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Kirchenpolitik statt Zeugnis in der Welt

Das ZdK und der Synodale Weg: Wie sich das Zentralkomitee zum "Gegenlehramt" entwickelt hat und warum das den eigentlichen Gründungsidealen widerspricht. Der Blick in die Geschichte hilft, Zusammenhänge zu verstehen.
Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
Foto: Harald Oppitz (KNA) | Der geschichtliche Rückblick macht deutlich, dass das ZdK zunächst als Stimme der Katholiken in Staat, Gesellschaft und Kultur gedacht war.

 Mit dem Synodalen Weg wollen die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) gemeinsam „den Weg suchen, wie wir als Kirche heute den Menschen, der Welt und Gott dienen können“, so heißt es in einem Brief des Vorsitzenden der DBK, Kardinal Reinhard Marx, und des Präsidenten des ZdK, Professor Thomas Sternberg, vom 1. Dezember 2019. Bischofskonferenz und Zentralkomitee teilen sich die Verantwortung für den Synodalen Weg. Beide haben seiner Satzung zugestimmt und erscheinen als gleichwertige Partner, oder, wie man gerne sagt, auf Augenhöhe. 

Dies findet seinen Ausdruck unter anderem darin, dass der Vorsitzende der DBK und der Präsident des ZdK häufig gemeinsam auftreten, wenn es um den Synodalen Weg geht. In der Synodenversammlung sind DBK und ZdK nicht nur in gleicher Stärke vertreten (Art. 3 des Statutes), sie teilen sich auch das Synodenpräsidium (Art. 6 des Statutes), dem die Vor- und Nachbereitung der Synodenversammlungen zukommt und bilden das Synodensekretariat (Art. 9 des Statutes). Das einzige Alleinstellungsmerkmal der DBK besteht darin, dass die Beschlüsse der Synodenversammlung nur dann als angenommen gelten, wenn sie eine 2/3-Mehrheit der anwesenden Mitglieder der Bischofskonferenz erreichen (Art. 11, 2 des Statutes).

DBK und ZdK: Wirklich gleichberechtigte Partner?

Handelt es sich bei DBK und ZdK wirklich um gleichberechtigte Partner, die der Kirche in Deutschland den Weg in die Zukunft weisen können? Ein Blick in die Geschichte des ZdK kann bei einer Antwort hilfreich sein.

Das ZdK hat seine Wurzeln in der Bewegung der Katholiken, die sich schon im Vormärz 1848 zu Vereinen zusammenschlossen, um die Freiheit der Kirche gegenüber dem Staat zu verteidigen. Nach dem Vorbild des „Piusvereins für religiöse Freiheit“ bildeten sich an vielen Orten Deutschlands katholische Vereine und trafen sich im Oktober 1848 zu einer ersten Generalversammlung, dem ersten Katholikentag in Deutschland.

Zur Koordination ihrer Tätigkeit schlossen sich die Vereine zum „Katholischen Verein Deutschlands“ zusammen und betrachteten die Wahrung der Freiheit der Kirche, der Erziehung und des Unterrichts sowie die Bildung des Volkes und den Kampf gegen soziale Missstände als ihre Ziele. Durch ihre Tätigkeit wollten sie das soziale Engagement der Kirche auch in der Gesellschaft präsent halten. Durch die Generalversammlungen (Katholikentage) wurden die Tätigkeiten der Vereine aufeinander abgestimmt und zugleich Initiativen zur Neugründung von Vereinen vorbereitet.

Freiheit der Kirche durch Romtreue

1868 bildete sich das Zentralkomitee der Vereine, dessen Aufgabe vor allem die Vorbereitung der Generalversammlung und die Durchführung ihrer Beschlüsse war. Ferner setzte es sich zum Ziel, „dahin zu wirken, dass den Katholiken in ganz Deutschland durch die Gründung möglichst vieler katholischer Vereine Halt und Anregung geboten werden, durch das Mittel der katholischen Presse möglichst oft, eingehend und vielseitig über das Vereinswesen überhaupt und über die Tätigkeit des Komitees insbesondere Bericht zu erstatten“ (Satzung von 1868). Darüber hinaus sollte das Vereinswesen in Deutschland durch geeignete Mittel gefördert werden. Seit 1869 sandte jede Diözese Vertreter ins Zentralkomitee.

Es kann durchaus gesagt werden, dass hier eine ultramontane Bewegung entstand, denn die Freiheit der Kirche in Deutschland sollte auch durch die Bindung an den Papst gewährleistet werden. Das Zentralkomitee und die Katholikentage wollten die Kirche im gesellschaftlichen Diskurs präsent halten und zugleich Bildung, soziales Engagement und Caritas fördern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab sich das Zentralkomitee 1952 ein neues Statut und nannte sich von nun an „Zentralkomitee der Deutschen Katholiken“. Als Hauptaufgabe wurde die Koordination und Förderung der katholischen Laien und ihres Wirkens in der Gesellschaft betrachtet. Dazu heißt es in den Statuten von 1952: „Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist der von der Autorität der Bischöfe getragene Zusammenschluss der im Laienapostolat der katholischen Kirche in Deutschland tätigen Kräfte. Das Zentralkomitee ist tätig im Sinn einer Arbeitsgemeinschaft unter voller Wahrung der angeschlossenen Organisationen.“

Die Statuten wurden mehrfach überarbeitet

Im Laufe der Jahre wurden die Statuten des ZdK immer wieder überarbeitet, wobei die Ergebnisse des Zweiten Vatikanums und der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt wurden. Neben den Vertretern der Verbände und Vereine sind nun auch Vertreterinnen und Vertreter der Diözesanräte und weitere Einzelpersönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft Mitglied im ZdK.

Die DBK erkennt das ZdK als Koordinationsgremium des Laienapostolates und zur Förderung der apostolischen Tätigkeit im Sinne des Konzilsdekretes über das Laienapostolat („Apostolicam actuositatem“) Nr. 26 an, das heißt es geht im strengen Sinne nicht um eine wie auch immer geartete Gesamtvertretung der Laien, sondern um eine Vertretung der Kräfte, die im Laienapostolat engagiert sind.

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Nach seinem Statut (§2) beobachtet das ZdK „die Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben und vertritt die Anliegen der Katholiken in der Öffentlichkeit; gibt Anregungen für das apostolische Wirken der Kirche und der Katholiken in der Gesellschaft und stimmt die Arbeit der in ihm zusammengeschlossenen Kräfte aufeinander ab; wirkt an den kirchlichen Entscheidungen auf überdiözesaner Ebene mit und berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen des gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Lebens; hat gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der Katholiken, wie die Deutschen Katholikentage, vorzubereiten und durchzuführen; nimmt die Anliegen und Aufgaben der deutschen Katholiken im Ausland und auf internationaler Ebene wahr; [und] trägt für die Durchführung und Erfüllung der entsprechenden Maßnahmen Sorge.“

Von der Stimme der Kirche in der Welt zur kritischen Stimme in der Kirche

Der geschichtliche Rückblick macht deutlich, dass das ZdK, vergleichbar mit der Katholischen Aktion in anderen Ländern, im Kontext der katholischen Vereine zunächst als Stimme der Katholiken in Staat, Gesellschaft und Kultur gedacht war. 

Durch die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Veränderungen in der Zusammensetzung und durch die Einbeziehung von Vertretern der Diözesanräte und von Einzelpersönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft (vor allem der Politik) hat sich aber die Tätigkeit des ZdK gewandelt. Heute wird es, vor allem durch die Äußerungen derjenigen, die ihm nach außen ein Gesicht geben, nicht mehr in erster Linie als katholische Stimme in Politik und Gesellschaft, sondern als kritische Stimme innerhalb der Kirche wahrgenommen.

Wurden früher Fragen des Laienapostolates und die Freiheit der Kirche in Staat und Gesellschaft thematisiert, so geht es heute oft um innerkirchliche Strukturfragen und die Freiheit und Mitbestimmung der Gläubigen innerhalb der Kirche. Vor vielen Jahren hat Kardinal Joseph Ratzinger das ZdK daher als eine Art von „Gegenlehramt“ bezeichnet und der Münchner Kirchenrechtler Klaus Mörsdorf sprach von der „anderen Hierarchie“, welche auf der Polarisierung von „Amtskirche“ und „Laienkirche“ aufbaut. 

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Nicht mit dem konziliaren Verständnis von Kirche vereinbar 

Viele erkennen im ZdK und seinem Wirken den Ausdruck einer Demokratisierung, die nicht mit dem konziliaren Verständnis von Kirche vereinbar ist, weil die Verantwortung der Bischöfe nicht aufgehoben oder demokratisch eingeschränkt werden kann. Dadurch entsteht – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – ein Dualismus, der eine eigene Dynamik entfaltet, die alles zur Disposition stellen kann, wie an den Themen- und Handlungsfeldern deutlich wird, welche im Zentrum des Synodalen Weges stehen: „Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche – gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“; „Priesterliche Existenz heute“; „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“; „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“.

Zudem verkennt dieser Dualismus das Wesen des Amtes in der Kirche, das sich nicht von der Basis her legitimiert. Weder Amt noch Glaube werden von Mehrheitsentscheidungen definiert, welche dem Wandel der Mehrheiten und den sozio-kulturellen Umständen unterworfen sind.

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Wie es in der Satzung des Synodalen Weges heißt, verantworten DBK und ZdK den Synodalen Weg gemeinsam. Wohin dieser Weg führt und ob es durch ihn wirklich gelingt, der Kirche in Deutschland zu helfen, ihre Sendung heute zu verwirklichen, wird erst im Laufe der Zeit deutlich werden. Weder ein Dualismus noch Mehrheitsentscheidungen nach dem Vorbild parlamentarischer Demokratien können den Weg weisen. Alle Gläubigen, Bischöfe, Priester und Laien sind berufen, „gemäß ihrer je eigenen Stellung“ an der Sendung mitzuwirken, „die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat“ (can. 204 §1 CIC). Zukunftsweisende Wege der Verkündigung und des Apostolates werden sich nur finden lassen, wenn mit gläubigem Herzen die von Gott gegebene Offenbarung angenommen wird (vgl. DV 6), nicht aber der Zeitgeist. Gerade dies entspräche den Gründungsidealen des ZdK.

Der Autor, Professor Markus Graulich ist Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte. Zuvor war Prälat Graulich Richter an der Römischen Rota. Der Kirchenrechtler gehört dem Orden der Salesianer Don Boscos an.     

Der Autor, Professor Markus Graulich, ist Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte. Prälat Graulich gehört dem Orden der Salesianer Don Boscos an. 

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