Hostien, Seife, Mehl, Toilettenpapier, Kerzen. Es ist eine bunte Mischung an Dingen, die die Frauen in farbigen Gewändern und Männer in Hemden auf ihren Köpfen singend und tanzend zum Altar tragen. Jeder bringt an Gaben für die Wallfahrtsstätte Kibeho, was er kann – auch wenn das für manche nicht viel ist. Selbst Bauern, die am Existenzminimum leben, schleppen einen Sack Kartoffeln zum Altar.
Maria als "Mutter des Wortes"
Vor 41 Jahren, am 28. November 1981, erschien die Mutter Gottes der Schülerin Alphonsine Mumureke in dem unscheinbaren Kibeho, in den Bergen Ruandas gelegen, später auch zwei anderen Schülerinnen, Nathalie Mukamazimpaka und Marie Claire Mukangango, die Alphonsine für die Berichte über die Marienerscheinung zuvor noch verspottet hatte. Die Erscheinungen wurden durch eine medizinische und eine theologische Kommission geprüft und schließlich vom damaligen Bischof der Diözese, Augustin Misago, im Jahr 2001 anerkannt.
Die Mutter Gottes, die sich den Mädchen als „Mutter des Wortes“ vorstellte, erschien den Mädchen je einzeln über verschiedene Zeiträume hinweg, die längsten Erscheinungen dauerten acht Jahre. Sie rief die drei Mädchen in der Landessprache Kinyarwanda dazu auf, den Menschen in Ruanda und der ganzen Welt zu verkündigen, sich zu Gott zu bekehren, Christen aufzufordern, aufrichtig anstatt mit leeren Worten zu beten und den Barmherzigkeitsrosenkranz zu verbreiten.
Reif für die Mission
In der Botschaft von Kibeho sieht Pater Francois Harelimana SAC, Direktor der Wallfahrtsstätte, einerseits eine einzigartige und doch eine Übereinstimmung und Weiterführung früherer Marienerscheinungen, insbesondere der von Fatima. „Die Mutter Gottes erscheint immer als dieselbe, aber unter unterschiedlichen Titeln. In Kibeho hat sie sich das erste Mal als „Mutter des Wortes‘ vorgestellt, gleichsam Mutter Gottes. Es drückt ihre Mission aus: Immer Dienerin Gottes zu sein.“
Mit der kirchlichen Anerkennung der Erscheinungen in Kibeho bekam Afrika seinen ersten und bisher einzigen offiziellen Wallfahrtsort. „Das ist ein großes Zeichen der Unterstützung für die Gläubigen in Afrika. Es zeigt, dass die Kirche hier reif genug ist, die Frohe Botschaft durch ihren missionarischen Geist zu verkündigen“, so Pater Francois SAC.
Stille Gesten, großer Glaube
Gut 20 000 Pilger aus den verschiedenen Nationen vor allem aus Afrika, Europa, Amerika und Asien sind nach Kibeho gereist, um den 41. Jahrestag der ersten Marienerscheinungen in Kibeho zu feiern. Es gibt nicht genügend Schlafplätze für alle, weshalb viele Pilger aus den verschiedenen afrikanischen Ländern unter freiem Himmel übernachten. Auch ein Busticket kann sich nicht jeder leisten, doch das hält die Gläubigen nicht davon ab, trotzdem nach Kibeho zu pilgern – zu Fuß, teils mehrere Tage. Es sind die stillen Gesten, die den großen Glauben der Pilger zeigen. Doch wenn sie beten wird es laut.
Schon aus der Ferne sind die lauten Rufe, das Jubeln, das Klatschen vom Kreuzberg zu vernehmen. Über der Kuppe des grünen Hügels findet sich eine Gruppe von Gläubigen, die mit allem beten, was sie sind: Einige strecken die Hände mit geschlossenen Augen Richtung Himmel und rufen laut ihre Gebete, andere laufen umher, während sie immer wieder das gleiche vor sich hinmurmeln, andere liegen schweigend auf dem Boden, den Körper Richtung silbernes Kreuz ausgestreckt, das hoch in den Himmel ragt, über dem sich dunkle Wolken zusammenbrauen. Drei Frauen lehnen sich, die Köpfe gesenkt gegen die Füße Jesu, und beten leise, als wären sie selbst teil der Passion. Die Fürbittzettel, die die Leute aus aller Welt zu den Füßen der Passion gelegt haben, flattern vom Wind verteilt über den Boden. Wenn jemand ein Bild namens „geistiger Kampf“ malen würde, es würde wohl so aussehen.
Ein Wunder nach der Pilgerfahrt
Die Szene unter dem Kreuz ist es, die auch der Bischof der Diözese, Célestin Hakizimana, in seiner Predigt aufgreift: „Genauso wie Johannes Maria unter dem Kreuz angenommen hat, sollen auch wir die Mutter Gottes zu uns aufnehmen.“ In die Worte des Bischofs mischt sich das konstante Trommeln, das aus der Ferne dumpf zu den Gottesdienstbesuchern dringt – ein Ruf, der die Menschen in die Kirche einladen soll. „Genauso wie Johannes Maria unter dem Kreuz angenommen hat, sollen wir die Mutter Gottes aufnehmen in all unsere Gewohnheiten, in unser Leben.“
Dass die Annahme der Botschaft von Kibeho Veränderung bewirken kann, sieht Eric Amugabe aus Uganda, 42, in seinem Leben bestätigt. Im Oktober dieses Jahres kam er zum ersten Mal nach Kibeho. Seitdem möchte er jeden Monat dorthin gehen – obwohl der Wallfahrtsort 500 Kilometer von seiner Heimat entfernt ist. Denn: „Ich hatte meine Tochter und meine Frau 12 Jahre nicht gesehen. Als ich von meiner ersten Reise aus Kibeho zurückgekehrt bin, hat mich meine Frau zum ersten Mal seit zwölf Jahren angerufen. Und ich durfte meine Tochter zum ersten Mal wieder sehen. Das war ein Wunder.“ Dass Amugabe Adventist ist, hält ihn nicht davon ab, an einen katholischen Wallfahrtsort zu pilgern.
Afrikaner lobpreisen mit ihrem ganzen Körper
So wie sich die Rosen, die in den Botschaften der Mutter Gottes immer wieder mit den Gläubigen verglichen wurden, in rot, lila, orange, pink wie ein bunter Teppich um den Altar legen, so vermischen sich die Menschen in ihren verschiedenen traditionellen Kleidern zu einem bunten wippendem Meer aus Lobpreis: Sie tanzen, klatschen, singen und stoßen immer wieder den afrikanischen Jubellaut aus, der sich wie eine Welle von der einen Seite der Menge zur anderen trägt und immer stärker anschwillt.
Der Lobpreis der afrikanischen Pilger ist einer mit dem ganzen Körper. Die unbändige Freude der Gläubigen aus Afrika schwappt auch auf die anderen über: Eine Kamerafrau wischt sich während des Lobpreises mit ihrem Ärmel die Tränen aus den Augen.
Freude am Evangelium
Auch die 55-jährige aus den USA stammende Laurie Murdock ist tief bewegt von der Pilgerreise: „Die Menschen hier haben solche Freude am Evangelium und an der Mutter Gottes. Es ist wunderschön, das zu sehen.“ Von Kibeho hat sie über eine aus Ruanda stammende Rednerin und Autorin erfahren, die Pilgerreisen in das Land organisiert. „Als ich davon gehört habe, habe ich mich gerufen gefühlt zu kommen.“ Die wichtigste, wenn auch einfachste Botschaft für die Kalifornierin: „Beten, beten, beten.“ Etwas, das sie sich selbst zu Herzen nimmt, indem sie wie früher wieder täglich zur eucharistischen Anbetung gehen möchte.
Pater Francois schickt die Pilger auf ihren Heimweg mit dem Auftrag, die Frohe Botschaft weiterzutragen: „Der Himmel ist in Kibeho auf die Erde gekommen, damit wir in den Himmel kommen. Teilt die Botschaft der Hoffnung! Ihr habt euch dazu entschieden, die Rosen der Mutter Gottes zu sein und den Duft des christlichen Glaubens zu versprühen.“
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