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Mit Hochdruck Politik machen

Mit dem Synodalen Weg ist keine kirchenrechtliche Leitungsgewalt verbunden. Aber es könnte sich eine Dynamik entwickeln, die am Ende alle Bischöfe massiv unter öffentlichen Druck setzt, die Beschlüsse rechtlich geltend zu machen. Eine kirchenrechtliche Einordnung des Synodalen Weges.
Kardinal Reinhard Marx und ZdK-Präsident Thomas Sternberg
Foto: Julia Steinbrecht/KNA

Papst Franziskus hat wiederholt unterstrichen, dass die Synodalität in der Kirche breiteren Raum und größere Bedeutung gewinnen solle. In seiner Ansprache anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der römischen Bischofssynode am 17. Oktober 2015 machte der Papst deutlich, worum es ihm in diesem Zusammenhang geht: „Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Hörens, im Bewusstsein, dass auf etwas Hören mehr ist als bloßes Hören. Es ist ein wechselseitiges Hören, bei dem jeder etwas zu lernen hat. Das gläubige Gottesvolk, das Kollegium der Bischöfe, der Bischof von Rom: Der eine hört auf den anderen und gemeinsam hören sie auf den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit (Joh 14,17), um das zu erkennen, was er seinen Kirchen sagt (Offb 2,7).“

Ein "organisierter Dialog", aber keine Synode

Diese allgemeine päpstliche Beschreibung gilt sowohl für Synoden im rechtlichen Sinne als auch für andere Prozesse des innerkirchlichen Dialogs, denen es um die Erkenntnis dessen geht, was der Heilige Geist der Kirche zu sagen hat. Zu den innerkirchlichen Gesprächsprozessen im weiteren Sinne gehört auch der inzwischen begonnene Synodale Weg. Man kann ihn mit Recht als einen „organisierten Dialog“ bezeichnen, doch einer katholischen Synode gleicht er nicht. Diese Tatsache wird auch den Ablauf des Synodalen Wegs und die Valenz der Ergebnisse bestimmen. 

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Synoden gehören zu den ältesten Einrichtungen der Kirche. Historisch sind sie in unterschiedlichen Formen aufgetreten und sie haben im Verlauf der Zeiten auch ein unterschiedliches faktisches Gewicht für das kirchliche Leben besessen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass es sich um bischöfliche Versammlungen handelt, an denen, gemäß den rechtlichen Bestimmungen, auch andere Personen teilnehmen können; im Unterschied zu den Bischöfen besitzen sie regelmäßig kein beschließendes Stimmrecht.

Der Unterschied zwischen evangelischem Kirchenparlament und katholischer Synode 

Solche Synoden gibt es in der katholischen Kirche und in den nichtkatholischen orientalischen Kirchen. Die Synoden, die in den reformatorischen kirchlichen Gemeinschaften bestehen, haben einen anderen Charakter. Sie werden mit gewissem Recht als „Kirchenparlament“ bezeichnet, in dem grundsätzlich jeder evangelische Christ als Synodale mitwirken kann.

Katholische Synoden gibt es auf verschiedenen kirchlichen Ebenen. Das ökumenische Konzil ist ebenso eine Synode wie die Partikularkonzilien in einer Kirchenprovinz oder für das Gebiet einer Bischofskonferenz. Die katholischen Ostkirchen besitzen Bischofssynoden als oberste Leitungsorgane. Alle diese Synoden verbindet, dass sie über Leitungsvollmacht verfügen und im Rahmen ihrer Zuständigkeit rechtlich verbindliche Entscheidungen treffen können.

Beratungsorgan für den Papst

Etwas anders verhält es sich bei der erst 1965 eingerichteten römischen Bischofssynode. Sie ist als Beratungsorgan für den Papst konzipiert und ermöglicht es dem Nachfolger Petri, leichter im Austausch mit dem Episkopat zu bleiben. Auch die Diözesansynode bildet einen Sondertypus, denn sie berät den Bischof, dem es allein zukommt, rechtlich verbindliche Entscheidungen zu treffen. Im katholischen Ostkirchenrecht heißt das entsprechende Organ „Eparchialkonvent“; damit wird eine Verwechslung mit den eigentlichen Synoden vermieden, die über Leitungsvollmacht verfügen.

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Der Synodale Weg ist eine gemeinsame Unternehmung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Er wird durchgeführt gemäß einer eigenen Satzung, die von DBK und ZdK jeweils gesondert angenommen worden ist. Bei dieser Satzung handelt es sich um eine Konventionalordnung  der beteiligten Akteure, an der man sich bei der Durchführung des Synodalen Weges orientiert.

Was der Satzung des Synodalen Weges fehlt

Eine besondere kirchenrechtliche Qualität, etwa im Sinn eines kanonischen Gesetzes, fehlt der Satzung des Synodalen Wegs. Denn die Bischofskonferenz besitzt diesbezüglich generell keine Kompetenz zur Gesetzgebung und das ZdK kann keine für Außenstehende verbindlichen Regelungen erlassen, sondern nur die eigene Vorgehensweise ordnen.

Die Qualität des Statuts als einer bloßen Konventionalordnung hängt damit zusammen, dass der Synodale Weg als solcher keine kanonische Institution ist. Die Durchführung eines deutschlandweiten kirchlichen Ereignisses des Gesprächs und der Erneuerung wäre auch in Gestalt eines Plenarkonzils gemäß cc. 439–446 CIC möglich. Diese Form würde den Vorzug besitzen, dass mit Leitungsgewalt „für die pastoralen Erfordernisse des Gottesvolkes Vorsorge getroffen“ werden könnte (vgl. c. 445 CIC). Allerdings wären dabei die Genehmigung des Apostolischen Stuhles einzuholen und die gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Zusammensetzung und Stimmberechtigung zu beachten. Vor allem Letzteres wollte man wohl vermeiden.

Das wird dem Kirchenbild des Konzils nicht gerecht

Vielmehr präsentiert sich der Synodale Weg als auf zwei Säulen ruhend, nämlich einerseits der DBK und andererseits dem ZdK. Die beiden Gremien stellen selbst den Großteil der Mitglieder der Synodalversammlung und sie haben festgelegt, welche Personengruppen sonst noch daran teilnehmen dürfen. 

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Man nimmt dabei den Eindruck in Kauf, dass nicht die Einheit des Gottesvolkes, sichtbar repräsentiert durch den hierarchischen Vorsteher, betont wird, sondern sich Klerus beziehungsweise Episkopat und Laien gewissermaßen gegenüberstehen. Dem Kirchenbild des Zweiten Vatikanischen Konzils, das den Communio-Gedanken in den Vordergrund gerückt hat, um ältere ständische Denkmuster zu überwinden, wird dies nicht vollauf gerecht.

Episkopal-laikale „Doppelspitze“

Dieser Eindruck wird durch verschiedene Bestimmungen des Statuts noch verstärkt: Die Zahl der ZdK-Mitglieder in der Synodalversammlung, nämlich 69, entspricht genau der aktuellen Anzahl der Bischöfe, die der DBK angehören und gleichfalls in der Synodalversammlung vertreten sind (Art. 3 Abs. 1 a, b).
Ferner können DBK und ZdK gesondert jeweils bis zu zehn Personen als weitere Mitglieder der Synodalversammlung benennen (Art. 3 Abs. 1 l).

Das Präsidium des Synodalen Wegs ist als episkopal-laikale „Doppelspitze“ konstruiert, denn ihm gehören Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender der DBK sowie Präsident und Vizepräsident (m/w/d) des ZdK an. Gleiches gilt für die beiden Präsidenten des Synodalen Wegs; als solche fungieren der DBK-Vorsitzende und der ZdK-Präsident (Art. 6 Abs. 1, 2).

Die Kirche ist kein Koalitionsausschuss

Ähnliche Konstrukte sind deutschen Zeitgenossen aus der Politik oder aus der sozialen Marktwirtschaft bekannt und vertraut. Koalitionsausschüsse oder Tariforgane werden paritätisch mit Vertretern der beteiligten Parteien beziehungsweise von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (Gewerkschaften) besetzt. Dort gibt es auch regelmäßig gleichberechtigte Vorsitzende. Solchen Organen kommt die Aufgabe zu, offene Fragen auszuhandeln und kontroverse Standpunkte durch das Eingehen von Kompromissen zum Ausgleich zu bringen.

"Es kann nicht darum gehen, in Verhandlungen eine neue Kirche zu schaffen und eine neue Lehre zu erfinden"
Professor Stephan Haering, Kirchenrechtler

Das muss beim Synodalen Weg anders sein. Denk- und Verhaltensmuster säkularer Akteure können nicht ungefiltert in der Kirche angewendet werden und ein parlamentarisch-politisches Verständnis dieses kirchlichen Prozesses wäre verfehlt. Vielmehr müssen sich die Beteiligten bewusst sein, dass nur Glaube und Tradition der Kirche inhaltliche Maßstäbe für die Erneuerung bieten können. Es kann nicht darum gehen, in Verhandlungen eine neue Kirche zu schaffen und eine neue Lehre zu erfinden, sondern Korrektur und Vertiefung sind zu leisten.

Ein Forum zur Evangelisierung gibt es nicht

Weitere Organe des Synodalen Wegs sind die Synodalforen (Art. 8). In den vier eingerichteten Synodalforen, die sich aus Mitgliedern der Synodalversammlung und Beratern (m/w/d) zusammensetzen, wird die inhaltliche Arbeit hauptsächlich geleistet. Es wurde entschieden, die Themenbereiche Macht, Priestertum, Frauen und Sexualität zu behandeln. 

Ein Forum zur neuen Evangelisierung, dessen Einrichtung von manchen Stimmen gefordert wurde und das aufgrund der Aussagen des Briefes von Papst Franziskus an die deutschen Katholiken vom 29. Juni 2019 nahelag, besteht nicht.

Auch in den Synodalforen kommt das Prinzip der episkopal-laikalen Doppelspitze zur Anwendung; denn den Vorsitz teilen sich je ein Mitglied der DBK und des ZdK.

Eine Dynamik, die Druck auf die Bischöfe ausübt 

Mit dem Synodalen Weg als solchem ist, wie angedeutet, keine kirchliche Leitungsgewalt verbunden. Eine rechtlich oder lehramtlich wirksame Umsetzung seiner Ergebnisse bleibt auf entsprechende Maßnahmen der Bischöfe angewiesen. Dabei dürfte wohl nur bei wenigen Aspekten eine originäre Zuständigkeit der Bischofskonferenz bestehen. 

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Bei den meisten Themen wird es entweder auf eine spätere Maßnahme des Apostolischen Stuhls oder auf eine rechtliche Inkraftsetzung der Beschlüsse durch die einzelnen Diözesanbischöfe für ihre Bistümer ankommen. Möglicherweise wird vorausgesetzt, dass sich im Synodalen Weg selbst eine derartige Dynamik entwickelt, dass schließlich alle Bischöfe – vielleicht auch unter öffentlichem Druck – die Beschlüsse für ihre Teilkirche rechtlich geltend machen.
Am Ende aber muss auch in rechtlichen Normen der „Geist der Wahrheit“ seinen Ausdruck finden, von dem Papst Franziskus 2015 im Hinblick auf die Synodalität gesprochen hat.

Der Autor, Professor Stephan Haering. ist Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht, insbesondere Verwaltungsrecht sowie kirchliche Rechtsgeschichte am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mehr zum Thema erfahren Sie in "Welt&Kirche", der Sonderbeilage der Tagespost zum Synodalen Weg. Die Sonderpublikation ist erhältlich über den Johann Wilhelm Naumann Verlag, Würzburg.

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