Sarajevo (DT) Österreichs Bischofskonferenz hat in der Vergangenheit zeichenhaft auch schon in Jerusalem und in Brüssel getagt, in dieser Woche nun erstmals in Sarajevo. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn feierte am Sonntagabend die Messe in der Kathedrale von Sarajevo, in der den Bischöfe Bosniens eine Reliquie des 2004 seliggesprochenen Kaisers Karl übergeben wurde: Mit seiner Regierungszeit endete 1918 auch die völkerumspannende Habsburger-Monarchie, der zuletzt auch Bosnien und die Herzegowina angehört hatten. Am Montag tagten die Mitglieder der österreichischen und der bosnisch-herzegowinischen Bischofskonferenz gemeinsam.
Der Tagungsort solle deutlich machen, „dass die Katholiken in Bosnien-Herzegowina in ihrer bedrängten Situation nicht allein gelassen sind“, meint der Bischöfe von Gurk-Klagenfurt, Alois Schwarz, gegenüber der „Tagespost“. Seine Diözese pflegt seit Jahren eine enge Partnerschaft mit der Erzdiözese Sarajevo. „Die katholische Kirche in Bosnien-Herzegowina leidet nach wie vor an den Auswirkungen des Krieges. Durch ihn hat sich die Anzahl der Katholiken halbiert. In der Erzdiözese Sarajevo leben nur mehr 200 000 Katholiken“, so Schwarz. Aber auch als Minderheit leiste die katholische Kirche viel. „So wurde in den letzten Jahren ein Haus für alte und kranke Priester errichtet, die katholischen Schulen sind für alle Ethnien offen, die Einrichtungen der Caritas können von allen in Anspruch genommen werden, ein großes Jugendzentrum wurde in Sarajevo errichtet, derzeit baut die Caritas ein großzügiges Seniorenwohnheim.“
Dass sich der Islam in Bosnien, dem rund die Hälfte der Einwohner zugerechnet werden, seit dem 1995 beendeten Krieg gewandelt hat, nimmt auch Bischöfe Schwarz wahr: „Durch den Einfluss aus dem arabischen Raum hat sich der Islam verändert, Fundamentalistisches ist spürbarer geworden. Auch die finanzielle Unterstützung aus den arabischen Ländern ermöglicht es dem Islam, sich auszubreiten und seinen Einfluss zu vergrößern. Das macht die Lage der Katholiken in Bosnien-Herzegowina nochmals schwieriger.“ Zudem zwinge die hohe Arbeitslosigkeit viele Menschen, ins Ausland abzuwandern: „Da die Katholiken in Bosnien-Herzegowina grundsätzlich Kroaten sind, trifft diese Abwanderung ins benachbarte Kroatien oder in andere Länder die katholische Kirche besonders“, so Schwarz gegenüber dieser Zeitung. Bosnien-Herzegowinas Katholiken kommen leicht an kroatische Pässe – damit aber steht ihnen die gesamte EU als Studienort oder Arbeitsmarkt offen. Zu den Kriegsflüchtlingen kommen nun also noch die Arbeitsmigranten, die in ihrer Heimat keine wirtschaftliche Chance sehen. Lebten vor Beginn des Krieges 1991 noch 812 256 Katholiken in dem multireligiösen Land, so sind es heute nur mehr 376 134.
Bischöfe Schwarz skizziert gegenüber der „Tagespost“ Vision und Gefahr: „Es muss seitens der katholischen Kirche der Politik in der EU deutlich gemacht werden, dass eine Aufnahme Bosnien-Herzegowinas in die EU für das Land hilfreich wäre. Es sollte Österreich und Europa auch klar sein, was es bedeutet, ein von einem fundamentalistischen Islam geprägtes Bosnien-Herzegowina zuzulassen.“ Besonders dramatisch ist die Lage der katholischen Kirche in der „Republika Srpska“, dem serbischen Landesteil: Durch den Krieg, die Vertreibungen und die Verunmöglichung einer Rückkehr ging die Zahl der Katholiken von 152 856 im Jahr 1991 auf heute 8 369 zurück. „Die katholische Kirche wurde hier ausradiert, obwohl wir friedfertig waren“, sagte der Bischöfe von Banja Luka, Franjo Komarica, am Montag im Gespräch mit Journalisten in Sarajevo. 95 Prozent aller seiner Kirchen und Klöster seien zerstört oder stark beschädigt worden. „Keine Diözese in Europa wurde so sehr zerstört wie meine Diözese.“ Bischöfe Komarica macht dafür nicht nur die serbischen Kriegsverbrecher um Radovan Karadzic und Ratko Mladic verantwortlich: Die internationale Staatengemeinschaft wolle in Bosnien „ein kontrolliertes Chaos“ haben. Der Friedensvertrag von Dayton, der 1995 den Krieg beendete, habe „die Kriegsverbrecher belohnt und die Opfer bestraft“. Komarica ist überzeugt: „Unsere Politiker sind nur Figuren in der Hand der internationalen Politiker, in der Hand jener, deren Interessen hier aufeinanderprallten.“
Während des Bosnien-Krieges habe er gemeinsame Appelle mit dem serbisch-orthodoxen Bischöfe und dem muslimischen Mufti für Frieden und gegen Gewalt publiziert. Diese Einheit sei jedoch durch die Nähe der serbischen Orthodoxe Kirchen zum Regime der „Republika Srpska“ zerbrochen. Die anderen Glaubensgemeinschaften seien abhängig von den egoistischen Interessen der Politiker, meint der Bischöfe von Banja Luka, der zwar seine Kirchen größtenteils nicht wieder aufbauen darf, jedoch tausende Häuser und Wohnungen für die Bevölkerung errichtete und soziale Einrichtungen für alle schuf. „Wir sind gezwungen, viele Aufgaben der Politiker zu übernehmen.“ Seine Priester seien Helfer der Menschen in allen Lebenslagen. Die Politik verhindere die Heimkehr der vertriebenen Katholiken, gleichzeitig halte die Emigration an: „Viele können die Absurdität dieses Landes nicht mehr ertragen.“
Die sieben Schulen der katholischen Kirche, die Schülern aller Religionen offenstehen, haben zum Abbau des Misstrauens beigetragen. In Banja Luka sind drei Viertel aller Schüler Serben, in Bihac ist die Mehrheit an der Schule muslimisch. Weil diese Schule aus finanziellen Gründen jetzt von der Schließung bedroht ist, gleichzeitig aber mehrere arabische Staaten Schulprojekte betreiben, habe ihm der Großmufti von Sarajevo Unterstützung angeboten, berichtet Komarica. Die Regierung der „Republika Srpska“ dagegen blockiere und behindere alle sozialen Aktivitäten der Kirche. Bischöfe Komarica wundert sich: Nach der Befreiung von der osmanischen Herrschaft hätten die Österreicher die westeuropäische Zivilisation nach Bosnien gebracht. „Warum sind die Europäer von heute so viel weniger klug als die Österreicher damals?“
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