Glauben

Leo Scheffczyk ist noch immer eine Stimme im Sturm

Mitten im synodalen Sturm. 500 Denkanstöße von Kardinal Leo Scheffczyk gegen Orientierungslosigkeit im Glauben. Eine Stimme, die immer noch gilt.
Der 2005 verstorbene Kardinal Leo Scheffczyk
Foto: KNA | Der 2005 verstorbene Kardinal Leo Scheffczyk kritisiert frömmelnde Charismatiker, genauso wie rationalistische Deisten.

Was hat Leo Scheffczyk (1920-2005) uns heute zu sagen? Zum Beispiel Folgendes: „Eine Christenheit, die für den Glauben nicht mehr danken kann, die etwa den Glauben nur noch hinterfragt und kritisiert, hat nur noch Verbindung mit einem Rinnsal des wahren Glaubens. Es ist heute nicht die Zeit des Dankes gegenüber Gott und seinen Großtaten, sondern der Anklage gegen alles Bestehende, die Zeit der großen Weigerung, der Umwertung aller Werte, der totalen Revolutionierung aller Lebensverhältnisse und der radikalen Alternativen, und dies alles ohne jegliches Programm und klares Ziel. Die Christen könnten die Alternative zu einer aus den Fugen geratenen Welt darstellen, woraus auch Kräfte zur Bewältigung der Krise wachsen: Das Zeugnis eines Lebens, das im Dank für den Glauben reif und fruchtbar wird, kann seine Wirkung auf die Zukunft nicht verfehlen.“

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Mitten in der Krise 

Unaufgeregt aber entschieden trifft uns diese Stimme mitten in unserer selbstbereiteten synodalen Krise. Diese Stimme ist sachlich, aber deutlich. Sie agitiert nicht, sie argumentiert. Nach Themenbereichen des Glaubens gegliedert, hat Johannes Nebel aus dem Gesamtwerk von Scheffczyk Sentenzen zusammengestellt, die alle etwas gemeinsam haben: Sie heben in großer Klarheit und mit denkerischer Brillanz die Inhalte auf die eigentliche Glaubensebene. Dadurch wird der Leser zum echten katholischen Denken hingeführt. Leo Scheffczyk war ein engagierter theologischer Lehrer. Zugleich zeichneten ihn Bescheidenheit und ein absolut uneitles Auftreten aus.

Er lehrte in München von 1965 bis zu seiner Emeritierung 1985 das Fach Dogmatik. Zuvor war er an der Fakultät in Tübingen als Systematiker ein Kollege von Hans Küng gewesen. In München übernahm Scheffczyk den Lehrstuhl seines Lehrers Michael Schmaus. Bei ihm hatte er sich 1957 mit einem mariologischen Thema habilitiert. Unbeirrt von theologischen Moden hat Scheffczyk stets an der Vermittlung des Stellenwertes der Marienlehre für den katholischen Glauben festgehalten. Denn die Wahrheit über Maria und der Christusglaube sind untrennbar: „Zum lautlosen Abfall gehört auch das Schwinden des Marienglaubens unter den Christen. Von daher führt ein direkter Weg zur zentralen Häresie dieser Zeit: Zur Leugnung der Gottheit Jesu Christi, der nur noch ,von unten her?als vorbildlicher religiöser Mensch und als Prophet einer neuen menschlicheren Welt betrachtet wird”.

Was manche seiner Hörer für schlicht veraltete Theologie ansahen, stellte sich bei näherem Zusehen als organisches Lehrgebäude auf dem Boden der Kirchlichkeit der Tübinger Schule und der Lehre Kardinal Newmans von der legitimen Dogmenentwicklung dar. Zusammen mit Remigius Bäumer hat Scheffczyk 1994 das sechsbändige monumentale Marienlexikon anschließen können.

Der Leser wird zum katholischen Denken hingeführt

Bis heute handelt es sich um eine unübertroffene Fundgrube. Scheffczyks achtbändige „Katholische Dogmatik” die er mit seinem Schüler Anton Ziegenaus herausgegeben hat, ist als solides Lehrwerk anerkannt. Bei Kriegsende hatte der Priesteramtskandidat Leo Scheffczyk alles verloren: seinen Bruder im Russlandfeldzug, sein Zuhause in Beuthen und seine Heimat Oberschlesien. Geblieben ist ihm die prägende Erfahrung des Glaubenszeugnisses in der antichristlichen Diktatur als Verpflichtung zum lebenslangen mutigen Wahrheitszeugnis. Als Zeichen der Anerkennung seines umfangreichen theologischen Gesamtwerkes und seines treuen Zeugnisses wurde Scheffczyk 2001 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt. In seinen letzten Lebensjahren schonte sich Scheffczyk nicht. Unermüdlich trat er als Prediger und Vortragsredner auf.

Vor seinem Tod konnte Scheffczyk noch die Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst erleben. Mit Ratzinger war er zusammen im Priesterseminar in Freising. Ratzinger wurde wie er von Kardinal Faulhaber zum Priester geweiht. Als Fachkollege lehrte Ratzinger auch Dogmatik und schließlich wurde dann Erzbischof in München, zuletzt Präfekt der Glaubenskongregation, für die Scheffczyk vielfach als Gutachter tätig war. Abschließend noch zwei Beispiele für die Heilsamkeit der katholischen Lehre Scheffczyks. Dem wundersüchtig frömmelnden Charismatiker sagt er: „Viele der stürmischen Forderungen nach Gotteserfahrung kommen aus einer Aversion oder gar Ablehnung der Inhalte des Glaubens und ihrer Festlegungen auf ein eindeutiges Bekenntnis im Dogma.”

Glaube hält

Auf der anderen Seite tritt er aber auch entschieden einem rationalistischen Deismus entgegen: „Der christliche Glaube hält, ohne ,wundersüchtig' zu sein, am Weiterwirken Gottes in der Welt durch außerordentliche Ereignisse und Wunderheilungen fest, weil Gott in Jesus Christus immer der Lebensspender bleibt.” Zum Glauben gehört die Bereitschaft zur Selbstkorrektur. In diesem Sinne eignen sich die  Denkanstöße von Leo Scheffczyk als unbestechlicher Kompass. Denn: „Von der Richtigkeit der Begriffe hängt das Schicksal der Welt ab.“


Johannes Nebel FSO (Hrsg.): Kern-Worte des Glaubens. Kardinal Leo Scheffczyk in 500 Anregungen.
Fe-Medienverlag, Kisslegg, 2021,
154 Seiten, ISBN: 9783863573096,
EUR 9,95

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