Kardinal Rainer Maria Woelki hat am Dienstag im Rahmen seiner presserechtlichen Auseinandersetzung mit dem Axel-Springer-Verlag vor dem Kölner Landgericht zwei Stunden ausgesagt. Der Kölner Erzbischof klagt gegen einen Bericht der „Bild“-Zeitung, demzufolge er 2017 einen Priester zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten beförderte, obwohl er eine polizeiliche Warnung vor einem Einsatz des Geistlichen in der Jugendarbeit aus dessen Personalakte gekannt habe. Das Landgericht Köln hatte Anfang März entschieden, den Erzbischof als Partei persönlich zu befragen, nachdem zuvor die frühere Sekretärin von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, und der vormalige Interventionsbeauftragte des Erzbistums in Sachen Missbrauchsaufklärung ausgesagt hatten.
Kardinal behauptet, nichts von der polizeilichen Warnung gewusst zu haben
Dem Vorsitzenden Richter der 28. Zivilkammer, Dirk Eßer da Silva, sagte Woelki, weder die entsprechende Akte noch das in der „Bild“-Zeitung veröffentlichte Dokument habe ihm bis heute im Original vorgelegen. Eine persönliche Kenntnis der Personalakte des Geistlichen habe er nicht gehabt. Von der polizeilichen Warnung, die bereits 2001 nach einem Kontakt des Priesters mit einem 16-jährigen Prostituierten ausgesprochen worden war, sei zum Zeitpunkt der Beförderung keine Rede gewesen, unterstrich der Kardinal. Er wies darauf hin, dass er Personalakten grundsätzlich nicht persönlich in die Hand nehme, sondern Personalfragen mit den beiden Leitern der Hauptabteilung Personal bei einem wöchentlichen Treffen sowie in den alle 14 Tage stattfindenden Personalkonferenzen bespreche. „In der Regel“ übernehme er das Beratungsergebnis.
Nachdem in der Personalkonferenz über die vom damaligen Stadtdechanten Ulrich Hennes vorgeschlagene Beförderung des Priesters gesprochen worden sei und es Hinweise auf Gerüchte gegeben habe, habe er die Entscheidung zurückgestellt, um die Vorwürfe klären zu lassen. Die folgende Sitzung habe ergeben, dass es sich lediglich um Gerüchte, aber nicht um Substanzielles gehandelt habe. Da sich die Gerüchte als solche nicht bestätigt hätten, habe er der Ernennung des Priesters zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten zugestimmt. Unter den Befürwortern der Beförderung sei der damalige Leiter des Kirchengerichts, Günter Assenmacher gewesen, während sich die Doppelspitze der Personalabteilung kritisch positioniert habe.
Der Kardinal unterstrich, dass er, wenn er 2017 von der polizeilichen Warnung gewusst hätte, von der Beförderung abgesehen hätte. Inzwischen liege dem Erzbistum ein von Rom Anfang März bestätigtes kirchenrechtliches Urteil vor, wonach der Priester von den Vorwürfen freigesprochen wurde. Auch habe die Staatsanwaltschaft alle Ermittlungen gegen den Priester eingestellt. Über die polizeiliche Warnung sei mit ihm erstmals 2017 gesprochen worden. Dass sein Vorgänger Kardinal Joachim Meisner den Geistlichen wegen des Vorfalls mit dem Prostituierten sanktioniert hatte, habe er erst später erfahren.
Verdacht auf Falschaussage
Erst im Rahmen des Interventionsverfahrens sei aufgefallen, dass der Vorfall aus dem Jahr 2001 während der Dienstzeit Kardinal Meisners nicht nach Rom gemeldet worden sei. Woelkis Darstellung zufolge wurde dieses Versäumnis 2018 nachgeholt.
Angesprochen auf die Aussage der früheren Sekretärin Kardinal Meisners, sie habe Woelki schon 2010 telefonisch über Saunabesuche des Priesters mit Messdienern informiert, erklärte der Kardinal, er könne sich nicht an das Telefonat erinnern. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt seit der Aussage der Sekretärin gegen Woelki wegen des Verdachts einer Falschaussage. Der betroffene Priester zeigte die Frau wegen uneidlicher Falschaussagen an.
Woelki erklärte, er habe den vormaligen Interventionsbeauftragten ermutigt und dabei unterstützt, Dinge einzufordern, die Interventionsakten zusammenzustellen und alles für die Aufarbeitung zu tun. Die von dem Mitarbeiter erstellte Interventionsakte über den betreffenden Priester habe er nicht gesehen. Auch in seinem Büro sei nichts davon bekannt. Seine Nachfrage habe ergeben, dass im Erzbistum weder ein Überleitungsschreiben noch ein einschlägiger Aktenvermerk vorhanden sei. Der vormalige Interventionsbeauftragte hatte vor Gericht ausgesagt, er habe Woelki die Akte per Hauspost zukommen lassen.
Der Kardinal beeidete seine Aussagen mit dem Satz „Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe.“ Eine Entscheidung in dem Verfahren soll am 26. April verkündet werden.
Wegen anderer „Bild“-Berichte über den Umgang Woelkis mit dem Priester hatte das Oberlandesgericht Köln kürzlich in zweiter und letzter Instanz der Zeitung vier von sechs Aussagen verboten. So sei es unzulässig zu schreiben, Woelki habe einen „Sexualstraftäter“ befördert, da nach damaligem Recht das Verhalten des Priesters nicht strafbar gewesen sei. Nichts zu beanstanden fand das Gericht an der Überschrift „Kardinal Woelki beförderte Missbrauchs-Priester“. Denn die Formulierung „Missbrauchs-Priester“ umfasse neben der rechtlichen auch eine moralische Bewertung.
Diese Meldung wurde korrigiert am 30. März um 14.00 Uhr.
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