Menschsein setzt die Sprache der Natur voraus

Warum der neugeborene Gottessohn die biblische Schöpfungs- und Erlösungsordnung verkörpert.
Geburtsstelle Jesu in Betlehem
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Der Stern von Bethlehem ist kein Gendersternchen. Gottes Heilsplan neutralisiert die Geschlechter nicht.

Kirche ist das Dach, unter dem die „wilden Leidenschaften“ toben. Sie ist der Schauplatz des Kampfes zwischen „Autorität und Privatmeinung“, jedenfalls nach dem Kirchenverständnis des heiligen John Henry Newman (1801-90). Für das Leben der Kirche ist es seiner Ansicht nach sogar unerlässlich, dass dieser Kampfzustand „unaufhörlich aufrechterhalten“ wird. Dieses notwendige „Vorstoßen und Zurückweichen“ in der Schlacht zwischen Glaubenslehre und Vernunft ist für Newman die notwendige Form, in der sich die Annahme der Offenbarungswahrheit ereignet und Unfehlbarkeit erweist.

Moderatoren statt Zeugen

Was sich also heute auf dem „Synodalen Weg“ abspielt, ist für Newman Normalzustand. Sein eigener Beitrag bestand in der Formulierung wesentlicher Spielregeln, etwa in der Bestimmung dessen, was eine legitime Dogmenentwicklung ausmacht und was nicht. Wundern würde Newman heute also nicht die Auseinandersetzung an sich, sondern deren Verweigerung: durch Bischöfe, die keine Autorität mehr sein beziehungsweise wahrnehmen wollen, die die Wahrheit der Glaubenslehre nicht mehr bezeugen, sondern sich als Moderatoren eines ergebnisoffenen Prozesses verstehen.

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Durch Bischöfe, die ängstlich schweigen und lieber zurücktreten möchten, als die Lehre der Kirche in der Öffentlichkeit zu vertreten, oder die sich gleich mehrheitlich auf die Seite der liberalen „Privatmeinungen“ der Theologen gestellt haben. Wundern würde sich Newman über die Auflösung des Kanons der theologischen Bezeugungsinstanzen durch dem Zeitgeist entnommene Kriterien. Wundern würde sich Newman über die allseitige Hypothetisierung der Glaubenswahrheiten.

Mannsein Jesu: unrelevant?

Auch das Weihnachtsfest ist heute zur Arena des Kampfes zwischen Autorität und Privatmeinung geworden. Christus sei „für uns Mensch, nicht Mann geworden“, so die These der Verfasser des synodalen Papiers „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Im Text heißt es darum hinsichtlich der Forderung nach dem Frauenpriestertum: „Die traditionelle substanzontologische Repräsentanz Jesu Christi und ein sacerdotal-kultisches Amtspriestertum werden aufgebrochen, und in dieser soteriologischen Perspektive spielt das Mannsein Jesu Christi keine Rolle.“

Wundern würde sich Newman vor allem darüber, dass hier eine unfehlbare Lehrentscheidung des Papstes („Ordinatio Sacerdotalis“) offen abgelehnt, der Autorität das Recht auf letztinstanzliche Entscheide abgesprochen und damit faktisch das katholische Kirchenverständnis in einem wesentlichen Punkt preisgegeben wird. „Als Frau von der Christusrepräsentation ausgeschlossen zu sein, ist skandalös“, sagt der Synodentext.

Militante Vorherrschaft der Genderideologie 

Durch die militante Vorherrschaft der Genderideologie auf dem Synodalen Weg hat sich das Kampfgeschehen zudem dramatisch zugespitzt: An die Stelle von Mann und Frau, männlich und weiblich, soll nun die abstrakte Vorstellung vom „Subjekt als autonomem, selbstidentischem Individuum“ jenseits der natürlichen Geschlechterpolarität treten.

Hier steht der tiefe innere Zusammenhang von Schöpfungs- und Erlösungsordnung infrage. Der Mensch ist zweigeschlechtlich. Es gibt keine Fortexistenz der Menschheit ohne die gegenseitige Anziehung der Geschlechter, deren Bipolaritiät in der Schöpfungsordnung grundgelegt ist. Wird Gott Mensch, bedeutet dies die vollständige Annahme der menschlichen Natur. Er wählt das Menschsein zur vollständigen Übersetzung seines göttlichen Geheimnisses. Menschsein setzt eine der Freiheit entzogene Sprache der Natur voraus, denn der Mensch ist ein leibliches Wesen.

Antinatürlicher Spiritualismus

Was die Genderideologie betreibt, nannte der Philosoph Robert Spaemann „antinatürlichen Spiritualismus“. Da der Mensch weder rein biologisch noch rein spirituell sei, gelte es festzuhalten: „Freiheit außerhalb und jenseits der Grenzen der Natur ist nicht Freiheit, sondern Destruktion. Natur ist gleichsam Inhalt der Freiheit eines Wesens und die Bedingung seiner Erhaltung“ (Robert Spaemann). Die Sprache des sich als Mensch offenbarenden Gottessohnes setzt die Sprache der Schöpfung voraus, war doch bereits die Erschaffung der Welt auf die Menschwerdung Gottes ausgerichtet.

Unser einziger Zugang zu Gott ist und bleibt die Menschheit des Gottessohnes: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Johannes 1, 14).

Vorrang des marianischen Prinzips

Heute erweist sich eine von Hans Urs von Balthasar 1979 gemachte Aussage als wahrhaft prophetisch. Wobei sich der große Schweizer Theologe wohl nicht hätte träumen lassen, dass katholische Bischöfe die in der Schöpfungsordnung grundgelegte bipolare Geschlechterdifferenz bestreiten würden, als er sagte: „Vielleicht ist die Kirche aufgrund ihrer Struktur das letzte Bollwerk in der Menschheit einer echten Würdigung der Differenz der Geschlechter.“

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Worin besteht nun diese besondere Struktur? Zunächst spricht Balthasar von einer nicht relativierbaren „Repräsentation des Ursprungs durch das kirchliche Amt“. Zunächst ist damit gemeint, „sofern Christus Mann ist, repräsentiert er nochmals den Ursprung, den Vater“. Amtlich repräsentiert der Priester wiederum Christus als den Gottessohn, der in seinem Menschsein die Auslegung der Zuwendung des Vaters darstellt.
Nun lehrt aber gerade Balthasar den Vorrang des marianischen Prinzips in der Kirche vor dem amtlichen, dem petrinischen Prinzip.

Alle Strukturen werden auf Machtfrage reduziert

Die Lösung ist, dass der Glaube zuerst Geschenk und die Grundhaltung die vorbehaltlose Annahme in der fruchtbaren Anverwandlung ist. Darum hat der evangelische Theologe Peter Stuhlmacher vollkommen recht, wenn er sagt: „Die an Christus Glaubenden haben an Jesu jungfräulicher Geburt teil. Denn sie sind Menschen, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind‘ (Johannes 1, 13).“ Vollkommene Verwirklichung hat diese Haltung im Schöpfungswunder der Geburt Jesu Christi aus Maria der Jungfrau gefunden. „Der Herr wird euch von sich aus ein Zeichen geben: Seht die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (das heißt Gott mit uns) geben“ (Matthäus 1, 13 zitiert hier Jesaja 7, 4).

Vom Synodalen Weg werden alle Strukturen, auch diese hier von Balthasar erkannte, im Geiste Nietzsches auf die Machtfrage reduziert. Jenseits des erbsündlich verzerrten Blickwinkels und seiner verheerenden Folgewirkungen ist also zu fragen, wer den Vorrang hat, das marianische oder das petrinische Prinzip? Wer hat den Vorrang, fragt Balthasar: „Der beamtete Mann, sofern er Christus repräsentiert, oder die Frau, in der sich das Wesen der Kirche verkörpert – so sehr, dass jedes der Glieder der Kirche, auch der Priester, sich dem Herrn der Kirche gegenüber weiblich-empfangend verhalten muss?“

Beste geistig-leibliche Fruchtbarkeit durch Komplementarität

In seiner Antwort geht Balthasar zurück bis in das Persongeheimnis Gottes selbst, an dem der Mensch Anteil erhalten soll: „Wie im Dogma der Trinität die Personen gleicher Würde sein müssen, um die Differenz zu sichern, die den dreieinigen Gott zur subsistierenden Liebe macht, so wird die Gleichheit der Würde von Mann und Frau von der Kirche betont, damit durch die höchstmögliche Opposition der Funktionen die geistig-leibliche Fruchtbarkeit des menschlichen Wesens gewährleistet sei.“

Was der Apostel Paulus über die Schöpfungsordnung sagt, gilt ebenso auch für die Erlösungsordnung und die Kirchenstruktur: „Im Herrn ist weder die Frau unabhängig vom Mann, noch der Mann unabhängig von der Frau. Denn wie die Frau vom Mann stammt, so ist der Mann wieder durch die Frau da; alles aber stammt von Gott“ (1 Korinther 11, 11–12).

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