Immer wieder behaupten auch katholische Theologen , dass es für ein Priestertum im Neuen Bund keine biblische Grundlage gäbe. Dagegen halten andere an der kirchlichen Lehre fest, dass die Einsetzung einer kirchlichen Hierarchie im Neuen Testament und in der apostolischen Überlieferung begründet sei. Noch im Sommer gestand der Alttestamentler Karl Jaroš aber zu, „dass das Neue Testament für die an Christus Glaubenden keine Priester im Sinne der hellenistisch-römischen Religionen, aber auch nicht im Sinne der jüdischen Religion kennt, wie sie sich bis 70 n. Chr. darstellte“.
Christus, der Hohe-Priester
Dass Jesus Christus Hoher-Priester (arch-iereús) war, ist das besondere Thema des Hebräerbriefes, den Kardinal Albert Vanhoye SJ als bedeutender Exeget ausgelegt hat (etwa in: Prêtres anciens, prêtre nouveau selon le Nouveau Testament, Paris, 1980). Nach einem ersten, hinführenden Teil legen die ersten beiden Kapitel des Hebräerbriefes die bekannte Lehre dar, dass Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Am Ende steht die neue und daher zu begründende Bezeichnung als „barmherziger und beglaubigter Hoherpriester“ (2,17).
Der Priester als Mittler zwischen Gott und Mensch muss sowohl von oben her autorisiert, als auch von unten her mitleidend sein „mit den Unwissenden und Irrenden, da er selbst von Schwachheit umgeben ist“ (5,2). So zeigt der Hebräerbrief in einem zweiten Teil, dass Jesus „ebenso wie Mose“ (3,2) autorisiert ist, um dem Haus Israel die Offenbarung Gottes zu verkünden – eine priesterliche Aufgabe! –, und dass er „ebenso wie Aaron“ (5,4) bestellt war, Gott Opfer und Gaben darzubringen für die Sünden.
Priester als Vermittler zwischen Gott und Mensch
In der Liturgie nennt man Segen und Verkündigung die katabatische Bewegung, die Darbringung des Opfers und den Lobpreis die anabatische Bewegung. So vermittelt der priesterliche Dienst die Verbindung zwischen Gott und Mensch. In den Kapiteln drei bis fünf zeigt der Hebräerbrief, dass die Bezeichnung Jesu als Hoherpriester nach den Kategorien des Sinai-Bundes zutrifft. Erst in dem dritten, zentralen Teil der Kapitel sieben bis zehn wird dargelegt, dass das Opfer Christi die früheren Opfer eines Bundes, der „für veraltet erklärt ... und dem Verschwinden nahe ist“ (8,13), übertrifft. Aber die Theologie des Versöhnungsopfers und die Vorstellung des Eintretens in das Heiligtum durch das an den Altar gegossene Blut, bleiben gleich.
Diese Symbolik des auf dem Altar dargebrachten Opfers teilt das Neue Testament nach 1 Korinther 10,18 sowohl mit dem Alten Bund wie auch mit dem Opferkult der Heiden (Vers 21). Die häufige Behauptung, dass das „Opfer“ des Neuen Bundes von Gott den Menschen geschenkt und nicht von Menschen Gott dargebracht wird, widerspricht nicht nur dem Hebräerbrief, sondern auch dem Johannesevangelium, das in Jesu Hingabe am Kreuz das geschlachtete Paschalamm sieht (Joh 19,36; vgl. Joh 1,29; 1 Kor 5,7), und vor allem den Abendmahlsberichten, wonach Jesus seinen hingegebenen Leib und sein zur Vergebung der Sünden ausgegossenes Blut den Aposteln anvertraut.
Priesterliche Vollendung durch Passion
Hierin erfüllte sich das Vorbild der Erlösung aus der Sklaverei dieser Welt durch das Lamm, das die Männer Israels im Vorhof des Tempels schlachteten und dessen Blut die Priester an den Altar gegossen haben. Die Worte über Brot und Wein im Abendmahlssaal beziehen sich auf das geschlachtete Lamm und erfüllen sich durch das Opfer am Kreuz. Die Rede vom hingegebenen Leib und vom ausgegossenen Blut kann nur im Zusammenhang mit dem Opfer des Lammes am Pessachfest verstanden werden.
Christus übergibt seinen am Kreuz hingegebenen Leib und das dort ausgegossene Blut schon am Vorabend seinen Aposteln. Die Opfergaben werden zur Darbringung übergeben! Die Hände Aarons und seiner Söhne werden in Exodus 29,9 mit den Opfergaben gefüllt, womit sie zu Priestern geweiht werden. Das Fachwort für diese „Erfüllung“ (Ex 29,26f) dient im Hebräerbrief für die priesterliche Vollendung, die Christus durch seine Passion erlangte (2,10; 5,9). In dieselbe Vollendung kann er auch die Seinen führen (10,1.14).
Altar Christi ersetzt Altar der vorläufigen Opfer im Tempel
Die zentrale Stelle des Hebräerbriefes sagt, dass Jesus durch sein eigenes Blut ein für allemal in das Heiligtum eingetreten ist, da er eine ewige Erlösung gefunden hat, indem er sich selbst als makelloses Opfer im ewigen Geist dargebracht hat (9,11-14). Damit ist das Vorbild des großen Versöhnungstages erfüllt, an dem der Hohepriester in das innere Zelt eintrat durch das Blut des Opfertieres, auf welches das Los des Herrn fiel (nicht der sogenannte Sündenbock, der in die Wüste gesandt wurde!).
Aufgrund seines besonderen Themas geht der Hebräerbrief nicht näher auf die Darbringung des Opfers Christi in der Kirche ein, geht aber wie selbstverständlich von den eucharistischen Gaben (10,19f) und einem Altar (13,10) aus. Dass dieser Altar nicht nur symbolisch verstanden werden kann, ergibt sich aus dem Kontext: Nur wenn Altar gegen Altar steht, dürfen diejenigen, die dem Zelt dienen, nicht von unserem Altar kommunizieren. Der Altar mit den Opfergaben Christi ersetzt den Altar der vorläufigen Opfer im Tempel.
Kirchliche Hierarchie gründet in ihrer sakramentalen Verfasstheit
Die Kirche lehrt mit guter biblischer Grundlage: „Wenn einer sagt, dass Christus mit jenen Worten: ,Tut dies zu meinem Gedenken!‘ die Apostel nicht zu Priestern eingesetzt und nicht geweiht hat, damit sie und die anderen Priester seinen Leib und sein Blut darbrächten, der sei im Bann“ (DS 1752).
Darauf baut auch das Dekret des Zweiten Vatikanums über den Dienst und das Leben der Priester auf (PO Nr. 2). Die eigentliche Begründung der hierarchischen Struktur der Kirche liegt in ihrer sakramentalen Verfasstheit, näherhin im Geheimnis der Eucharistie.
Auferbauung der Communio durch Eucharistie
Nach Presbyterorum Ordinis Nummer 6 wird „die christliche Gemeinschaft (communio) nur auferbaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat“. Die Kirche als Leib Christi ist ein Netzwerk eucharistischer Kommunion.
Die Beauftragung Petri in Matthäus 16,18 und Johannes 21,15-17, auf die Karl Jaroš verweist, hat ihre tiefere Begründung in der priesterlichen Aufgabe, das Opfersakrament darzubringen und den Gläubigen zu reichen. Der Kirchenhistoriker und Archäologe Stefan Heid hat dazu in seinem Buch „Altar und Kirche“ (Regensburg 2019) über die biblische Grundlage hinaus die entsprechenden Nachweise aus der Väterzeit dargelegt.
Der Autor ist Dozent für Altes und Neues Testament am Seminario San José, Ayaviri in Peru. Unter dem Titel „Katholisches Priestertum unbiblisch?“ erschien sein hier veröffentlichter Beitrag im Oktober im Informationsblatt der Petrusbruderschaft.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.