Es ist ein Großprojekt direkt am Elbufer in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg: die „Ökumenischen Höfe“. Ein Areal für drei Konfessionen – evangelisch-lutherisch, reformiert und römisch-katholisch –, fünf Gemeinden, zwei Kirchen, gemeinsam genutzte Gebäude und künftig auch einen Klosterneubau der Prämonstratenser. Dazu Wohnungen, teils barrierefrei, zudem die klare Zielsetzung, sich gegenüber der weitgehend konfessionslosen Bevölkerung mit entsprechenden Angeboten zu öffnen.
Richtfest in Magdeburg
Am 8. Dezember, dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, hat das Projekt einen weiteren Meilenstein genommen: Der Orden der Prämonstratenser konnte an diesem Tag das Richtfest für den lang ersehnten Klosterneubau feiern – zumindest in kleinem Rahmen. Denn aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation musste eine große Feier ausbleiben. Nur die unmittelbar am Bau beteiligten Personen waren dabei, die Öffentlichkeit konnte nicht teilnehmen. Doch trotz der gegenwärtigen Corona-Lage durften bestimmte Traditionen nicht fehlen: Die ausführende Baufirma hatte zuvor den Richtkranz gesetzt, der Polier hielt seine Rede zum Richtfest und zerschmetterte traditionsgemäß ein Schnapsglas, auf dass das Gebäude nunmehr geschützt sei. Die Patres haben im Anschluss in einen bereitgestellten Balken einen Nagel eingeschlagen.
Eigentlich sollte es ja traditionell der letzte Nagel im Dachgebälk sein, der beim Richtfest eingeschlagen wird, doch das war bei einem aus Beton erstellten Flachdach-Bau schlicht nicht möglich. Auf historischem Gelände entsteht hier rund um die katholische Universitätskirche St. Petri und die evangelische Wallonerkirche mit den „Ökumenischen Höfen“ ein Zentrum für Austausch, Begegnung und Ökumene, das auch vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken gefördert wird.
Ein neues Priorat
1991, kurz nach der Wende, kehrten Prämonstratenser aus der Duisburger Abtei Hamborn an die Wirkungsstätte ihres Ordensgründers, des hl. Norbert von Xanten, zurück. 1996 gründeten sie hier ein Priorat, seit 1998 betreuen sie die Universitätskirche St. Petri und aktuell zwei weitere Kirchen. Derzeit wohnen die vier Patres in einer alten Kaufmannsvilla, die jedoch mittlerweile zu klein geworden ist. Das Gebäude am rechten Elbufer außerhalb des Stadtzentrums wurde nach 1945 von der Roten Armee genutzt.
Platz für Klostergäste, die eine Zeit lang in der Gemeinschaft mitleben möchten, oder gar für Novizen gibt es hier nicht. Im Klosterneubau auf dem Areal der „Ökumenischen Höfe“ sollen künftig Zimmer für vier bis sechs Patres sowie für Gäste zur Verfügung stehen. Doch das Kloster wird auch einen starken ökumenischen Akzent setzen: Der teilweise erhaltene „Lutherturm“ soll wiederaufgebaut und in das Gebäude einbezogen werden. Für seine künftige Nutzung gibt es verschiedene Ideen: So könnte er als Ort für Information und Ausstellungen dienen, auch eine Kapelle oder ein Refektorium wären denkbar.
Zwei Studentengemeinden
Eine Aussichtsplattform auf dem Dach könnte Touristen anlocken, die dann vielleicht auch auf die geistlichen Angebote aufmerksam werden. Am 24. Juni kommenden Jahres, dem Hochfest der Geburt Johannes des Täufers, wollen die Patres dann ihr neues Domizil am Schleinufer, an der so wiederbelebten Adresse Altes Fischerufer 51 beziehen – so der Plan. Damit würden die Patres in der Stadt ihres Ordensgründers als klösterliche Gemeinschaft wieder deutlich sichtbar sein und stärker wahrgenommen werden als in ihrem aktuellen Domizil.
Und der Umbau des Areals geht noch weiter: Gleich hinter dem Klosterneubau steht ein altes Gemeindehaus, errichtet zu DDR-Zeiten in den 1970er Jahren. Es soll umgestaltet und insbesondere für die Jugendarbeit und die Studentenseelsorge genutzt werden – ökumenisch, versteht sich. Auf dem Areal sind unter anderem beide Studentengemeinden, katholische wie evangelische, beheimatet. Zum Elbufer hin stehen zudem zwei Gebäude, in denen einst die Landes-Hygieneanstalt untergebracht war. Sie wurden oder werden noch zu Wohnungen umgestaltet, ein Teil davon soll für betreutes Wohnen zur Verfügung stehen.
Lebendiges Areal
Die künftigen Bewohner sollen mit dazu beitragen, dass hier ein lebendiges Areal entsteht. Das Projekt hat zudem einen klar missionarischen Charakter: Die Kirchen, die gerade in Mittel- und Ostdeutschland nur noch wenige Mitglieder haben, bündeln ihre Aktivitäten und treten nach außen hin gemeinsam auf, ohne dass konfessionelle Unterschiede eingeebnet oder verwischt werden sollen. „Man sieht hier, was man gegenseitig tun kann – in versöhnter Verschiedenheit“, sagt Pater Clemens Dölken, Prior des Magdeburger Prämonstratenserkonvents. Rund 14 Prozent der Bevölkerung bekennen sich hier noch zum Christentum – Pater Clemens spricht daher gar nicht mehr von Diaspora, sondern schon von einem „Missionsgebiet“. Doch das bietet auch Chancen, können doch die bisher kirchenfernen Bürger den christlichen Glauben als etwas ganz Neues für sich entdecken.
Auch das Bonifatiuswerk hat dieses Potential erkannt, gibt 200.000 Euro als Zuschuss für den Klosterbau. Weitere rund 92.000 Euro werden in den Umbau des Gemeindehauses fließen. Auch städtebaulich setzen die Kirchen damit ein weithin sichtbares Zeichen, wird doch ein bisher eher vernachlässigtes Quartier in der Magdeburger Altstadt wieder deutlich aufgewertet. Am Lutherturm soll beispielsweise ein historischer Durchgang mit Rundbogen in der Stadtmauer wieder geöffnet werden und als Verbindung vom Elbufer zu den Ökumenischen Höfen dienen. So wird das Gelände hoffentlich keine abgeschlossene christliche Sphäre, sondern ein lebendiger Teil der Magdeburger Innenstadt werden.
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