Zölibat

Über die Entstehung des Pflichtzölibats

Über die Entstehung des Pflichtzölibats im ersten Jahrtausend.
Konzil von Trient
Foto: Romano Siciliani (Romano Siciliani) | Darstellung des Trienter Konzils: Kardinal Ercole Gonzaga leitet eine Sitzung in der Kirche Santa Maria Maggiore in Trient.

Wenngleich die wenigsten Gläubigen von diesem Thema selbst betroffen sind, kommt ihm im Rahmen der anhaltenden, vor allem deutschen Reformdebatten ein großer Stellenwert zu. Gemeint ist die Lebensweise katholischer Priester, die allzu oft auf Begriffe wie Ehelosigkeit und sexuelle Enthaltsamkeit reduziert wird. Dabei stellt der Zölibat in seinem grundlegenden Wesen erheblich mehr dar als nur Verzicht und Bereitschaft zum Opfer.

Zölibat - geistgewirkte Entscheidung der Kirche

Die dahinter liegenden Gründe, welche gegen alle Effekthascherei und Modernisierungswut von den Verteidigern zölibatären Lebens ins Feld geführt werden und dabei im Ganzen der seit Jahrzehnten laufenden Debatten viel zu wenig Gehör finden, haben eine lange Geschichte und eine ebenso lange überlieferte Tradition.

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Denn der Zölibat in seiner bestehenden Form ist kein sakrosanktes Gebilde oder die Erfindung einer Einzelperson; er ist vielmehr das von der Lebensweise Jesu Christi inspirierte, über Jahrhunderte der Kirchengeschichte gewachsene und schließlich – zu Beginn des zweiten christlichen Jahrtausends – festgeschriebene Produkt geistgelenkter kirchlicher Entscheidungsprozesse.

Orientierung an priesterlichen Vorgaben des Alten Testaments

Daher lohnt auch für gegenwärtige Debatten ein Blick zurück in die Geschichte, eine Betrachtung der wesentlichen Etappen hin zu einer weitreichenden, aber im Kern wohlüberlegten und begründeten Entscheidung. Wenngleich das Neue Testament noch keinen Zölibat kannte, nimmt doch die „Ehelosigkeit um des Himmelreichs willen“ (Mt 19,12) als thematisch-gedankliche Vorstufe späterer Regelungen ihren Ursprung in den Worten Jesu.

Doch selbst Er, der Sohn Gottes, der, wie die Evangelien übereinstimmend berichten, ehelos lebte und die Apostel ebenfalls dazu anhielt, dürfte sich dabei an den priesterlichen Vorgaben des Alten Testaments orientiert haben. Denn auch dort waren die Priester zumindest zeitweise zu einem von sexueller Enthaltsamkeit geprägten Leben bestimmt. Daher verwundert es nicht, dass die historisch-theologische Forschung von dort ihren Ausgangspunkt nimmt und im Rahmen der kultischen Reinheit darauf verweist, dass zunächst nicht die Ehelosigkeit der Priester von Bedeutung war, sondern ihre zeitweilige sexuelle Enthaltsamkeit.

Reinheit vor Gott

Wenngleich bisher nicht einwandfrei geklärt werden konnte, ob es eine Art des Enthaltsamkeits-Zölibats bereits in neutestamentlicher Zeit gab, erscheint eine derartige liturgisch-kulturelle Praxis doch äußerst wahrscheinlich. Der dahinterstehende Gedanke liegt in der Ehrfurcht, den kultischen Dienst in Reinheit vor Gott auszuüben; schließlich haftete dem sexuellen Akt von jeher der Makel der(Erb-)Sünde an.

Die damit verbundene Selbstbeschränkung im Sinne des bewusst gelebten Verzichts diente zudem der Fokussierung auf den Glauben und die Bereitschaft, sich diesem – zumindest zeitweilig – ganz hinzugeben; ein Aspekt, der unbestreitbar auch heute noch als eines der zentralen Argumente für die Beibehaltung des Pflichtzölibates angesehen werden kann.

Grundlegungen bei der Synode von Elvira

Kirchenrechtlich bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Synode von Elvira zu Beginn des dritten Jahrhunderts. Ende des zweiten Jahrhunderts hatte sich der Bischof als Repräsentant einer Gemeinde etabliert, sodass auf bischöflichen Synoden über theologisch und kirchenrechtlich wichtige Fragestellungen diskutiert werden konnte. Noch vor dem ersten und kirchengeschichtlich überaus bedeutsamen Konzil von Nicäa im Jahre 325, auf dem das Glaubensbekenntnis in seine feste Form gegossen wurde, waren wenige Jahre zuvor auf besagter Synode von Elvira bereits erste Regelungen zum Leben der Kleriker verabschiedet worden.

Demnach wurde es Bischöfen, Priestern und Diakonen untersagt, ehelichen Geschlechtsverkehr zu vollziehen und Kinder zu zeugen. Dies bedeutete jedoch noch keineswegs die Einführung eines Ehelosigkeits-Zölibats, sondern erst einmal eine Art konsequente Fortführung und Forcierung der Reinheits- und Enthaltsamkeitsvorschriften vorheriger Jahrzehnte und Jahrhunderte.

Tägliche Messe erfordetre stetige Reinheit der Zelebranten

Die folgenden Jahrhunderte wiederum waren geprägt von einer Etablierung der Regelungen in der alltäglichen Praxis; ein Umstand, der sich nicht immer als einfach herausstellte. So sollte erst rund siebenhundert Jahre nach der Synode von Elvira Papst Gregor VII. (1073-1085) im Rahmen der nach ihm benannten Gregorianischen Reform entschiedener gehen Ehen von Klerikern vorgehen. Doch selbst dieser Prozess hin zum heute bekannten Ehelosigkeits-Zölibat erstreckte sich über mehrere Jahrzehnte.

Als einer der Hauptgründe für die Entwicklung zu einem verpflichtenden und umfänglichen Zölibat mag wohl die Reinheit der Priester bei der Zelebration der Heiligen Messe angesehen werden. Da in dieser Zeit die tägliche Zelebration aufkam, hatte dies eine stetige Reinheit der Zelebranten zur Folge. Aber auch die Erbfrage in Bezug auf den Besitz von Klerikern spielte in die Entwicklung mit hinein. Letztlich lief alles darauf hinaus, dass Priester ganz für Christus und die Kirche leben sollten und keine familiären Verpflichtungen mehr haben durften.

Mehr als Verzicht auf Sexualität

Nach Jahrzehnten des Übergangs wurden die Regelungen schließlich noch einmal allgemeinkirchlich verbindlich vom zweiten Laterankonzil im Jahre 1139 unter Papst Innozenz II. bestätigt und auf Nonnen und geweihte Jungfrauen ausgedehnt, denen eine Heirat untersagt wurde. Betrachtet man die Beschlüsse des zweiten Konzils im Lateran genauer, so wird deutlich, dass hier eine Entwicklung festgeschrieben wurde, welche die Personen des geweihten Lebens stärker und verbindlicher vom Lebensstil der Laien trennte.

Dies galt nicht nur in puncto Zölibat, sondern auch hinsichtlich des persönlichen Besitzes sowie des Verhaltens. So wurde der Ämterkauf noch rigider bekämpft, indem diejenigen, die durch Simonie ihr Amt erlangt hatten, dieses Amtes enthoben wurden. Bischöfen und Klerikern wurde ein luxuriöser Lebensstil untersagt wie auch die Aneignung persönlichen Besitzes. Darüber hinaus durften sie fortan nicht mehr Medizin oder Recht studieren, sondern hatten sich ganz auf ihren Dienst für Christus zu konzentrieren.

Fokus auf Überlieferung und Reinheit des Evangeliums

Dennoch bildeten die Beschlüsse des zweiten Laterankonzils trotz ihrer Entschiedenheit keinen Abschluss der Entwicklung. So wurden beispielsweise erst unter Papst Innozenz III. Ehen von Klerikern als ungültig erklärt. Dem Konzil von Trient, das sicherlich eines der bedeutendsten Konzilien der Kirchengeschichte genannt werden kann, war es unter anderem ein Anliegen, die Überlieferung der Apostel zu bewahren sowie „die wahre Reinheit des Evangeliums“ herauszustellen.

Hierin zeigt sich bereits, dass das Tridentinum in vielen Punkten keine Abkehr von Entwicklungen und Entscheidungen der vorherigen Jahrhunderte suchte, sondern eine Bestätigung. Dies galt auch für den Ehelosigkeits-Zölibat, der auf diesem Konzil gegen die Einwände der Reformation bestätigt wurde.

Durchaus lässt sich sagen, dass mit der Bestätigung durch das Tridentinum für einige Jahrhunderte Ruhe in die Zölibatsfrage einkehrte. Erst im zwanzigsten Jahrhundert – und hier insbesondere mit der zunehmenden Sexualisierung und Liberalisierung der Gesellschaft – kam das Thema erneut und diesmal wesentlich vehementer auf den Tisch. So verwundert es denn auch nicht, dass die Bemühungen um die Abschaffung des Zölibats im Rahmen der anhaltenden, vor allem deutschen Reformdebatten ebenfalls einen großen Stellenwert haben, selbst wenn seit jeher die wenigsten Gläubigen von diesem Thema selbst betroffen sind.

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