Sollte Sisyphos nach einem Zweitjob suchen, fände er unweit der Stadt Šiauliai eine ideale Beschäftigung, nicht ganz so schweißtreibend wie sein Hauptberuf, aber ebenso ertraglos und ohne absehbares Ende. Statt auf ewig einen Felsblock hinaufzuwälzen, der, fast am Gipfel angelangt, jedes Mal wieder ins Tal rollt, müsste er nur Kreuze zählen. Nur? Entschlossene Studenten der Universität Vilnius, die es Mitte der 1990er-Jahre einmal versucht hatten, kapitulierten bei 60 000. In einem gewaltigen Gestöber aus Kreuzen und Kruzifixen aller Größen, Farben und Materialien hatten sie vollends den Überblick verloren.
Ein Hügel voller Hoffnung
Auf der Landkarte des Glaubens verdient eine Pilgerstätte im Norden Litauens eine besonders dicke Markierung: Kryžių kalnas, der Berg der Kreuze. Von Nicole Quint
