Heilige Teresa von Avila - Geistliche Mutter

Paul-Werner Scheele porträtiert die heilige Teresa von Avila. Von Klaus-Peter Vosen
Heilige Teresa von Avila Statue auf der Sitzbank vor der Karmelitenkirche La Santa in Ávila
Foto: Foto: | Seite an Seite mit der heiligen Teresa über die Schrift nachzudenken und im Gespräch über Christus zu verweilen – für spirituell Interessierte eine geradezu himmlische Vorstellung.

Die heilige Teresa von Avila ist eine geistliche Leitfigur, die den Lesern ihrer Schriften solide Kost reicht. Viele haben Lehre und Leben dieser großen Heiligen als richtungweisend und erhellend erfahren. Mit ihrem gesunden geistlichen „Hausverstand“, ihrer Gottesliebe und ihrer Demut war die geistliche Mutter der unbeschuhten Karmeliten ein echtes Geschenk des Herrn an seine Kirche. Die heilige Edith Stein entschied sich nach der Lektüre der Autobiografie Teresas für Christus und die Kirche. Über die Lebensbeschreibung der Heiligen sagte sie: „Das ist die Wahrheit!“ Dieses Wort hat der emeritierte Würzburger Bischof Paul-Werner Scheele als Titel für seine Monografie über die „Madre“ gewählt. Er wünscht seinen Lesern Erfahrungen, wie Edith Stein sie gemacht hat. Oft werden sich keine so dramatischen Lebenswenden aus der Beschäftigung mit der Heiligen von Avila ergeben, doch es ist gut, diese Heilige zur spirituellen Führerin zu erwählen. Bischof Scheele ist überzeugt: „Was und wie sie Wesentliches zur Sprache bringt, kann auch heute noch bewegen und begeistern und zu dem verhelfen, was sie immer wieder angestrebt hat: zu einem Leben in der Wahrheit.“

In fünfzehn Kapiteln lässt der Autor die heilige Teresa immer wieder selbst zu Wort kommen. Scheele will letztlich nicht über sie schreiben, sondern ihre Botschaft zum Leuchten bringen, so dass die Menschen in der Welt von heute sie als hilfreiches Angebot für sich entdecken können.

Wie aktuell die „Madre“ auch heute noch ist, zeigt bewegend etwa die Darstellung, wie die Heilige in und mit der Kirche litt: Teresa machte sich große Sorgen um „unzählige Menschen“ im neuentdeckten Amerika, die „ohne Heilshilfe leben und sterben“, weil es an Missionaren fehlte, um ihnen den christlichen Glauben zu erklären oder weil sie am schlechten Beispiel der Konquistadoren Anstoß nahmen. Sie leidet unter der Kirchenspaltung, unter dem Verlust der Glaubenseinheit des Christentums in manchen Ländern durch die theologische Verwerfungen und das Versagen von Verantwortlichen im Reformzeitalter. Sie spricht von den „Häresien, die mich oft niederdrücken“, und von denen sie sagt: „Fast immer, wenn ich an sie denke, kommt mir vor, als dürfe man nur darüber Leid empfinden.“

Teresa von Avila geht also den Kreuzweg des fortlebenden Christus, der Kirche, bewusst mit. Was hat sie denen zu sagen, die heute an neuen Differenzen und inneren Spaltungen, an Erfahrungen des Priestermangels und an Unsicherheiten Verantwortlicher in der katholischen Kirche leiden? In solcher Situation rät sie schlicht, „den Heiland nicht allein zu lassen, ,zu leiden, wie auch Christus gelitten, das Kreuz hochzuhalten und es nie aus der Hand zu lassen‘“. Für die Gläubigen heute lautet die Botschaft: Wir sollen nicht resignieren. Christus ist es, der im Letzten leidet, wenn die Kirche in der Passion steht. Da Christus aber auferstanden ist, wird es auch für die Kirche immer wieder Auferstehungserfahrungen geben. Vorläufig aber ist der Ort der katholischen Christen oft jener der Gottesmutter unter dem Kreuz. Die innerliche Bewältigung von Kirchenkrisen in christlicher Perspektive, wie die Kirchenlehrerin sie fordert, kann auch für uns heutige Christen ein sehr hilfreiches Modell sein: Es kommt wahrhaft darauf an, beim Herrn zu bleiben.

Teresa von Avila tritt uns auch an anderer Stelle von Scheeles Buch als bedeutende christliche Frau vor Augen, deren Lebensmodell Taugliches für die Jetztzeit aussagt. Auch die Menschen unserer Tage haben sich eine mehr oder weniger deutliche Sehnsucht nach Freundschaft bewahrt, die etwas anderes darstellt als eine Zweckgemeinschaft zur Gewinnoptimierung und mehr als eine Aktionseinheit von Egoisten. Teresa ist vom Wert der echten Freundschaft überzeugt. Bischof Scheele schreibt, dass die Heilige geradezu „ein Genie der Freundschaft ist. Sie selber weiß sich durch echte Freundschaften reich beschenkt. Sie sind eine der wichtigsten Gnaden, die hin zum Herrn führen“. Teresa selbst gibt ihrer Überzeugung mit folgenden Sätzen Ausdruck: „Um Gott zu haben, ist es aber eine große Hilfe, mit seinen Freunden zu verkehren; man nimmt immer viel Gewinn daraus mit, das weiß ich aus Erfahrung. Wenn ich nicht in der Hölle bin, dann verdanke ich es nach dem Herrn solchen Menschen.“ Nicht nur die Heiligen hat Teresa bei ihrer hohen Wertschätzung der Freundschaft im Auge, sondern auch jene, die als Weggefährten noch auf dieser Erde leben. Die „Madre“ öffnet aber in jedem Fall Freundschaft auf Gott hin. Wenn man ihr im Glauben folgt, dass Gott, „der immer ein echter Freund ist, sofern wir nur seine Freundschaft wollen“, das Ziel unseres Weges ist, hat das eine Rückwirkung auf freundschaftliche Beziehungen von Menschen untereinander. Sie wachsen in ihrer Tiefe, Qualität und Dauerhaftigkeit, wenn sie sich auf Gott hin weiten. Denjenigen, denen es gerade darum geht, Freundschaft zu festigen und zu schützen, können nichts Besseres tun als dafür zu sorgen, dass sie immer mehr vor Gott und in Gott Freunde sind. Sie werden dann immer wieder erleben, dass, wie Teresa sagt, Gott uns immer wieder ruft auch „durch Worte, die man von guten Leuten vernimmt“.

Faszinierend ist ferner, wie die Heilige das Problem der Verknüpfung von Gebet und Arbeit löst. Teresa war mit einem Höchstmaß von anspruchsvollen Tagesaufgaben konfrontiert. In dem Kapitel „Maria und Marta“ seines Buches geht Bischof Scheele dieser Frage nach. Bei Teresa gibt es letztlich keine Aufspaltung des menschlichen Tuns in actio und contemplatio, wenn man ihre Sicht bedenkt, „dass der Herr zwischen den Kochtöpfen weilt, falls er in der Küche ist, und euch innerlich und äußerlich hilft“. Im Leben der Kirchenlehrerin wurde das sehr plastisch deutlich, als die Heilige eines Tages beim Braten von Spiegeleiern in einer Hochform der Betrachtung weilte und dabei weder den Dienst der Maria noch den der Marta auch nur ein wenig vernachlässigte.

Für unsere Zeit hoher beruflicher Anforderungen liegt in der Verbindung von beiden durch Teresa sicher eine Ermutigung: Es ist möglich, zugleich ganz Gott und den Menschen in den täglichen Pflichten zugewandt zu leben, wenn nur klar ist, dass er auch im Bereich der alltäglichen Pflichten präsent ist. Bischof Scheeles Buch bereitet Texte und Leben der Kirchenlehrerin so auf, dass Menschen von heute sich ermutigt fühlen, der großen Heiligen zu folgen.

Paul Werner Scheele: Das ist die Wahrheit. Das Zeugnis der heiligen Teresa von Avila. Echter Verlag GmbH, Würzburg 2017, 133 Seiten, ISBN 978-3-429-03954-7, EUR 9,90

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