Porträt der Woche

Walter Kardinal Kasper

Mutig, klug, gelehrt, kirchenpolitisch aktiv und der katholischen Lehre immer treu: Ein bedeutender deutscher Theologe wird am Sonntag 90 Jahre alt.
Kardinal Kasper am 4. April 2019 in Rom.
Foto: Francesco Pistilli (KNA) | Kardinal Walter Kasper am 4. April 2019 in Rom.

Wer sich die Liste von 27 Ehrendoktortiteln anschaut, die Walter Kasper im Verlauf seines Lebens in aller Welt eingesammelt hat, hat plötzlich wieder eine Ahnung davon, was das einmal war: ein deutscher Theologe. Wie ein Dinosaurier grüßt der ab Sonntag 90 Jahre alte Gelehrte, der es bis zum Kardinal gebracht hat, aus einer untergegangenen Zeit, in der die geistigen Früchte der akademischen Theologie deutscher Zunge in viele Sprachen übersetzt den Erdkreis der kirchlichen Seminare und Fakultäten befruchteten.

Der gelehrte Kirchenpolitiker

Sein wissenschaftliches Werk – unter anderem gab Kasper die dritte Auflage des „Lexikons für Theologie und Kirche“ heraus und hinterlässt eine auf 18 Bände angelegte Reihe seiner „Gesammelten Schriften“ – hielt den Schwaben nicht davon ab, auch Kirchenpolitik mit zu betreiben. 1999, als Sekretär des vatikanischen Einheitsrats, setzte er seine Unterschrift unter die Ökumene-Erklärung zur Rechtfertigungslehre und koordinierte von 2001 bis 2010 als Kurienkardinal die Arbeit des Ökumenerats.

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Hatte er sich in den späten sechziger und siebziger Jahren im „Freckenhorster Kreis“ für einen Strukturwandel der Kirche und einen Abbau des römischen Zentralismus engagiert, so ließ er sich später als Bischof von Rottenburg-Stuttgart und dann als Kardinal beim „Club von St. Gallen“ blicken, dem es – ganz grob gesagt – um ähnliche Ziele ging.

Den Kernwahrheiten der Offenbarung treu

Als Kurienkardinal und Mitglied von sieben vatikanischen Dikasterien konnte Kasper dann den „römischen Zentralismus“ – wie man in Österreich sagen würde – in Lokalaugenschein nehmen und wurde dann von Franziskus geadelt, als ihn Papst Bergoglio in der ersten Ansprache zum Angelus ganz persönlich nannte und dessen Werk über die christliche Barmherzigkeit empfahl. Bei der Doppelsynode von 2014 / 2015 schickte Franziskus Kasper als Eisbrecher bei der Neuakzentuierung im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ins Gefecht.

Doch für Kasper war die Grenze des Möglichen immer da, wo die Treue zu den unverhandelbaren Kernwahrheiten der Offenbarung und der katholischen Lehre begann. Darum hatte er auch den Entschluss der Tübinger Fakultätskollegen mitgetragen, seinen akademischen Lehrer Hans Küng aus der Fakultät auszuschließen, dem die Deutsche Bischofskonferenz 1979 die „Missio canonica“ entzog. Und so wurde Kasper in den letzten Jahren auch zu einem der schärfsten Kritiker des Synodalen Wegs. Dem bescheinigte er „eine tektonische Verschiebung in den Grundfesten der Theologie, die dann notwendig zu einem kirchlichen Erdbeben führen muss“. Dieses Erdbeben erlebt Kasper gerade.

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