Es wird höchste Zeit, die Staatsleistungen an die Bistümer und Landeskirchen abzulösen. Länger als 200 Jahre fließen die Gelder. Mehr als 100 Jahre existiert der Verfassungsauftrag, das zu beenden. In der Vergangenheit hatten sich alle in diesen Leistungen gut eingerichtet. Länder und Bistümer haben die längst pauschalierten Zahlungen in die Haushalte eingepreist. Man war allseits zufrieden. Doch der politische Wind dreht sich. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland gehört keiner der beiden großen Kirchen mehr an. Eine stetig steigende Zahl an Bürgern rechnet sich gar keiner Religionsgemeinschaft zu. Da wird es immer schwerer zu erklären, warum die Länder aus allgemeinen Steuermitteln die Gehälter von Bischöfen und Domkapitularen zahlen.
Egal wie oft man erklärt, dass es sich bei den Zahlungen um Ersatz für entgangene Erträge aus enteigneten Gütern handelt. Man hört immer wieder das Argument, nach über 200 Jahren müsse endlich mal Schluss sein. Auch wenn dieses Argument nicht zutrifft, es ist populistisch und es ist eingängig in einer Zeit, in der man gut und gerne auf die Kirche einprügeln kann. Man sollte sich da nichts vormachen, der Ruf der Kirche ist auf lange Zeit gesehen in einer breiten Öffentlichkeit ruiniert. In diesem Klima wächst nun eine Stimmung, in der der Bund ablösen will. Die Bistümer sind gesprächsbereit. Die Bundesländer zucken zurück. Letzteres ist mehr als nur verständlich, denn den Gesetzen der Finanzmathematik folgend, wäre ein Mehrfaches der derzeitigen jährlichen Zahlung zu leisten. Dabei ist es unerheblich, ob man sich auf die unwahrscheinliche Variante einer Einmalzahlung oder die viel wahrscheinlichere Ablösung in Raten einigt. Jede Variante dürfte derzeit jedem deutschen Länderfinanzminister schlaflose Nächte bereiten. Die Haushalte sind durch Corona, Energie- und Wirtschaftskrise und nicht zuletzt durch die Inflation stark belastet. Während der Bund nur ein Gesetz verabschieden muss, über dessen Zuschnitt derzeit niemand sagen könnte, wie es konkret auszusehen hat, zahlen die Länder die Zeche und die Bistümer müssen ihre gesamten Finanzen völlig anders aufstellen.
Den Bistümern droht existenzielle Not
Da kommt Verständnis auf, wenn die Beteiligten sehr zurückhaltend sind. Man erkennt das Dilemma: Ein etabliertes, gut laufendes System soll durch etwas völlig anderes ersetzt werden, von dem niemand weiß, wie es aussehen wird. Und trotzdem ist Ablösung unbedingt nötig. Steigt nämlich der politische Druck weiter, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis das erste Bundesland die Zahlung streicht. Die dann folgende Verstimmung der betroffenen Bistümer in Form geschlossener Schulen, Kindergärten und Sozialeinrichtungen sind erwartbar. Das spricht niemand aus, doch sich das auszumalen bedarf nur wenig Fantasie. Vor allem Bistümer, die einen nennenswerten Teil ihres Haushalts aus den Staatsleistungen bestreiten, könnten in existenzielle Not geraten. Was vom Bund, den Ländern und den Bistümern jetzt verlangt ist, ist ein hohes Maß an Flexibilität und ein noch weitaus höheres Maß an Kreativität.
Dabei sollte keine Variante einer möglichen Ablösung ausgeschlossen werden. Sowohl für die Länder als auch für die Bistümer und Landeskirchen ist eine Lösung im Konsens zu suchen, die einerseits Äquivalenz zur bisherigen Lage herstellt und anderseits keinen der Partner ruiniert. Es gibt Ansätze, die auf regelmäßige staatliche Zahlungen an alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften hinauslaufen. Das sollte man gedanklich nicht schon vorab ausschließen, da eine gerechte Zahlung an alle die Plausibilität und Akzeptanz der Zahlungen erheblich steigern dürfte.
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