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Vom Untergang einer Dynastie

Wie die Einheit des Reichs unter Konstantin dem Großen zerfiel: Die Jahrzehnte zwischen dem Konzil von Nicäa (325) und dem von Konstantinopel (381).  Zweiter Teil. 
Konstantin
Foto: Wikimedia / Gemeinfrei | Kaiser Konstantius als Triumphator zu Pferde auf einer 1891 auf der Krim aufgefundenen Schale.

Von dem italienischen Staatsmann und Schriftsteller Machiavelli ist der Ausspruch überliefert: „Eigenschaften werden selten vererbt, sondern verlöschen mit dem Tode ihres Trägers. Deshalb sollte man sich nicht auf die Erbfolge verlassen.“

Wer sich mit dem Leben Konstantin des Großen beschäftigt und sein Vermächtnis betrachtet, wird den Ausspruch Machiavellis bestätigt finden. Als großer Imperator hatte Kaiser Konstantin zu Lebzeiten das Römische Reich geeint. Unter dem Banner Jesu Christi hatte er Schlachten gewonnen und den Weg bereitet, auf dem das Christentum zu einer Weltreligion werden sollte. Wenngleich es unter seiner Herrschaft noch nicht zur Staatsreligion erklärt wurde – dieser Schritt sollte erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod erfolgen –, wurde es doch auf sein Betreiben hin den im Römischen Reich anerkannten Religionen gleichgesetzt und offiziell anerkannt. Zu seiner Verbreitung und Anerkennung trug Konstantin durch Kirchenstiftungen, Münzen mit dem Christusmonogramm und seine eigene Taufe aktiv bei.

Eigene Sterblichkeit

Die Beförderung des christlichen Glaubens im Römischen Reich durch den ersten christlichen Kaiser beschränkte sich dabei keineswegs auf Äußerlichkeiten. Auf dem Konzil von Nicäa brachte sich Konstantin im Jahre 325 aktiv in innerkirchliche und theologische Debatten ein.

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Im Wissen um die eigene Sterblichkeit tat er zu Lebzeiten alles dafür, die konstante Entwicklung, die das Römische Reich unter seiner Herrschaft genommen hatte, über den eigenen Tod hinaus zu festigen. Durch die Wiedereinführung der Dynastie und die Erhebung seiner drei Söhne zu Caesaren (Unterkaisern) versuchte er, sein Erbe zu regeln und zu bewahren. Doch sollte sich schon bald nach seinem Ableben – mit den Worten Machiavellis gesprochen – herausstellen, dass „Eigenschaften mit dem Tod ihres Trägers allzu oft verlöschen“.

Drei Söhne und zwei Neffen als die neuen Herrscher

Dass Konstantin zur Sicherung seines Erbes die Aufteilung des Großreiches auf mehrere Nachfolger beschloss, lief seiner eigenen Biografie zuwider; hatte doch gerade er als Herrscher dafür gesorgt, dass das Römische Reich unter einem Herrscher geeint worden war. Erklären lässt sich diese Entscheidung wohl am ehesten mit der Tatsache, dass er selbst keinem seiner drei Söhne Konstantin II., Konstans und Konstantius zutraute, allein in seine Fußstapfen zu treten. Folglich führte er die dynastische Erbfolge ein. Dassmann schreibt dazu in seiner Kirchengeschichte: „Durch blutsmäßige Verwandtschaft wollte er das Band zwischen den einzelnen Herrschern und damit zwischen den einzelnen Reichsteilen festigen.“ Die Blutsverwandtschaft stellte dabei für ihn das zentrale Element im Vergleich zur diokletianischen Tetrarchie dar. Als Großherrscher versuchte er diesbezüglich, zu Lebzeiten bereits alles zu regeln.

 

So sollte sein ältester Sohn Konstantin II. über Gallien, Spanien und Britannien herrschen, der mittlere Sohn Konstantius über das Ostreich und Ägypten und der jüngste Sohn Konstans über den mittleren Teil des Reiches, Pannonien (Gebiet um das heutige Ungarn), Dakien (Gebiet um das heutige Rumänien), Italien und Afrika. Zudem sollten neben seinen drei Söhnen Konstantins Neffen Dalmatius (über Thrakien und Konstantinopel) und Hannibalianus (über Armenien) regieren. Diese Entscheidung aber sollte sich alsbald als erstes Problem und in der Folge als Beginn des Scheiterns der konstantinischen Erbregelung herausstellen. Da Dalmatius und Hannibalianus nicht die Söhne des großen Herrschers waren, wurden sie vom Militär nicht anerkannt und kurzerhand ermordet. Die Herrschaft über ihre Provinzen übernahmen Konstantins Söhne Konstantius und Konstans.

Am Ende dann doch wieder nur ein Kaiser

Frieden und Einheit kehrten damit jedoch keineswegs ins Reich zurück. Stattdessen sollte sich zeigen, dass der Ausspruch Machiavellis im Verhalten von Konstantins Söhnen einen historischen Beleg fand. Denn Konstantin II., der an den Wirren im Herrschaftsgebiet seiner Cousins und Brüder unbeteiligt gewesen war, fiel überraschend in das Gebiet seines jüngeren Bruders Konstans ein, der sich ihm jedoch siegreich entgegenstellte. So starb Konstantins ältester Sohn im Jahre 340, lediglich drei Jahre nach seinem Vater.
Zunächst schien es, als könne Konstans als jüngster Sohn am ehesten in die Fußstapfen seines Vaters treten. Schließlich herrschte er nun nicht mehr nur über seinen Teil des Reiches, sondern auch über den des getöteten Bruders.

Allerdings sollte er zehn Jahre später dessen Schicksal teilen. Denn auch in seinem Teil des Reiches regte sich Widerstand. Zwar war Konstans wie sein Vater christenfreundlich, doch anders als dieser galt er als hart und ungerecht, sodass sich ihm mit General Magnentius schließlich in Gallien ein Widersacher in den Weg stellte, dem er nicht gewachsen war. So starb 350 mit Konstans der zweite Sohn des Großherrschers. Immerhin wurde dieser mit seinen ungefähr 50 Jahren doppelt so alt wie sein getöteter Bruder.
Dass der letzte noch lebende Sohn Konstantins – Konstantius – das väterliche Reich als einzig noch lebender rechtmäßiger Erbe wiederherstellen wollte, dürfte wenig überraschend sein. So siegte er tatsächlich ein Jahr später über den selbsternannten Herrscher Magnentius, musste sich mit dessen Heer aber noch zwei weitere Jahre auseinandersetzen, ehe der Gegner aufgab und Selbstmord beging.

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Sechzehn Jahre nach dem Tod Kaiser Konstantins hatte das Reich damit wieder einen Alleinherrscher. Dieser aber hatte nicht das Charisma seines Vaters. Noch einmal sei der Kirchenhistoriker Dassmann zitiert: „Weder seine körperlichen noch seine geistigen Kräfte reichten aus, es dem Vater gleichzutun. Da er nicht kraft seiner Person Kaiserwürde ausstrahlte, umgab er sich mit feierlicher Unnahbarkeit; sein Auftreten wirkte steif und zeremoniell. […] Günstlinge beeinflussten auch die arianisch bestimmte Kirchenpolitik des Kaisers, der selbst besten Willens war und ein untadeliger Christ sein wollte.“

Allein Blutsbande und Abstammung reichten nicht

Wenngleich er den Glauben seines Vaters angenommen hatte, besaß der Alleinregent doch nicht dessen herrscherliche Stärke. Um das dynastische Prinzip fortzuführen, setzte Konstantius seine Vettern Gallus und Julian als Caesaren ein, damit sie ihm den Machterhalt sicherten. Während Erster sich als tyrannischer Fehlgriff entpuppte und daher rasch abgesetzt und zum Tode verurteilt wurde, fand Konstantius in seinem Vetter Julian tatsächlich einen zunächst loyalen und erfolgreichen Gewährsmann.

Dieser war auch dringend vonnöten, da Franken und Alemannen im Westreich einfielen und unter anderem Köln eroberten. Im Laufe der folgenden Jahre allerdings wurde das Römische Reich im Osten auch von den Persern angegriffen, sodass Konstantius Truppenteile gegen ihren Willen vom Westen in den Osten beorderte und seinen Caesar Julian damit schwächte. Dieser wurde von unzufriedenen Soldaten zum Augustus ausgerufen und nahm die Ehrerbietung an.

Es kam, wie es kommen musste: Ein Kampf zwischen Konstantius und Julian bahnte sich an. Bevor dieser jedoch ausgefochten werden konnte, starb zuerst Kontantius im Jahr 361 und zwei Jahre später Julian, der im Kampf gegen die Perser fiel. Mit ihm endete die konstantinische Dynastie, die ihrem prominenten Gründer keine Ehre gemacht hatte.
Blutsbande und Abstammung allein waren nicht genug gewesen, um Konstantins Erbe zu bewahren. Oder wie Machiavelli es über tausend Jahre später formulierte: „Eigenschaften werden selten vererbt, sondern verlöschen mit dem Tode ihres Trägers. Deshalb sollte man sich nicht auf die Erbfolge verlassen.“


Der erste Teil dieser auf drei Folgen angelegten Serie über die Konzilien von Nicäa (325) und Konstantinopel (381):

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