Vorwürfe gegen Kardinal

Lehmann-Dämmerung

Die Vorwürfe gegen Kardinal Lehmann in der Mainzer Missbrauchsstudie wiegen schwer. Die Lehre muss lauten, Jesus Christus anstatt fehlbarer Menschen ins Zentrum der eigenen Verehrung zu stellen. Ein Kommentar.
Karl Kardinal Lehmann
Foto: Boris Roessler (dpa) | Dem 2018 verstorbenen Lehmann ist es nicht mehr möglich, gegen die erhobenen Vorwürfe Stellung zu beziehen.

Er galt als glänzender Theologe und Hochschullehrer, volksnaher Bischöfe sowie als gewiefter Strippenzieher an der Schnittstelle von Kirche, Politik und Medien. Doch seit dem 3. März hat sich der Blick auf den langjährigen Oberhirten von Mainz und früheren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, radikal verändert – und zwar zu dessen Nachteil.

Das Urteil hat es in sich

Denn das Urteil, das in der Missbrauchsstudie zum innerkirchlichen sexuellen Missbrauch im Bistum Mainz über Lehmanns Umgang mit eben diesem Missbrauch während seiner Amtszeit als Bischöfe von 1983 bis 2016 gefällt wird, hat es in sich. Laut den Autoren der Missbrauchsstudie mit dem Titel „Erfahren – Verstehen – Vorsorgen“ (siehe auch Seite zehn in dieser Ausgabe) habe unter Lehmann ein System eines institutionellen Selbstschutzes bestanden, das von Täterempathie und Gleichgültigkeit für die Opfer geprägt gewesen sei. Zudem schüchterte Lehmann Gläubige, die Kenntnis von sexuellem Missbrauch in der Diözese Mainz hatten, sowohl mündlich als auch schriftlich ein. Und 1993 schrieb er einem beschuldigten Priester, schwerer als der Schaden, den das von ihm missbrauchte Opfer erlitten habe, wiege der Ansehensverlust des Priestertums und der Kirche.

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Dem 2018 verstorbenen Lehmann ist es nicht mehr möglich, gegen die erhobenen Vorwürfe Stellung zu beziehen. Dafür findet seit der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie unter Lehmann bisher freundlich gesinnten Kirchen- und Medienkreisen eine große Absetzbewegung statt – inklusive zugegebener unkritischer Distanzlosigkeit, die diesem gegenüber bisweilen an den Tag gelegt worden ist.

Das Fazit aus dem Fall Lehmann muss lauten: Zum einen zu erkennen, dass sowohl bei konservativen als auch bei progressiven Bischöfe in puncto innerkirchlichem sexuellem Missbrauch der Institutionen- und Täterschutz lange Zeit oberste Priorität gehabt hat. Und dass es gerade Katholiken dringend geboten ist, anstatt sich Idole in Form von vermeintlich heiligmäßigen, in Wahrheit aber nur allzu fehlbaren Priestern, Bischöfe, Kardinälen und Päpsten zu suchen, Jesus Christus ins Zentrum der eigenen Verehrungsbedürftigkeit zu stellen.

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