertreter, reiste aber nicht selbst zur Synode an. Diese Synode traf einige grundlegende Entscheidungen, die vor allem die Kirchendisziplin betrafen. So wurde das Zölibatsgebot für Priester und Diakone aufgehoben, sofern diese vor der Weihe heirateten. Außerdem wurde den Laien die Wiederverheiratung nach einer Ehescheidung gestattet. In der Orthodoxie sind die Entscheidungen dieser Synode bis heute grundlegend für die kirchliche Praxis, während sie im Westen negativ rezipiert wurden.
Lamm Gottes
Papst Sergius akzeptierte die Beschlüsse nicht und weigerte sich, das Synodendokument für die westliche Kirche zu ratifizieren. Sehr energisch wies er unter anderem den Canon 82 der Synode zurück, der bestimmte, dass Christus fortan nicht mehr als Lamm dargestellt werden dürfe, da dieses Bild seit der Menschwerdung Christi überholt sei und „von nun an Christus, unser Gott, in seiner menschlichen Gestalt dargestellt werde und nicht mehr in der des Lammes“. Um hervorzuheben, dass das uralte Bild von Christus als „Lamm Gottes“ auch weiterhin seine Gültigkeit bewahre, führte Papst Sergius – der als ehemaliges Mitglied der „Schola cantorum“ ein besonderes Gespür für die Liturgie hatte – für die Westkirche die Akklamation „Agnus Dei“ in den Messkanon ein.
Sergius untermauerte den päpstlichen Primatsanspruch dadurch, dass er den heiligen Papst Leo den Großen in die Petersbasilika umbetten und ihm dort das erste Monumentalgrab errichten ließ. Am 8. September 701 starb Sergius I. und wurde ebenfalls in Sankt Peter beigesetzt.
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