Kirche Aktuell

Jugend 2000: Nomaden am Brunnen

Wie die Jugend 2000 auch nach 30 Jahren noch Jugendliche begeistert. Von Oliver Gierens.
Jugend 2000: Gebetsvigil auf dem WJT 2019
Foto: KNA | Die Jugend 2000 zeigt, wie jung und lebendig die Kirche ist. Zum Programm der Gemeinschaft gehören auch gemeinsame Reisen zu den Weltjugendtagen, wie etwa in diesem Jahr nach Panama.

Ende der 90er Jahre fieberten gläubige Jugendliche auf der ganzen Welt dem Jahr 2000 entgegen. Es hatte etwas Faszinierendes, einen Jahrtausendwechsel mitzuerleben, und es schwang eine große Zukunftshoffnung mit, wenn wir vor fast 20 Jahren vom „Millennium“ sprachen. Der heilige Papst Johannes Paul II. reihte sich seinerzeit ein in die Schar derjenigen, die mit dem neuen Jahrtausend eine Hoffnung verbanden. Und das war nicht nur die politische Hoffnung auf mehr Frieden und Gerechtigkeit, das war vor allem der Wunsch, es möge ein Jahrtausend des Aufbruchs in der Kirche werden. „Ein neues Jahrtausend liegt vor der Kirche wie ein weiter Ozean, auf den es hinauszufahren gilt“, schrieb er in seiner zum Jahrtausendwechsel erschienenen Enzyklika „Novo Millennio ineunte“.

Eine Frucht dieses Aufbruchs ist die Jugend 2000. Diese internationale Jugendbewegung katholischer Christen entstand schon zehn Jahre vorher – 1990, ein Jahr nach dem Weltjugendtag in Santiago de Compostela. Sie sollte die Jugendlichen für Christus und seine Kirche mobilisieren und bei der Neuevangelisierung gerade in der Jugend für den nötigen Aufbruch ins neue Jahrtausend sorgen. Was ist nach 30 Jahren davon geblieben, nachdem der große Aufbruch der Jugend im Glauben bisher offenkundig ausgeblieben ist? Ein Blick auf die nüchternen Zahlen lässt da wenig Zweifel: Glaube und Kirche scheinen bei der jungen Generation auf dem Rückzug zu sein. Das bekommt auch Florian Schmutz zu spüren. Er ist Leiter der Jugend 2000 Deutschland. Und er bekommt hautnah mit, dass Katechese bei Jugendlichen heute anders ist als früher. Sie muss mehr erklären als früher, kann kaum noch Wissen voraussetzen. Das Glaubensniveau sei tiefer geworden, auch in der Jugend 2000, so Schmutz.

Doch das heißt nicht, dass junge Menschen kein Interesse mehr am Glauben hätten. „Die Jugend 2000 wächst nach wie vor“, erklärt Florian Schmutz. Mehr als 350 bis 400 junge Leute sind aktuell bereit, ein Jahr der Gemeinschaft zu schenken. Und der Freundeskreis, dem Personen aller Altersgruppen angehören können, hat über 2 500 Mitglieder. Wie viele Jugendliche in der Jugend 2000 mitmachen, ist schwer zu beziffern, weil sie kein fester Verband oder Verein ist. Gerade bei den „Holy Hours“, den Abenden mit Anbetung und Lobpreis vor dem ausgesetzten Allerheiligsten, kann jeder kommen und gehen, wie er Lust hat. Aber auch Haus- und Gebetskreise gehören dazu, ebenso regelmäßige Wallfahrten oder Reisen zu Weltjugendtagen. Und natürlich die Prayerfestivals. Beim jährlichen Internationalen Prayerfestival kommen rund 1 500 junge Christen bis 35 Jahre in einer Gebetsstätte bei Ulm (Marienfried) zu einem großem Zeltlager zusammen. In einem Zelt wird geschlafen, im anderen gegessen, und in der Mitte steht die große Zeltkirche. Hier gibt es vier Tage lang Anbetung, Talks, Lobpreis, Beichte und natürlich Heilige Messen. Und die jungen Christen sind mit Feuer dabei. Beim Lobpreis bebt das Zelt, die Beichtstühle sind ständig so voll, dass die meisten Pfarrkirchen davon nur träumen könnten, und bei der Heiligen Messe sind die jungen Menschen mit großer Ehrfurcht dabei. Die Predigt ist kein Frontalvortrag: Der Priester gehört noch zur Altersgruppe der Jugend 2000, er trägt ein Funkmikro, geht durch die Reihen und bezieht die Zuhörer mit ein. Und die „Talks“ sind keineswegs trockene Vorträge am Rednerpult. Pater Bernard Murphy von den Franziskanern der Erneuerung heizt den Jugendlichen richtig ein. Seine mitreißende Art kommt an in dieser Altersgruppe. „Be the heroes of today“ – „Seid die Helden von heute“, so ruft er sie auf, ihren Glauben mutig in der heutigen Welt zu bekennen.

Einer, der immer wieder bei Prayerfestivals dabei ist, ist Weihbischof Marian Eleganti aus dem schweizerischen Bistum Chur. Für ihn, so erzählt er entspannt auf einer Parkbank gegenüber der Zeltkirche, sei es eine Gnade, jedes Jahr immer wieder so viele junge Menschen zu sehen. Hier kämen oft tiefe Fragen auf, und er wolle den Jugendlichen helfen, sie trösten und einfach die ganze Zeit für sie da sein. Eine junge Frau hat am Abend zuvor eineinhalb Stunden mit ihm gesprochen – er hat sich die Zeit genommen. Auch Weihbischof Eleganti beobachtet, dass es viele junge Menschen gibt, die auf der Suche sind. Doch in der heutigen glaubensfernen Welt seien sie oft wie Nomaden. „Und wenn man viele Nomaden treffen will, muss man zum Brunnen gehen“, so Eleganti. Und das Prayerfestival sei so ein Brunnen, eine Wasserstelle auch für Jugendliche, die noch nicht so fest im Glauben stehen. Denn hier beginne oft der Anfang eines inneren Weges auf der Spur mit Gott, ist sich der Weihbischof sicher.

Auch für Florian Schmutz ist die Jugend 2000 längst nicht nur ein Angebot für besonders glaubensfeste Jugendliche. Sie ist papst- und lehramtstreu, marianisch und pflegt Eucharistische Anbetung, Beichte und Heilige Messe – doch das, so Schmutz, würde Jugendliche auf der Glaubenssuche nicht abhalten, hier mitzumachen. Den Ansatz anderer katholischer Jugendverbände, eher gesellschaftliche und politische Themen statt Glaubensfragen in den Vordergrund zu stellen, teilt die Jugend 2000 nicht. „Ich glaube nicht, dass Niederschwelligkeit ein Allheilmittel ist“, meint der Leiter der Jugend 2000 in Deutschland. Mit den Bischöfe arbeite die Gemeinschaft überwiegend gut zusammen. Dennoch gibt es die Jugend 2000 nicht in allen Bistümern. Der Schwerpunkt liegt vor allem im Süden und Südwesten des Landes – Augsburg, München-Freising oder Rottenburg-Stuttgart sind beispielsweise stark vertreten. In Köln hat sich vor einigen Jahren aus der Jugend 2000 heraus eine größere Vereinigung gebildet, bei der auch Gläubige jenseits der 35 dabei sein können.

Indes geht das diesjährige Internationale Prayerfestival mit einer „Challenge“, einem nicht ganz ernst gemeinten Wettkampf der verschiedenen Orga-Teams zu Ende. Auch das gehört dazu – Spaß und Unterhaltung sind kein Widerspruch zu ernsthaften religiösen Inhalten, wenn beides in einem guten Verhältnis steht. Wer hier miterlebt, wie sich junge Menschen für Jesus und seine Botschaft öffnen, wie sie mit Herz und Seele dabei sind, der spürt ganz hautnah, was Neuevangelisierung bedeutet. Das schafft die Jugend 2000 auch noch fast 30 Jahre nach ihrer Gründung. Und das nächste Prayerfestival für dieses Jahr ist fest eingeplant.

Das nächste Prayerfestival findet vom 29.–31. März in Teunz, Bistum Regensburg, statt; zum Internationalen Prayerfestival vom 7.–11. August treffen sich Jugendliche in Marienfried bei Neu-Ulm

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