15. Juli: Der Wochenheilige

Ansverus von Ratzeburg

Der heilige Ansverus von Ratzeburg, Missionar und Märtyrer. Von Claudia Kock
Heilige Ansverus von Ratzeburg

Die Verehrung der Märtyrer und Heiligen reicht bis in die Anfänge der Kirche zurück. Schon in den ersten Jahrhunderten pilgerten Christen zu den Gräbern der verstorbenen Glaubenszeugen und riefen diese um ihre Fürsprache bei Gott an. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts stellte Martin Luther diese altehrwürdige Praxis in Frage. Aufgrund seines Schriftverständnisses nahm er an, dass alle Verstorbenen bis zum Jüngsten Gericht in ihren Gräbern ruhen und keine Fürsprache bei Gott halten können. Außerdem widersprach die Anrufung der Heiligen seiner Rechtfertigungslehre, nach der Christus der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen sei.

Aus diesem Grund wurden zur Zeit der Reformation Heiligenbilder und Reliquien aus den Kirchen entfernt und zerstört, um der Verehrung der „toten Heiligen“, wie Luther sie nannte, ein Ende zu bereiten. Nur wenige Reminiszenzen der Heiligenverehrung erhielten sich in den protestantischen Gebieten. Eine davon findet sich in der evangelisch-lutherischen Lauenburgischen Kirchenordnung von 1585, die vorsieht, am Sonntag nach dem 15. Juli, dem Gedenktag des heiligen Ansverus, ein „Te Deum“ zu singen, zur Erinnerung an den Benediktiner-Mönch, der als Missionar das Christentum unter den Westslawen in Norddeutschland verbreitete und im Alter von etwa 30 Jahren das Martyrium erlitt.

Ansverus wurde um das Jahr 1035 in Schleswig geboren. Der heute nahe der dänischen Grenze liegende Ort trug damals noch den Namen Haithabu und war eine bedeutende Siedlung der Wikinger und der wichtigste Handelsplatz im westlichen Ostseegebiet. Als Knotenpunkt für den Warenaustausch zwischen Skandinavien und dem Fränkischen Reich hatte Haithabu zu seinem Schutz große Wallanlagen und eine eigene Währung. Bereits im 9. Jahrhundert war in der Stadt eine christliche Kirche errichtet worden; im 10. Jahrhundert wurde sie Bischofssitz. Der zeitgenössische Kirchenchronist Adam von Bremen berichtet, dass Ansverus aus einer christlichen Familie stammte. Im Alter von 15 Jahren soll er einen Traum gehabt haben, in dem er sich selbst als Mönch und als Abt sah. Daraufhin reiste er nach Ratzeburg in der Lauenburger Seenplatte, wo er in das Benediktiner-Kloster „St. Georg auf dem Berge“ eintrat, von dem die Missionierung der Westslawen ausging. Auch Ansverus war in der Mission tätig.

Er folgte streng der Regel des heiligen Benedikt und wurde schon in sehr jungen Jahren zum Abt des Klosters gewählt. Ratzeburg lag im Siedlungsgebiet des slawischen Stammes der Abodriten, deren christlicher Herrscher Gottschalk die Christianisierung seines Volkes vorantrieb, eine Kirchenordnung schuf und den Missionaren als Dolmetscher zur Seite stand. Gottschalks Ziel war die Errichtung eines christlichen Staates der Elbslawen. Dazu erweiterte er sein Herrschaftsgebiet mit Unterstützung des Erzbischofs Adalbert von Bremen, der als Regent für den noch minderjährigen König Heinrich IV. eingesetzt war. Als Adalbert im Jahr 1066 gestürzt worden war, ergriff Gottschalks Schwager die Gelegenheit, selbst die Macht zu ergreifen, indem er die heidnischen Abodriten zu einem Aufstand aufwiegelte, in dem Gottschalk erschlagen wurde.

Am 15. Juli 1066 wurde auch das Kloster „St. Georg auf dem Berge“ von heidnischen Horden gestürmt. Ansverus wurde zusammen mit 28 Mitbrüdern aus dem Kloster getrieben und vor der Stadt zu Tode gesteinigt. Er wurde zunächst in der zerstörten Klosterkirche beigesetzt. 1147 wurde er von Papst Eugen III. heiliggesprochen und seine Reliquien wenige Jahre später in den neu erbauten Ratzeburger Dom überführt. Sie sind seit der Reformationszeit verschollen, aber geblieben ist eine Bildplatte im Altarraum, die Ansverus' Leben in zwölf Bildern zeigt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde an der Stelle des Martyriums von Ansverus und seinen Mitbrüdern ein Radkreuz aus Kalkstein errichtet. An jedem 2. Sonntag im September organisiert das Erzbistum Hamburg eine Wallfahrt zum Ansverus-Kreuz.

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