Glaubenskurs Teil 11

Wie versöhnt uns Gott mit sich und den anderen? - Glaubenskurs

Der multimediale Glaubenskurs von "Tagespost", Youcat und Radio Horeb: In der aktuellen Folge zum Begriff "Sünde", Gewissensbildung und dem Verhältnis zur Wahrheit.
Glaubenskurs: Sich selbst annehmen
Foto: fotolia.de | Psychologen weisen zu Recht darauf hin, dass man keine starke Persönlichkeit aufbauen kann, wenn man sich fortwährend selbst zerfleischt und so gar nicht in der Lage ist, sich anzunehmen und gut zu fühlen.

Es scheint, als lebten wir im Zeitalter der universellen Entschuldigungen. Was auch immer passiert – es waren die Eltern, die Umstände, die Politik oder der Nachbar. Wir befassen uns gerne mit Sünde und Schuld, aber nur, wenn es andere betrifft.

Was ist Sünde? Was ist überhaupt eine Sünde?

Youcat 67 und 315

Psychologen weisen zu Recht darauf hin, dass man keine starke Persönlichkeit aufbauen kann, wenn man sich fortwährend selbst zerfleischt und so gar nicht in der Lage ist, sich anzunehmen und gut zu fühlen. So weiß man heute, wie wichtig es ist, Kindern von Anfang an Anerkennung zu schenken. Aber muss man deshalb das Thema Sünde ausklammern? Immerhin heißt es im Neuen Testament, Christus sei „für unsere Sünden gestorben“ (1 Kor 15,3). Noch hängen Kruzifixe in Schulzimmern und Gerichtssälen. Ist das nur ein Relikt aus einer dunklen Zeit?

Wie hilft Gott uns, freie Menschen zu werden?

Youcat 290

Der Abschied von der Sünde begann im 19. Jahrhundert Friedrich Nietzsche, der radikale Philosoph, hatte etwas gegen „Sünde“; er hielt sie für ein krankmachendes „jüdisches Gefühl und eine jüdische Erfindung“ – typisch für eine „Sklavenreligion“. Man habe die Sünde benutzt, um „Zerknirschung, Entwürdigung, Sich-im-Staube-wälzen“ zu erzeugen und Menschen damit zu demütigen. „Nur wenn du bereuest, ist Gott dir gnädig“, sei einem „gesunden Griechen“ nie in den Sinn gekommen. Nietzsche empfahl „Unbekümmertheit um die natürlichen Folgen der Sünde“; er träumte von der vitalen Schönheit, Freiheit und Kraft der gewissenlosen blonden Bestie: „Das Tier muss wieder heraus, muss wieder in die Wildnis zurück; römischer, arabischer, germanischer, japanischer Adel, homerische Helden, skandinavische Wikinger – in diesem Bedürfnis sind sie sich alle gleich.“

Kann man sein Gewissen bilden? Wodurch weiß ein Mensch, dass er gesündigt hat?

Youcat 297 und 312

Was die Nazis daraus machten, ist bekannt. Sünde gab es im Nationalsozialismus nur als „Sünde gegen Blut und Rasse“. Völkische Ideologen trugen dafür Sorge, dass die Menschen ihr Gewissen los und blind wurden für alle realen Faktoren der Entmenschlichung. Da standen dann bald blonde „Übermenschen“ an der Rampe und schauten teuflisch lächelnd zu, wie „Untermenschen“ in Viehwaggons geladen wurden zum Abtransport in die Gaskammern. Soviel sollte klar sein: Sünde inhaltlich zu entkernen, sie zu verharmlosen, sie lächerlich zu machen, sie aus der menschlichen Existenz auszuklammern, ist eine Lüge, oft genug eine Lebenslüge. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1 Joh 1,8). Die Folgen sind dramatisch. Die Lüge war/ist übrigens die Ursünde, wie man im Buch Genesis nachlesen kann. Das Johannesevangelium kennt den „Vater der Lüge“ (Joh 8,44) und hält ihn für den „Mörder von Anfang an“ (Joh 8,44). Es ist der Teufel. „Die schönste List des Teufels ist“, so bemerkte Charles Baudelaire, „uns zu überzeugen, dass es ihn nicht gibt.“

Was hat unser Verhältnis zur Wahrheit mit Gott zu tun?

Youcat 453

Bis dahin gehen viele Menschen mit. Aber sie verstehen nicht, was die Sünde denn mit Gott zu tun hat. Nehmen wir einmal eine kleine Konstruktion zu Hilfe. Ersetzen wir das Wort „Gott“ durch das Wort „das Absolute“ – und nehmen wir noch ein paar Eigenschaften hinzu: das absolut Schöne, der absolut Wahre, der absolut Gute. Gott kann man nicht definieren, aber so sehr er auch über alles innerweltlich Gute, Wahre und Schöne hinaus ist, so sehr sieht doch alles, was nicht gut, nicht wahr und nicht schön ist, irgendwie absolut unmöglich neben Gott aus. Nun sind wir Menschen immer zu Kompromissen geneigt. Stellen wir uns einmal vor, es gäbe eine Welt, in der Harvey Weinstein in letzter Instanz sagen dürfte: „Ich finde das aber schön!“, Donald Trump in letzter Instanz: „Ich finde das aber wahr!“, und Monsanto in letzter Instanz: „Wir finden das aber gut!“

Was muss ich in eine Beichte einbringen?

Youcat 232

Nun gibt es aber Gott. Er ist uns absolut nicht fern. Er ist uns so wenig fern, dass ihn alles, was hier menschlich schiefläuft, absolut trifft – ja so ins Herz trifft, dass er alles gibt, sogar seinen eigenen Sohn, um die Welt zu reparieren, das Gute, das Wahre, das Schöne wiederherzustellen, uns mit ihm und untereinander zu versöhnen. Aber Gott ist nicht nur unter den Opfern der Sünde, wenn sie in die Waggons nach Auschwitz geladen werden. Gott hat auch eine Lösung für die Sünder. Für kleine, Mittelklasse- und große Sünder, und sogar für die Leute mit den Schaftstiefeln, die eine Sorte von Unheil anrichten, das ihre Wiedergutmachungsmöglichkeiten unendlich übersteigt. Gott selbst ist es, der uns mit sich versöhnt durch Jesus Christus, „der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“ (Kol 1,22).

Wir müssten zahlen. Er zahlt.

Kann die Kirche Sünden vergeben?

Youcat 150

Von uns ist nur eines verlangt: das Bekenntnis unserer Sünden. „In ihm haben wir ... die Vergebung der Sünden.“ (Eph 1,7) Robert Spaemann (*1927), dt. Philosoph

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