
Rom (DT) Am Wochenende hat sich die Synodenarbeit in Rom sozusagen „verschluckt“. Es liefen noch die Beratungen über den zweiten Teil des Arbeitspapiers der Versammlung („Instrumentum laboris“), der dem „Urteilen“, den Herausforderungen der Familien von heute, gewidmet ist, und die dreizehn Sprachzirkel hatten ihre Sitzungen zu diesem Thema noch gar nicht aufgenommen – was erst gestern geschah –, da gaben bereits die ersten Synodenväter ihre Stellungnahmen zu Teil drei des „Instrumentum laboris“ ab, der sich mit dem „Handeln“ befasst – und so auch mit der Streitfrage der Kommunionzulassung der zivil Wiederverheirateten. Die Rednerliste zum wichtigen Kapitel „Urteilen“ war früher als gedacht abgearbeitet worden. So zumindest stellte Vatikansprecher Federico Lombardi den Fortgang der Synode beim täglichen Pressegespräch am vergangenen Samstag dar. Der „Problemdruck“ der dritten Verhandlungswoche scheint sich in die zweite Woche hineingestaut zu haben. Doch das sind Verfahrensfragen. Wer was sagt, wie sehr die Fronten gegeneinanderprallen – und dass es diese gibt, hat bisher niemand in Frage gestellt –, was in der Synodenaula inhaltlich geschieht, das alles wird nicht öffentlich. Die Beratungen der Synodenteilnehmer finden im geschützten Raum statt, wie es Franziskus gewollt hat, damit jeder in „Freimut“ sprechen kann und, so der Papst, der Heilige Geist sein Wirken entfalten kann.
Auch die ersten dreizehn Zwischenberichte aus den Sprachzirkeln, die am Freitag veröffentlicht wurden, nannten keine Namen, nur die Themen und Vorschläge, die in den Arbeitsrunden formuliert wurden. Das Spektrum war weit, auch weil die Herausforderungen, die sich heute den Familien stellen, von unterschiedlichster Natur sind. Erst in den kommenden Tagen wird sich herausstellen, wie viele Synodenväter sich welche Änderungen der kirchlichen Praxis wünschen. Wie Kardinal Luis Antonio Tagle aus Manila, der einer der vier delegierten Präsidenten der Synode ist, vergangene Woche vor den Journalisten sagte, seien an die dreihundert Bischöfe nicht deswegen zusammengekommen, um gar nichts zu beschließen. Die Unsicherheit über den Ausgang der dreiwöchigen Beratungen wird dadurch erhöht, dass im vatikanischen Gästehaus Santa Marta eine Art „Parallel-Synode“ stattfindet: Papst Franziskus empfängt Synodenteilnehmer und auswärtige Besucher zu Einzelgesprächen. Dem Papst kommt es am Ende zu, offene Fragen zu entscheiden und in einem abschließenden Text der gesamten Kirche mitzuteilen. Das allerdings ist das bisher größte Rätsel, das über der ganzen Synode liegt.
Noch laufen die Arbeiten nach dem vorgegebenen Schema, das – anders als bei allen vorherigen Synoden – eine dreimalige Erarbeitung von „modi“ in den einzelnen Sprachzirkeln vorsieht, die dann von der zehnköpfigen und vom Papst ernannten Kommission in die drei Hauptteile des „Instrumentum laboris“ eingearbeitet werden, so dass am Ende dem Papst ein Abschlussbericht der Synode, die „Relatio finalis“, übergeben werden kann, die noch einmal abschließend im Plenum zur Abstimmung steht. Es waren etwas interpretierbare Worte, mit denen sich Vatikansprecher Lombardi beim Pressegespräch am Samstag zu diesem Schlussdokument geäußert hat. Was die Beendung der Synode angehe, so gebe es bisher „keine vollkommene Klarheit“, meinte Lombardi und sagte weiter: „Wir werden sehen, ob der Papst hinsichtlich der Schlussabstimmung präzise Anweisungen geben wird. Die Sprachzirkel verabschieden einen Modus mit absoluter Mehrheit, die Modi fließen dann in die Arbeit der Kommission ein. Eine Zweidrittelmehrheit ist dann nur für den Schlussbericht vorgesehen“, sagte der Vatikansprecher und fügte zum Erstaunen mancher an: „...natürlich nur dann, wenn es diesen geben wird.“ Das Fazit von Lombardi: „Wir wissen noch nicht, wie der synodale Prozess enden und ob der Papst präzisere Anweisungen geben wird.“
Ist somit der formale Ausgang der Synode völlig offen, so gilt das erst recht für die Art und Weise, wie Papst Franziskus auf Grundlage des zweijährigen synodalen Prozesses sein abschließendes Wort zu Ehe und Familie in der Welt von heute sagen wird. Er kann sich viel Zeit lassen und ein postsynodales Schreiben verfassen, wie das nach den meisten Synoden der Vergangenheit der Fall war. Er kann aber auch am letzten Arbeitstag der Bischofsversammlung, am 24. Oktober, bereits umfassend – in welcher Form auch immer – das zusammenfassende und abschließende Wort zu Ehe und Familie sagen.
Immerhin wurde bei dieser Synode die Botschaft der Väter an das Volk Gottes gestrichen und ein entsprechendes Redaktionskomitee musste erst gar nicht gewählt werden – was darauf hindeutet, dass sich die Aufmerksamkeit der Weltkirche – und weit darüber hinaus – ganz auf das päpstliche Schlussdokument konzentrieren soll. Gerüchte, dass dieses Dokument bereits fertig in der Schublade liege oder gerade von einer externen Arbeitsgruppe angefertigt werde, entbehren nicht einer gewissen Bosheit, denn das würde bedeuten, dass die Arbeiten der laufenden Synode Scheinberatungen sind. Und gerade Franziskus hat sein Pontifikat mit dem Wunsch begonnen, dass die synodalen Prozesse bei der Kirchenführung aufgewertet werden sollen.