Einen geliebten Menschen zu verlieren ist eine Bürde, die oft nicht verkraftbar erscheint. Diesen Tod als real und end-gültig zu begreifen, ist eine langwierige und schwierige Aufgabe. Dennoch – als Christen sind wir der festen Überzeugung, dass der verstorbene Mensch nicht ins Leere fällt, sondern heim-geht, wie der Volksmund so treffend sagt. Er geht heim zu Gott, der jeden Menschen persönlich und unwiderruflich liebt. Gott, der die Liebe ist, wird keines seiner Geschöpfe ins Nichts fallen lassen. Er hält jede und jeden auch im Sterben und durch den Tod hindurch in seinen Händen geborgen.
So wie eine Raupe sich nicht vorstellen kann, wie ihr zukünftiges Leben als Schmetterling aussehen wird, so können wir uns unser Leben nach dem Tod nicht vorstellen. Wir haben aber die verlässliche Verheißung der Heiligen Schrift, dass es ein Leben nach dem Tod gibt und dass dieses Leben alle Vorstellungen und Hoffnungen übertrifft: „Wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ (1. Kor 2,9)
Wenn die Bibel vom Leben in der Ewigkeit spricht, nutzt sie Bilder von einem Leben der Fülle und der Gemeinschaft bei Gott und meint damit Gemeinschaft mit Gott und untereinander. Augustinus sagt „Wir werden uns an Gott und aneinander in Gott erfreuen. Wir werden immer von neuem überrascht und glückselig staunen über sein (Gottes) unbegreifliches Geheimnis und übereinander.“
Die Verstorbenen bleiben uns nah, wie Gott uns nah ist
Dieses Wissen kann Trost geben. Diejenigen, die uns im Tod vorausgegangen sind, freuen sich über Gott und über die anderen, die schon dort sind. Und gleichzeitig bleiben sie uns nah, so wie auch Gott uns nahe ist. Sie sind nur nicht mehr leiblich anwesend. Der geliebte Mensch, der verstorben ist, sitzt nicht mehr mit uns am Tisch. Er ist hinübergegangen an den Ort, wo für immer Frieden und Sicherheit ist. Darum ist es gut und heilsam, ihm auch einen neuen Ort in unserem Leben zu geben, wo wir mit ihm in Kontakt treten, ihn „besuchen“ können. Das kann sein Grab sein, sein Foto in unserem Haus, ein gemeinsamer Lieblingsplatz, sein Platz in unserem Herzen. Dies ist ein wesentlicher Schritt in der Verarbeitung unserer Trauer. Denn wir lernen im Laufe der Zeit zu akzeptieren, dass unser Verhältnis zu dem geliebten Menschen ein anderes geworden ist, so, wie wir selbst anders geworden sind durch den Verlust.
Auch wenn wir als Christen die Zusage des Ewigen Lebens bei Gott haben, ist unsere Trauer um einen geliebten Menschen nicht weniger schmerzlich. Der Tod eines Kindes, einer jungen Mutter, eines geliebten Partners ist unfassbar und kann sprach-los machen. Dann erleben wir Gott als den Fernen, den Unbegreiflichen. Wir schreien Gott unseren Schmerz und unsere Klage entgegen.
Und wir haben in Jesus ein Vorbild unserer Klage. Der Gottessohn selbst hat am Kreuz gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bleibst fern meiner Rettung, den Worten meines Schreiens? Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; und bei Nacht, doch ich finde keine Ruhe.“ (Psalm 22, 2–3)
Trauer ist ein notwendiger Prozess, um Verluste und Trennungen zu verarbeiten. Wir können der Trauer nicht entfliehen, wir müssen sie durchleben. Trauer ist so individuell wie die Trauernden selbst. Im Trauerprozess gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, es gibt nur ein „anders“. Trauer beschränkt sich nicht auf die Seele, sie erfasst den ganzen Menschen mit Körper, Seele und Geist. Manchmal erreichen die körpereigenen Abwehrkräfte erst acht bis zwölf Monate nach dem Tod des geliebten Menschen ihren Tiefpunkt. Erst danach erholen sie sich langsam wieder.
Die „Charta für Trauernde“ des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken spricht den Trauernden das Recht zu, so zu trauern, wie es ihnen persönlich entspricht. Die „Zehn Rechte für Trauernde“ wollen den Betroffenen Mut machen, ihre Trauer zu durchschreiten, um irgendwann neuen Lebensmut zu finden.
Charta für Trauernde
Zehn Rechte für alle, die um einen geliebten Menschen trauern
1. Sie haben das Recht, auf Ihre Art zu trauern. Jeder und jede trauert anders, es gibt keine richtige oder falsche Art zu trauern.
2. Sie haben das Recht auf die Länge der Trauerzeit, die Sie brauchen.
3. Sie haben das Recht auf ihre Gefühle wie Schmerz, Wut, Verzweiflung, Einsamkeit, Erstarrung, Ohnmacht, Scham, Schuldgefühle, Sprachlosigkeit, Aggressivität, aber auch Liebe und Sehnsucht.
4. Sie haben das Recht, sich schwach oder krank zu fühlen. Denn Trauer beschränkt sich nicht auf die Seele, sie erfasst den ganzen Menschen mit Körper, Seele und Geist.
5. Sie haben das Recht, sich trösten zu lassen. Mitfühlende Menschen und Rituale können die Zeit der Trauer unterstützend begleiten.
6. Sie haben das Recht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Jeder Trauernde benötigt Menschen, die ihm zur Seite stehen: Verwandte, Freunde, Nachbarn. Manchmal braucht es auch fachliche Unterstützung wie Trauerbegleiter oder therapeutische Hilfe.
7. Sie haben das Recht, weiterhin am Leben teilzuhaben, zu essen, zu trinken, zu schlafen, sich mit Freunden zu treffen, zu lachen, zu feiern.
8. Sie haben das Recht auf Auszeiten. Im Trauerprozess ist es wichtig und gut, sich selbst etwas zu gönnen.
9. Sie haben das Recht, den Verstorbenen in Erinnerung zu behalten, Ihre Bindung an ihn aufrecht zu erhalten und ihm einen neuen Platz in Ihrem Leben zu geben.
10. Sie haben das Recht zu vertrauen, dass der Verstorbene nicht ins Leere gefallen ist, sondern in Gottes Ewigkeit geborgen ist.
Literaturhinweise
Trauerhilfe für Hinterbliebene
Vielen Trauernden tut es gut, zu erfahren, wie andere mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen. In dem gerade erschienenen Buch „Wie den Tod eines anderen überstehen?“ berichten 22 Personen, wie sie mit dem Tod des Ehepartners, Kindes, Elternteils, Geschwisters umgehen. Alle Berichte zeugen von tiefer Trauer und Sprachlosigkeit, aber auch von Überlebensstrategien und vor allem vom Glauben an einen Gott, der auch im tiefsten Dunkel an unserer Seite bleibt.
Die Erzählungen wollen Mut machen, die Trauer zu durchschreiten und das Leben wieder neu in die Hand zu nehmen. So schreibt Susanne in ihrem Bericht im Buch: Nehmt Hilfe an. Ihr braucht alle Unterstützung, die ihr kriegen könnt. Das schafft niemand ganz alleine ...“
Georg Austen, Theresita Müller (Hrsg.): Wie den Tod eines anderen überstehen? Aus der Reihe: Das Leben fragt, Christen antworten.
Bonifatius, Paderborn 2018.
ISBN: 978-3-89710-797-7, EUR 7,90
Ratzinger zu Tod und Unsterblichkeit
Aus dem großen theologischen Schaffen des Joseph Ratzinger ragt seine Schrift über die Eschatologie, also die christliche Lehre von den Letzten Dingen, besonders hervor. Er selbst bezeichnet sie heute als sein „am besten durchgearbeitetes Werk“. Die Schrift, in der Ratzinger Fragen um Tod, Auferstehung und ewiges Leben klärt, erschien erstmals im Jahr 1977, als der Autor Erzbischof von München und Freising war. Die aktuelle Auflage von 2016 ist eine Neuausgabe der sechsten erweiterten Auflage aus dem Jahr 1990. Der Papa em. Benedikt XVI. persönlich hat dem Buch ein ausführliches Vorwort beigesteuert. Darin stellt er die „Knackpunkte“ der Diskussion um seinen Standpunkt noch einmal deutlich heraus.
Ratzingers Eschatologie ist heute zweifelsohne ein theologisches Standardwerk. Die theologische Dichte begeistert viele Leser genauso wie die durchdachten, tiefen Antworten auf zahlreiche Fragen rund um den Tod, die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung des Menschen. Daneben behandelt Ratzinger auch Themen wie das Jüngste Gericht, die Gestalt der Hölle und das Fegefeuer.
Joseph Ratzinger: Eschatologie. Tod und ewiges Leben. Pustet, Regensburg 2016, ISBN: 978-3-7917-2070-8, EUR 22,-
Die christliche Lösung des großen Geheimnisses
Romano Guardini (1885–1968) zählt zu den bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Mit seiner Schrift aus dem Jahr 1940 wendet sich Guardini nicht nur an die Fachwelt, sondern an alle Gläubigen. Ihnen will er das große Geheimnis des Todes aufschlüsseln. Dazu stellt er den Antworten des Atheismus und des Existenzialismus die christliche Offenbarung gegenüber.
Romano Guardini: Die Letzten Dinge. Die christliche Lehre vom Tode, der Läuterung nach dem Tode, Auferstehung, Gericht und Ewigkeit.
Topos, Innsbruck 2016,
ISBN: 978-3-8367-0461-8, EUR 9,95
Dem Tod ein Gesicht geben
In der Gesellschaft der Gegenwart wird der eigene oder der Tod nahestehender Menschen oft verdrängt und tabuisiert. Dieser Ausgrenzung des Todes stellt Bischof Egon Kapellari seine „Sterbe-Bilder“ berühmter Menschen gegenüber. Er demonstriert eindrücklich, wie das Erzählen vom Tod letztendlich ein Erzählen vom Leben ist: Es handelt von Schwäche und Verzweiflung, aber auch von Glaube, Hoffnung und Liebe.
Egon Kapellari: Und dann der Tod. Sterbe-Bilder. Styria, Wien 2005, ISBN: 978-3-2221-3188-2, EUR 22,-