Paderborn

Credo: Hoffen und Glauben

Zwischen Verzweiflung und Vermessenheit: Von Josef Pieper können wir lernen, was Hoffnung bedeutet und wie sie sich im Glauben begründet.
Hoffnung aus dem Glauben
Foto: Fabian Strauch (dpa) | Der Kern der Hoffnung besteht darin, bis in den Tod hinein offen zu sein für die noch ausstehende Erfüllung des Heilsverlangens und weder die Erfüllung noch die Nicht-Erfüllung vorwegzunehmen.

Haben wir Grund zu hoffen angesichts des Todes und der tödlichen Macht des Bösen, und gibt es Hoffnung ohne Glauben? Diese Fragen sind existentiell und politisch bedeutsam zugleich. Eine philosophisch begründete Antwort tut gut daran, den Begriff der Hoffnung nach zwei Seiten hin zu klären: in der Kritik an den säkularen Fortschrittsphantasien von Aufklärung und Marxismus, und durch Abgrenzung von einer missverstandenen christlichen Heilsgewissheit. Josef Pieper hat beides getan. „Das Ende der Zeit“ (1950) und „Hoffnung und Geschichte“ (1967) antworten auf die nachchristlichen Fortschrittsutopien der Neuzeit, während „Über die Hoffnung“ (1935) beansprucht, den Boden eines auch philosophisch standhaltenden Begriffs christlicher Hoffnung zu sichern.

Strittig ist die Frage nach dem Subjekt der Hoffnung

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Dabei geht es nicht um die vielen Hoffnungen, die einer haben und auch verlieren kann, ohne zu verzweifeln. Strittig ist vielmehr die Frage nach dem Subjekt der Hoffnung, einer Hoffnung allerdings, die über das alltäglich Erhoffte hinaus sich richtet auf die endgültige Befreiung von Leid und Tod. Darauf zu hoffen vermag allein der Einzelne, nicht die Menschheit als Kollektiv. Deren zukünftiges Wohlergehen, obwohl höchst wünschenswert, kann strenggenommen nicht einmal Objekt menschlicher Hoffnung sein. Abgesehen davon, dass niemand etwas erhofft, von dem er annimmt, dass es sicher eintreten wird, ist der Glaube an das Paradies auf Erden als Resultat menschlicher Vernunft oder gar der kosmischen Evolution schlicht irrational. Alle säkularen Heilsversprechen scheitern an der Endlichkeit und Freiheit des Menschen. „Du wirst lachen, aber eines Tages bist du tot!“ Darum haben wir natürlicherweise mehr Grund zur Verzweiflung als Grund zur Hoffnung. Ein glaubensloser Existentialismus ist hier mehr im Recht als die idealistische Fortschrittsphilosophie.

Der Kern der Hoffnung besteht darin, bis in den Tod hinein offen zu sein für die noch ausstehende Erfüllung des Heilsverlangens und weder die Erfüllung noch die Nicht-Erfüllung vorwegzunehmen. Darum hat auch der Verlust der Hoffnung eine doppelte Gestalt: Verzweiflung als „Vorwegnahme der Nicht-Erfüllung“ und Vermessenheit als „Vorwegnahme der Erfüllung“. Als „voreilige und falsche Sicherheit“ ist Vermessenheit eine typische Versuchung des Glaubenden, der meint, durch den Glauben seines Heils schon jetzt gewiss zu sein, während Verzweiflung eher die Folge menschlicher Schwachheit ist, das Wagnis der Hoffnung zu meiden. Die Hoffnung auf Auferstehung setzt allerdings voraus, dass durch den Tod hindurch ein Subjekt bleibt, an dem sich das Heilwerden im Anblick Gottes vollzieht. Wie die Realität des Todes und die Identität des Subjekts zusammenpassen und wie nicht, ist darum eine eminent wichtige Frage, der Pieper in „Tod und Unsterblichkeit“ (1967) nachgegangen ist. Und schließlich: Wenn es allein der Glaube ist, der Grund zur Hoffnung gibt, was heißt dann Glauben?

Glauben beruht auf Vertrauen in den Zeugen

Piepers „Über den Glauben“ (1962) sagt dazu vor allem dies: Glauben beruht zuerst auf dem begründeten Vertrauen in den Zeugen und nicht auf der schon von sich her einleuchtenden Glaubwürdigkeit des Sachverhalts. Gleichwohl ist es der Sachverhalt, den der Glaubende in solchem Vertrauen als wahr und wirklich akzeptieren soll. Wer noch zweifelt, glaubt nicht! „Ich glaube zwar, aber ich bin nicht völlig sicher“: „wer so spricht, meint entweder Glauben in uneigentlicher Bedeutung, oder er redet Unsinn.“ Christlicher Glaube an die Erschaffung der Welt, die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und seine sakramentale Gegenwart bis er wiederkommt am Ende der Zeit umspannt das Verhältnis von Gott und Mensch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Jede dieser drei Dimensionen ist unverzichtbar für die Vernünftigkeit des Glaubens wie der Hoffnung. Wer heute meint, sich (mit Kant) des Glaubens enthalten zu müssen im Vertrauen auf die Zukunft der Menschheit, ist nicht so aufgeklärt, wie er denkt. Denn er glaubt absurderweise an eine „herkunftslose Zukunft und Hoffnung ohne Grund“ (1967).

Die Reihe zu Josef Pieper wird im nächsten „Credo“ fortgesetzt

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