Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella hätte nicht in der ersten Reihe der Ehrengäste sitzen zu müssen, um deutlich zu machen, dass das katholische Rom wieder Feste feiern kann, „wie es sich gehört“. Und wie es vor den Corona-Zeiten üblich war. Schon Ostern – mit der Palmsonntagsliturgie und der Auferstehungsfeier auf dem Petersplatz – war die alte Normalität zurückgekehrt. Und auch am vergangenen Sonntag stimmte die Kulisse. Vor Zehntausenden von Menschen, bei strahlendem Sonnenschein und den üblichen Porträts an der Fassade des Petersdoms, erklärte Papst Franziskus zehn Selige zu neuen Heiligen der ganzen Kirche: Unter ihnen den Einsiedler in der Wüste, Charles de Foucauld, auf den sich heute elf Ordensgemeinschaften der Kirche berufen. Oder den Karmeliter-Pater Titus Brandsma, der die katholischen Redaktionen in den Niederlanden ermunterte, sich dem Druck des Nazi-Regimes zu widersetzen und 1942 im Konzentrationslager Dachau zu Tode gespritzt wurde. Sowie weitere Selige, von denen die meisten geistliche Gemeinschaften gegründet hatten.
Leuchtende Vorbilder auf den Altären
Papst Franziskus machte aber auch deutlich, dass die würdige Feier, bei der er zum „Bad in der Menge“ mit dem Papamobil wieder über den Petersplatz hinaus weit in die Via della Conciliazione hineinfahren konnte, nicht in unbeschwerten Zeiten stattfindet: Vor dem abschließenden Gebet des „Regina Coeli“ begrüßte er die offiziellen Delegationen, die aus den einzelnen Herkunftsländern der neuen Heiligen gekommen waren, mit den Worten, es sei schön, dass die leuchtenden Vorbilder auf den Altären „mit ihrem Zeugnis den geistlichen und sozialen Wachstum der betreffenden Nationen und auch der ganzen Menschheitsfamilie gefördert haben. Während in der Welt traurigerweise die Trennungen zunehmen und sich die Spannungen und Kriege mehren, inspirieren die neuen Heiligen zu gemeinschaftlichen Lösungen, zu Wegen des Dialogs, insbesondere in den Herzen und Köpfen derer, die Aufgaben mit großer Verantwortung tragen und gerufen sind, Protagonisten des Friedens und nicht des Kriegs zu sein“.
Zuvor hatte Franziskus während des feierlichen Gottesdienstes über die Heiligkeit gepredigt. Im Mittelpunkt stehe dabei die Erkenntnis, dass nicht Fähigkeiten und Verdienste im Mittelpunkt stünden, sondern die Tatsache, dass der Mensch zuerst von Gott geliebt sei. „Am Anfang unseres Christseins“, sagte der Papst, „stehen nicht Lehren und Werke, sondern das Staunen über die Entdeckung, dass wir geliebt werden, noch vor jeder Antwort von unserer Seite. Während die Welt uns oft davon überzeugen will, dass wir nur dann einen Wert besitzen, wenn wir Ergebnisse erzielen, erinnert uns das Evangelium an die Wahrheit des Lebens: Wir werden geliebt. Das ist unser Wert: Wir werden geliebt.“
Die Stimme der ewigen Liebe
Franziskus zitierte in diesem Zusammenhang einen „spirituellen Meister“ der heutigen Zeit, Henry Nouwen, mit den Worten: „Noch bevor uns ein Mensch sah, wurden wir von den liebenden Augen Gottes gesehen. Noch bevor uns jemand weinen oder lachen hörte, wurden wir von unserem Gott gehört, der ganz Ohr für uns ist. Noch bevor irgendjemand in dieser Welt zu uns sprach, sprach die Stimme der ewigen Liebe bereits zu uns.“
Diese Wahrheit, so meinte der Papst weiter, eben von Gott Geliebte zu sein, widerspreche einer „mitunter zu pelagianischen Sicht des Lebens und der Heiligkeit“. Heiligkeit bestehe nicht aus ein paar heroischen Gesten, sondern aus viel täglicher Liebe. Oft habe man die Heiligkeit zu einem unerreichbaren Ziel gemacht, „wir haben sie vom Alltag getrennt, anstatt sie im Alltäglichen zu suchen und zu umarmen, im Staub der Straße, in den Mühen des konkreten Lebens und, wie Teresa von Ávila zu ihren Schwestern zu sagen pflegte, ,zwischen den Kochtöpfen‘. Jünger Jesu zu sein und den Weg der Heiligkeit zu gehen, bedeutet vor allem, sich von der Kraft der Liebe Gottes verwandeln zu lassen“.
Audienz im Rollstuhl
Dass Papst Franziskus nun noch eine andere „Mühe des Alltags“ zu meistern hat, ist in Rom inzwischen zum gewohnten Bild geworden. Die meisten Audienzen und Begegnungen absolviert der Papst im Rollstuhl. Was ihn allerdings nicht hindert, an den Audienztagen eine Gruppe nach der anderen oder gleich mehrere Staatsgäste zu empfangen.
Die wenigen Schritte, die er am Sonntag vom Auto zum Altar zurücklegen musste, an dem er stehend die Messe zelebrierte, konnte er nur mithilfe seiner Begleiter tun. Die starken Schmerzen im Knie werden ihn laut Ankündigung des Vatikans auch nicht davon abhalten, im Juli für sechs Tage durch Kanada zu reisen.
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