In der Sonderausstellung des Freisinger Diözesanmuseums „San Francesco – Der Heilige aus Assisi“ nimmt eine Texttafel - nicht im Katalog aufgeführt – auf Papst Franziskus Bezug: Er habe mit der Wahl seines Namens „die Erneuerung der um Glaubwürdigkeit ringenden Kirche in der Krise“ mit dem Ziel einer „authentischen und kompromisslosen Christusnachfolge“ zum Programm erhoben. Zugleich bedeute dies aber auch: „In der Tradition seiner Vorgänger wird Franziskus erneut instrumentalisiert.“
Der Direktor des Museums, Christoph Kürzeder, schreibt, dass Papst Franziskus mit seinem Namen dem Pontifikat eine „klare kirchenpolitische und pastorale Richtung gewiesen habe, er „nutze damit aber auch die durchweg positive Popularität des Heiligen für sich und das Papsttum. Aus der Sicht eines Franziskaners könnte man hier sogar von einer Form ,kultureller Aneignung‘ sprechen.“
Päpstliches Kalkül
Dementsprechend tendenziös wird auch die Sternstunde der Kirchengeschichte, die Begegnung von charismatischer Reformbewegung und Petrusamt in dem Zueinander von Franziskus und Papst Innozenz III. herabgesetzt: Die Institution nutzte „das Potenzial des charismatischen Wanderpredigers, Asketen und Ordensgründers für die eigenen kirchen- und machtpolitischen Ziele.“ Dieses „päpstliche Kalkül“ bezeugten die Heiligsprechung 1228 nur knapp zwei Jahre nach dem Tod und die Grundsteinlegung der „monumentalen Grabeskirche“. Hier hätte man sich im Katalog einen fundierten Beitrag über die franziskanische Bewegung und das Papsttum gewünscht. Auch wäre ein chronologischer Lebenslauf von Franziskus nützlich gewesen.
Abgesehen von den Defiziten der Kommentierung, sind die Exponate sensationell. Bereits eingangs wird der Betrachter von der monumentalen Gestalt des heiligen Franziskus, noch ganz im Ikonenstil gemalt, angeblickt. Margaritone d'Arezzo hat hier bereits um 1260/75 die wesentlichen Merkmale der Christusähnlichkeit des heiligen Franziskus vereint: An den Pantokrator gemahnen das Evangelienbuch und die erhobene rechte Hand. Auf die Vereinigung mit Christus im Leiden verweisen die Wundmale an Händen und Füßen. Mit der braunen Kutte aus Wolle wird das Leben der Buße nach den evangelischen Räten herausgestellt.
Armutsfrage führte zur Spaltug
Das Thema Ordenshabit durchzieht die gesamte Schau: Neben einem Reliquiar mit einem Originalfragment des Ordensgewandes von Franziskus ist eine nachgewebte genaue Rekonstruktion seines Habits in den Originalmaßen ausgestellt. Stoffproben davon können erworben und der Webstuhl im Eingangsbereich bestaunt werden.
Die innerfranziskanischen Aueinandersetzungen über die Armutsfrage führten zur Spaltung. Es gibt neben den Franziskaner-Observanten mit strenger Armut, die schwarz gekleideten Minoriten, die gemeinschaftlichen Besitz haben dürfen. Die Kapuziner wurden 1619 als eigenständiger Orden anerkannt. Da die spitze Kapuze namensgebendes Erkennungszeichen wurde, hat auch auf den Franziskusdarstellungen die Kapuzenform eine wichtige Bedeutung. Nicht selten wurde, wenn ein Franziskusbild innerhalb der franziskanischen Familie den Besitzer wechselte, eine lange spitze Kapuze zu einer kurzen runden oder verlängert. Dies ist am Ölbild „Der heilige Franziskus in Meditation” von Caravaggio, entstanden um 1606, mit bloßem Auge zu erkennen: Der hyperrealistisch in kalten Licht angestrahlte, löchrige Habit von Franziskus hatte ursprünglich eine lange spitze Kapuzinerkapuze, die später übermalt und in die kurze Kapuze der Minoriten verwandelt wurde.
Kunstentwicklung der Franziskusdarstellung
Umgeben von sechs erzählenden Szenen ist Franziskus auf der giebelförmigen vergoldeten Holztafel von Bonaventura Berlinghieri aus dem Jahr 1235. Es handelt sich um die erste sicher datierte Darstellung des Heiligen überhaupt. Entstanden zehn Jahre nach seinem Tod und sieben Jahre nach seiner Heiligsprechung. Die Ausstellung zeigt exemplarisch mit herausragenden Exponaten die weitere Kunstentwicklung der Franziskusdarstellung. Dazu gehören neue Bildinhalte wie die mystische Ekstase, die Tröstung durch den Engel, sowie das von den Kapuzinern im Barock bevorzugte Meditieren des Büßers Franziskus mit den Attributen Totenschädel, Kruzifix, Geißel und Bibel.
Mehrere Bilder stellen die Stigmatisierung dar, die sich im September 1224 in der Einsiedelei auf dem Berg La Verna zugetragen hat. Zu den frühesten Darstellungen gehört eine Tafel von 1240/50, die den Befehl des Generalkapitels von 1266 überlebt hat, alle frühen Franziskusbilder und Biographien ausnahmslos zu vernichten. Den Wandel macht das leider schlecht erhaltene Ölgemälde von Tizian von 1561 deutlich. Allein die Sacra Conversatio des Florentiners Francesco Botticini von 1483 mit Franzsikus, Hieronymus, Antonius von Padua und Ludwig von Toulouse, die drei Heiligen aus dem Polyptychon von Montefiore dell'Aso von Carlo Crivelli (um 1471) mit einer unvergleichlich zarten heiligen Clara, sowie das Triptychon mit Heimsuchung, Kreuzigung, Johannes dem Täufer und Franziskus ebenfalls von Crivelli (um 1471) mit einem fantastisch erhaltenen Renaissancerahmen lohnen die Anreise.
Auch Szenen aus Franziskusfilm werden gezeigt
Eingerahmt wird die Ausstellung von zwei eingespielten Szenen aus dem Franziskusfilm „Bruder Sonne, Schwester Mond” des italienischen Regisseurs Franco Zeffirelli von 1972. Zu Recht im Katalog hervorgehoben wird das von Margaritone d'Arezzo gemalte monumentale Kruzifix mit dem Sieger über Leiden und Tod mit erhobenem Kopf und offenen Augen von 1255.
Was die Ausstellungsmacher, ausgehend von italienischen Vorgängerschauen und unter Verwendung italienischer Bildbeschreibungen, hier dem Besucher zugänglich gemacht haben, ist im Hinblick auf das Thema Franziskus in der Kunst und hinsichtlich der italienischen Tafelmalerei kaum auszuschöpfen.
Die Ausstellung ist bis zum 7. Januar 2024 zu sehen. Dienstag bis Sonntag von 10 Uhr bis 18 Uhr. Der Katalog kostet 39,50 Euro https://www.dimu-freising.de/ausstellungen/francesco
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