Sie füllt 25 Jahre nach ihrem Tod spielend große Kinosäle: Der Dokumentarfilm „Sonnenaufgang über Kalkutta“ über Mutter Teresa wurde kürzlich im ausverkauften Kölner Filmpalast gezeigt. Dass ihre Biografie dabei kaum gestreift wurde, wäre sicher ganz nach ihrem Geschmack gewesen. Der Film dokumentiert Gespräche von Geistlichen und Laien, deren Leben sie zum Guten verändert hat. Mutter Teresa ist ein Beweis für die herausragende Stellung der Frau in der Kirche. Keine andere religiöse Institution hat im 20. Jahrhundert eine vergleichbare weibliche Ikone hervorgebracht – und zwar eine unspießige und unangepasste.
Anachronistische Courage
Diskussionen über die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit in den Sterbe- und Waisenhäusern laufen meist ins Leere. Weihbischof Dominikus Schwaderlapp argumentierte, dass langfristige Programme nicht die akute Not lindern, die der Soforthilfe bedarf. Nachhaltig im Wirken der Missionarinnen der Nächstenliebe ist vor allem die anachronistische Courage, mit der sie sich dem meistgefürchteten Feind der Moderne stellen: dem Tod. Mutter Teresa und ihre Schwestern umgibt daher eine Aura der Unangreifbarkeit, von der selbst Päpste nur träumen können. Sie dürfen traditionell katholisches Gedankengut ungestraft pflegen und bleiben trotzdem anerkannte Vorbilder.
Die mystischen Erfahrungen der Ordensgründerin und die von ihr durchlittene dunkle Nacht gefühlter Gottverlassenheit erschließen sich dem Zuschauer nur bruchstückhaft und eignen sich wohl per se wenig für ein breites Publikum. Entscheidender für die missionarische Botschaft der Heiligen ist ihre Vermittlung eines authentischen Liebesbegriffs: Den Zerrbildern, die heute mit Liebe verwechselt werden, hält sie den Gekreuzigten als Korrektiv entgegen. Die gelernte Lehrerin trat stets mit pädagogischem Anspruch auf und lebte vor, dass Liebe und Opferbereitschaft für Christen untrennbar zusammengehören. Die etwas lyrisch anmutende Bezeichnung „Engel der Armen“ täuscht: Mutter Teresa führte ein scharfes Schwert gegen die Wohlstandgesellschaft, wo diese das Lebensrecht der Ungeborenen missachtete. Dass keine ihrer Nachfolgerinnen die Rolle der Gründerin als sozialpolitische Gewissensbildnerin in der Öffentlichkeit übernommen hat, erklärte Pater Leo Maasburg, der Mutter Teresa viele Jahre begleitete, mit dem jahrzehntelangen Verbot, sich öffentlich zu äußern, das im Orden noch nachwirke. Gleichwohl – auch das zeigte die Sondervorstellung des Films – hat die Heilige Lebensrechtler weltweit gestärkt. Ihr Apostolat geht weiter – nicht zuletzt mithilfe von Laien.
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