Im Herzen von Rom, zwischen der Piazza Navona und dem Corso Vittorio Emanuele liegt hinter einer recht unscheinbaren Fassade die Barockkirche „San Pantaleo“. Zusammen mit dem angeschlossenen Konvent bildet sie das Hauptquartier des Ordens der Piaristen, der im 17. Jahrhundert vom heiligen José de Calasanz gegründet wurde und dessen Mitglieder neben den drei üblichen Ordensgelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams ein viertes Gelübde ablegen: das Engagement für die Erziehung der Jugend. Der Ordensgründer, dessen Gedenktag die Kirche am 25. August feiert, liegt in einem Porphyrsarkophag unter dem Hauptaltar von „San Pantaleo“ begraben.
Verzicht aufs Erbe
José de Calasanz wurde 1556 oder 1557 in Peralta de la Sal in eine spanische Adelsfamilie hineingeboren. Er fühlte sich schon früh zum Priester berufen und studierte nach einer guten Schulausbildung Philosophie und Theologie in Lérida und Valencia, erlangte den Doktorgrad und wurde 1583 zum Priester geweiht. Anschließend übernahm er verschiedene Aufgaben in der Seelsorge und im kurialen Dienst seiner Diözese. Einen Einschnitt in sein Leben brachte das Jahr 1592, in dem sein Vater verstarb. José verzichtete auf das Familienerbe und ging nach Rom, wo er in den Dienst von Kardinal Marcantonio Colonna trat, damals Bibliothekar der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek. Das Konzil von Trient lag knapp drei Jahrzehnte zurück, und in Rom bemühte man sich um die Umsetzung der vom Konzil beschlossenen Kirchenreform. Die katholische Wissenschaft wurde ebenso gefördert wie die Klerikerbildung, die Finanzen wurden saniert und die Römische Kurie neu organisiert. Der neue Petersdom war noch im Bau, die Kuppel gerade vollendet worden. José de Calasanz engagierte sich für die Kirchenreform und gelangte durch seinen Posten in höchste Kreise.
Das hochgebildete und den feinen Künsten zuneigte Umfeld, in dem José de Calasanz sich in Rom bewegte, stand im krassen Gegensatz zu den volkstümlichen Vierteln der Stadt, wo Unbildung herrschte, die oft zu Elend und Verwahrlosung führte. Die Volksbildung war damals noch in den Kinderschuhen. Jenseits der Alpen hatte die Reformation den Anstoß zur Gründung von Volksschulen gegeben; die katholischen Gebiete zogen nach. In Italien konnte sich die Volksbildung nur schleppend durchsetzen: Noch bei der Gründung des Königreichs Italien im Jahr 1861 waren etwa 80 Prozent der Italiener Analphabeten. José de Calasanz war betroffen vom Elend des Volkes.
Frömmigkeit und Wissenschaft
In Trastevere, einem der ärmsten Viertel von Rom, hörte er beim Anblick der Kinder auf den Straßen eine innere Stimme, die zu ihm sagte: „José, gib dich den Armen hin. Unterrichte diese Kinder und kümmere dich um sie.“ So gab er zunächst in der Pfarrei der Kirche „Santa Dorotea“ in Trastevere Katechismusunterricht, fasste aber den Plan, etwas völlig Neues auf die Beine zu stellen: unentgeltliche Schulen für die Kinder des Volkes, mit einem Lehrplan, verschiedenen Klassen und Abschlussprüfungen. Er setzte den Plan um, und es entstand die erste Volksschule in Italien. Sein Motto lautete „Frömmigkeit und Wissenschaft“, denn es ging José de Calasanz sowohl um die christliche als auch um die intellektuelle Bildung der Jugend.
Er war mit dem wenige Jahre jüngeren Galileo Galilei befreundet, der damals in Padua und Florenz lehrte, und legte Wert auf die Vermittlung der Geistes- und der Naturwissenschaften sowie der Grundlagen der Mathematik an die Kinder und Jugendlichen.
Seine Volksschule hatte Erfolg, und so entstanden weitere Schulen nach diesem Vorbild. Um genügend Lehrer zu haben, die in seinem Geist unterrichten würden, gründete Paul V. auf Bitten von José de Calasanz 1617 die „Paulinische Kongregation der Armen der Mutter Gottes von den Frommen Schulen“, im deutschen Sprachraum kurz „Piaristen“ genannt.
José de Calasanz starb am 25. August 1648 in Rom. Er wurde 1748 selig- und 1767 heiliggesprochen. Papst Pius XII. erhob ihn im Jahr 1948 zum Schutzpatron der christlichen Volksschulen.
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