Nach einem Jahr Unterbrechung hat sich ein lange bekannter Trend fortgesetzt: Es stiegen 2021 erneut zugleich die Zahl der Kirchenaustritte und das Kirchensteueraufkommen. Heimlich und verschämt wurde in der vergangenen Woche die Höhe der Kirchensteuereinnahmen veröffentlicht. Fast wäre man versucht, den Bischöfen zu raten, mehr Menschen aus der Kirche zu vertreiben, weil damit die Einnahmen weiter steigen. Doch so absurd ist selbst die Kirchensteuer nicht.
Die Konjunkturdynamik allein liefert keine Erklärung
Eine Studie prognostiziert für das Jahr 2060 eine kaufkraftbereinigte Halbierung der Einnahmen aus der Kirchensteuer. Auch hier dürfen Zweifel angemeldet werden, denn auch diese Studie krankt an dem Manko, dass es keine validen Sozialstudien gibt, die beleuchten, wer eigentlich aus der Kirche austritt und warum. Unklar ist ebenfalls, wer in der Kirche bleibt und weiter Steuern zahlt und warum. Sicher anzunehmen ist, dass es sich bei den Mehreinnahmen der Vergangenheit um Folgen einer positiven Konjunkturentwicklung handelte. Den anhaltenden Zusammenhang von immer weniger Steuerzahlern bei dennoch stetig steigenden Einnahmen, kann jedoch die Konjunkturdynamik allein nicht erklären.
Die verschiedenen Theorien, warum Austritte aus der Kirche sich nicht auf das Kirchensteueraufkommen auswirken, sind bis dato nichts als ein Stochern im Nebel. Dabei ist das Risiko für die Kirchenfinanzen leicht erkennbar, wenn schon bei derzeit noch komfortablen Einnahmen in einigen Bistümern Sparzwang herrscht. Die unklare Dynamik könnte dazu führen, dass das Kirchensteueraufkommen sehr plötzlich implodiert und einige Bistümer in eine existentielle Krise führen. Dieses Szenario wird umso wahrscheinlicher als die Generation der Babyboomer in den kommenden Jahren in Rente geht und sich definitiv aus dem Kreis der treuen Kirchensteuerzahler verabschiedet.
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