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Kirche hat ihre Sendung verloren

Der Pastoraltheologe Andreas Wollbold hält Evangelisierung für die eigentliche Antwort auf die schwere Krise der Kirche. Der Synodale Weg drohe ins Schisma zu führen, mahnt er. Wirksame Reformen müssten anderswo beginnen.
Symbolbild Kirchenaustritt
Foto: KNA | Die Kirche erlebt eine gigantische Implosion des Glaubens und eine nie dagewesene Erosion des Vertrauens. Was tun?

Herr Professor Wollbold, über viele Jahrhunderte hat der christliche Glaube unsere Kultur geprägt. Heute erlebt die Kirche eine gigantische Implosion des Glaubens und eine nie dagewesene Erosion des Vertrauens. Wo sehen Sie die Ursachen für diese schwere Krise?

Die Krise der Kirche ist zutiefst eine Krise des Glaubens. Es ist wichtig, sich mit dem sexuellen Missbrauch und dem Missbrauch von Macht in der Kirche auseinanderzusetzen und derartige Skandale aufzuarbeiten. Aber das bleibt an der Oberfläche von teilweise haarsträubenden Symptomen. Das kann dazu verleiten, nicht tiefer zu blicken. Doch die viel grundsätzlichere schwere Glaubenskrise darf nicht auf die Missbrauchskrise reduziert werden.

"Das Gottesbild der Menschen
hat sich verändert"

Die Glaubenskrise ist eine Gotteskrise. Das Gottesbild der Menschen hat sich verändert. Für die meisten Menschen ist Gott kein persönliches Du, vor dem ich stehe, vor dem ich mich verantworte, auf den ich vertraue, sondern bestenfalls eine höhere Kraft, die mich wie ein warmer Wind umfängt und mir das Leben etwas leichter macht. Die Kirche hat aber Jesus Christus, die menschgewordene Liebe Gottes, zu verkünden und nicht warmen Wind zu machen. Der entscheidende Punkt ist also: Die Kirche hat ihre Sendung verloren. Papst Franziskus hat das in seinem Brief an die Katholiken in Deutschland deutlich beschrieben. Wir haben eine pastorale Bekehrung notwendig, aber der weichen wir mit allen Mitteln aus.

Kardinal Marx vor Journalisten
Foto: Arne Dedert (dpa) | Die Themen des Synodalen Weges sind besonders medienwirksam. Evangelisierung spielt keine relevante Rolle. „Manchmal hat man den Eindruck, die Kirche in Deutschland gleicht einer politischen Partei, die das eigene ...

Was heißt ausweichen? Die Kirche tut doch etwas. Die Deutsche Bischofskonferenz hat einen verbindlichen „Synodalen Weg“ beschlossen. Zwei Jahre lange will man sich mit den Themen Macht, Sexualmoral, priesterliche Lebensform und der Rolle der Frau befassen. Damit soll Erneuerung möglich werden.

Ich glaube nicht, dass diese Themen des „Synodalen Weges“ angesichts der Glaubenskrise die wichtigsten sind. Man hat eher den Eindruck, hier sollen strukturelle Fragen, kirchenpolitische Fragen, Fragen, die seit Jahren in den innerkirchlichen Zirkeln mit Lust und Liebe diskutiert werden, nun in eine bestimmte Richtung durchgedrückt werden. Also Altlasten von Kirchenprofis statt Erneuerung der Glaubensgemeinschaft. Die eigentliche Aufgabe lautet doch: Wie können wir die Herzen der Menschen für das Evangelium wiedergewinnen? Wie können Menschen sich bekehren? Und wie kann die Kirche Salz der Erde und Stadt auf dem Berge werden? Diese Fragen scheinen nicht zu interessieren.

Strategische Lippenbekenntnisse und kleine Verbeugungen in Richtung Rom bestätigen das eher. Der „Synodale Weg“ erinnert mich an jene Feuerwehr in einem kleinen Ort. Man traf sich im Obergeschoss des Feuerwehrhauses zum Feiern. Währenddessen brannte es im Untergeschoss. Dann musste die Feuerwehr aus dem Nachbarort gerufen werden, um den Brand zu löschen.

Sie haben den Brief des Papstes angesprochen. In seinem Brief an die Katholiken in Deutschland warnt Franziskus vor Sonderwegen, mahnt zur Einheit mit der Weltkirche und ruft mit großem Nachdruck zur Evangelisierung auf. Offensichtlich sieht der Heilige Vater große Defizite, was die Bedeutung des Themas Evangelisierung beim „Synodalen Weg“ angeht. Trifft das zu?

Dem stimme ich vollkommen zu. Auch mit Blick auf manche Nachjustierung, die es in Folge des Papstbriefes gegeben hat. Das wirkt eher wie ein Feigenblatt. Die eigentlichen Themen, die den „Synodalen Weg“ beherrschen und am meisten medienwirksam sind, sind die Themen, die auch in innerkirchlichen Kreisen die Diskussion dominieren. Dabei handelt es sich weithin um Strukturfragen.

"Evangelisierung, das große
Anliegen des Papstes,
spielt keine relevante Rolle"

Evangelisierung, das große Anliegen des Papstes, spielt keine relevante Rolle. Das werden auch die vielen aufrechten Synodalen nicht verhindern können. Dabei wäre genau das entscheidend, wenn man einen Weg aus der Krise finden will.

Warum tut sich die Kirche in Deutschland mit dem Thema Evangelisierung so schwer?

Die katholische Kirche in Deutschland ist zu schwergewichtig an Strukturen, an Einrichtungen, zum Teil auch an großen Apparaten. All diese Institutionen werden ab einem bestimmten Punkt zu Selbstläufern. Das heißt, eine Intervention von außen wird nur noch als „Störe meine Kreise nicht“ empfunden. Der Kern der pastoralen Bekehrung ist deshalb auch ein anti-struktureller: Wir müssen den Apparat abbauen, wir müssen die Kirche wieder als Communio, als Gemeinschaft aller wirklich Gläubigen verstehen, als kleine Gemeinschaft, die von Glaube, Hoffnung und Liebe lebt und die nicht vom Kirchensteuerapparat und von großen Ordinariaten gesteuert ist.

"Wir finden es leichter, sitzen zu bleiben,
als den Weg durch die Wüste
der Selbstevangelisierung mit all
ihren Herausforderungen zu gehen"

Bereits Papst Paul VI. hat mit seiner Enzyklika „Evangelii nuntianti“ das Augenmerk der Kirche auf die Herausforderung der Evangelisierung gelegt. Das Pontifikat Johannes Pauls II. war im Grunde wie ein großer Ruf nach Evangelisierung. Benedikt XVI. hat die Gottesfrage ins Zentrum seiner Verkündigung gestellt. Nun ruft Franziskus mit Nachdruck zur Evangelisierung auf. Woran liegt es, dass die Päpste mit ihrer Forderung, der Evangelisierung Priorität im Leben der Kirche zu geben, hierzulande so wenig Gehör finden?

Da kann man nur mutmaßen. Alle Päpste haben mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Anfang aller Evangelisierung die Selbstevangelisierung ist. Das heißt, die Aufforderung „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ muss zunächst bei mir selbst Fuß gefasst haben. Sie muss mich verändert haben, muss mein Leben neu ausgerichtet haben. Sie muss mich ein Leben lang herausfordern, dass ich ein neuer Mensch werde, ein Mensch, der Christus gleichgestaltet ist, der Gott an die erste Stelle setzt. Vor dieser existenziellen Herausforderung scheint man hierzulande zu fliehen. Vielleicht weil wir keinen Mut und keine Zuversicht mehr haben, dass Selbstevangelisierung möglich ist. Wir finden es leichter, sitzen zu bleiben, als den Weg durch die Wüste der Selbstevangelisierung mit all ihren Herausforderungen zu gehen.

Die Themen, die auf dem „Synodalen Weg“ behandelt werden sollen, betreffen auch Glaubensinhalte und damit Belange der Weltkirche. Forderungen und Diskussionen um den „Synodalen Weg“ erwecken den Eindruck, man könne in Deutschland durch Mehrheitsvoten Veränderungen herbeiführen. Steuert die Kirche auf einen deutschen Sonderweg zu?

Ich hoffe es nicht, aber die Sorge ist berechtigt. Deshalb wird man mit Wachsamkeit und einem Schuss Skepsis alle Etappen des „Synodalen Weges“ begleiten müssen. Ich persönlich glaube, dass dies besonders beim Thema Priestertum und allem, was damit zusammenhängt, geboten ist. Die Klarheit des Blickes auf die besondere Berufung und Sendung des Priesters ist durch Macht-, Struktur- und zum Teil auch Genderfragen schwer getrübt. Priester sind Gesandte an Christi Statt und keine bloßen Falten im Gewand der Kirche, die energisch glattgebügelt werden müssen.

"Man hat manchmal den Eindruck,
die Kirche in Deutschland gleicht einer
politischen Partei, die nach Mehrheitsmeinungen
schielt und Wahlen gewinnen will"

Man hat manchmal den Eindruck, die Kirche in Deutschland gleicht einer politischen Partei, die nach Mehrheitsmeinungen schielt und Wahlen gewinnen will. Deshalb passt man das eigene Parteiprogramm dem vermuteten Wählerwillen, Stimmungen und Mehrheitsmeinungen an. Für die Kirche ist das Selbstmord! Über das Glaubensgut kann man nicht abstimmen, über Wahrheit kann nicht die Mehrheit entscheiden. Was hätte Paulus tun sollen, als er erfuhr: „Alle haben mich im Stich gelassen“? Ein „anderes Evangelium“ verkünden (Gal 1,7)? Nein, er vertraute noch mehr auf Gott allein, und damit ist er auch Vorbild für heute: „Der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird.“ (2 Tim 4,16f.) Die Kirche lebt also nicht davon, dass ihre Lehren von der Mehrheit anerkannt werden. Sie lebt davon, dass sie treu das weitergibt, was Christus sie gelehrt hat. „Weit ist das Tor und breit der Weg, der ins Verderben führt, und es sind viele, die auf ihm gehen.“ (Mt 7,13)

Nun schwindet aber die Akzeptanz der kirchlichen Lehre in der Öffentlichkeit in atemberaubendem Tempo. Wenn eine große Mehrheit der Menschen, ja sogar eine Mehrheit der Katholiken, bestimmten Glaubensinhalten oder etwa der Sexualmoral nicht mehr folgt, ist es dann nicht höchste Zeit, kirchliche Positionen zu überdenken und sie zu reformieren?

Glaube setzt Bekehrung voraus. Wo diese Bekehrung fehlt, fehlt auch die Voraussetzung dafür, dass ich als Kind Gottes mit Vertrauen auch solche Lehren entgegennehmen kann, die querstehen zu heutigen Überzeugungen. Außerdem: Der Glaube ist immer in der Minderheit, immer anstößig.

Das durchzuhalten braucht Mut, Glaubensmut: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ (Lk 12,32) Dazu braucht es aber auch vertiefte Glaubenslehre, braucht es Katechese, braucht es Erklärung schwieriger Punkte, braucht es ein geduldiges Bemühen darum, dass die Menschen wirklich begreifen, worum es geht.

Der Glaube der Kirche will ja nichts wegnehmen, er will zu einem Leben in Fülle führen. Das Schwinden der Akzeptanz kirchlicher Lehre – auch innerhalb der Kirche – ist daher auch ein Symptom für die Krise der Katechese, die wir seit fünfzig Jahren haben.

Gerade in Krisenzeiten ist die Kirche gerufen, die „Zeichen der Zeit“ zu deuten. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Lebenswirklichkeit? Kann auch die Lebenswirklichkeit eine Quelle der Offenbarung sein?

Der Begriff „Zeichen der Zeit“ wird oft nebulös gebraucht. „Zeichen der Zeit“ bedeutet nicht einfach gesellschaftliche Situation, Lebenswirklichkeit oder gar Mehrheitsmeinung. Dann wäre es bloß ein geistlich übertünchtes Wort für Anpassung und Verweltlichung. Die „Zeichen der Zeit“ zu deuten, meint die geistliche Wahrnehmung dessen, was der Heilige Geist in unserer Zeit wirkt. Die Frage wäre also: Wo finden sich heute Aufbrüche, die die großen Werte des Evangeliums in vielleicht überraschender Weise zu verwirklichen suchen?

"Der Glaube muss in die konkrete
Lebenswirklichkeit hinein verkündet
werden, um sie positiv zu verändern"

Etwas anderes ist der Blick auf die Lebenswirklichkeit der Menschen. Dieser ist unverzichtbar, wenn die Kirche sich nicht in kleine Zirkel zurückziehen will. Denn jede Evangelisierung beginnt damit, den Menschen wahrzunehmen, wie er ist. Evangelisierung heißt aber auch, ihn nicht da stehenzulassen, sondern von dieser Lebenswirklichkeit auszugehen und die Menschen zu einer Bekehrung, zu einem Neu-werden und zu einem neuen Leben zu befähigen. Der Glaube muss in die konkrete Lebenswirklichkeit hinein verkündet werden, um sie positiv zu verändern. Er darf sich jedoch nicht daran anpassen, sonst verliert er seine verändernde Kraft, auch seine Anziehungskraft. Eine Quelle der Offenbarung kann die Lebenswirklichkeit niemals sein.

Im Zuge der Amazonas-Synode gab es Forderungen nach einer Kirche mit indigenem Antlitz. Der „Synodale Weg“ drängt in Richtung einer Kirche mit deutschem Gesicht. Zerfällt die Weltkirche in regionale Teilkirchen mit unterschiedlichem Aussehen?

Synodalität ist da gut, wo sie aus einem Geist der Communio gelebt wird. Communio ist zunächst immer die Communio mit Gott, also das Öffnen, das Hören, die Wachsamkeit auf das, was Gott zu uns spricht. Deshalb mahnt Papst Franziskus immer wieder zu Fasten und Gebet als wesentlichem Element aller synodalen Beratungsprozesse. Synodalität bedeutet nicht, sich über andere zu erheben, sich abzusondern und eigene Wege zu gehen. Das würde eine Kirche, die die große Communio der Weltkirche bedeutet, nur schädigen und gefährden. Die Rede von der Inkulturierung wird schnell zu einem Vehikel für Sonderwege. Da heißt es aufpassen, dass die Einheit mit der Weltkirche nicht zerreißt.

Inkulturieren bedeutet nicht, in die Substanz des Glaubens oder der Liturgie einzugreifen, sondern Ausdrucksformen zu finden, die die Menschen auch wirklich verstehen, die sie vom Herzen her mitgehen können. Das gilt am Amazonas wie hier bei uns.

"Was die Menschen inzwischen
am meisten bestimmt,
ist die globale Kultur des Konsumismus"

Es kommt aber noch etwas dazu. Bei allen kulturellen Unterschieden im Detail haben wir heute keine abgeschlossenen kontinentalen Sonderkulturen mehr. Was die Menschen inzwischen am meisten bestimmt, ist die globale Kultur des Konsumismus. Darauf müssen wir Antworten finden, wenn das Evangelium auf allen fünf Kontinenten eine Zukunft haben will.

"Müsste nicht etwa konkret beim
Kirchensteuersystem überlegt werden,
wie man diese irrwitzige Lenkung auf
die Bistumsapparate so dezentralisiert?"

In einem Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, haben zehn deutsche Generalvikare mit Blick auf den „Synodalen Weg“ „grundlegende Reformen“ gefordert. Man wünsche sich eine Kirche, „in der Pluralität und Diversität erwünscht und erlaubt sind“, heißt es in dem Schreiben. Wie viel Pluralität und Diversität sind in Glaubensfragen möglich?

Nun, wie wäre es dann etwa mit mehr Pluralität und Diversität bei der Widmung meiner Kirchensteuer? Ist nicht die grundlegende Reform, die jetzt ansteht, die Veränderung unseres kirchensteuerfinanzierten Apparatesystems? Ist nicht gerade der Apparat das große Hemmnis wirklicher Veränderung im Sinne einer pastoralen Bekehrung? Müsste nicht etwa konkret beim Kirchensteuersystem überlegt werden, wie man diese irrwitzige Lenkung auf die Bistumsapparate so dezentralisiert, dass die Gläubigen selbst entscheiden können, wohin sie ihre Kirchensteuer lenken?

Zum Beispiel zugunsten einer wirklich lebendigen Pfarrei oder eines Klosters, das ein geistliches Zentrum für eine ganze Region darstellt. Das wären mutige Veränderungen. Sie stehen schon seit Jahrzehnten an, werden aber wie Tabus behandelt.

An dieser Stelle ist die Kirche hierzulande strukturell verknöchert. Die Frage nach der Diversität ist leicht zu beantworten: Diversität ist da wunderbar, wo sie Ausdruck des einen Glaubens ist. Wo aber Glaubenswahrheiten, etwa was das Weihesakrament angeht, relativiert oder gar geleugnet werden, da ist Diversität der beste Weg ins Schisma.

Es fehlt nicht an Stimmen, die vor einer Spaltung der Kirche warnen. Auch Kardinal Woelki zum Beispiel hat mit Blick auf den „Synodalen Weg“ entsprechende Befürchtungen geäußert. Eine begründete Sorge?

Ich teile diese Befürchtung absolut. Das ist ja auch die ernste Mahnung, die Papst Franziskus in seinem Brief ausgesprochen hat. Seitdem beobachte ich dagegen eine geradezu be-schwörende Haltung der Protagonisten des „Synodalen Weges“, man dürfe nicht vor einem Schisma warnen. Die Gefahr einer Spaltung sei auf keinen Fall gegeben. Wenn man sich ansieht, in welche Bedrängnisse die anglikanische Kirche geraten ist, als sie substanzielle Veränderungen beim Weihesakrament vorgenommen hat, muss man sagen: Die Gefahr eines Schismas ist eine reale Gefahr für die Kirche in Deutschland.

"Bei einer reichen Kirche
wie der Kirche in Deutschland
besteht die Gefahr der Hybris"

Beruht die Tendenz zu nationalen Sonderwegen auf der Überschätzung des Gewichtes der eigenen Kirche?

Ich fürchte, die Wahrheit ist noch sehr viel simpler. In unserer Welt gilt: Wer reich ist, hat recht. Deshalb besteht bei einer reichen Kirche wie der Kirche in Deutschland die Gefahr der Hybris. Man denkt, am deutschen Wesen soll die Weltkirche genesen. Das ist das Gegenteil des Evangeliums. Dort heißt es: „Selig die Armen im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich.“ (Mt 5,3)

Einerseits in Glaube und Praxis in der Einheit der Weltkirche bleiben, aber gleichzeitig jenen Kräften nachgeben, die in Glaubensfragen Alleingänge und Sonderwege fordern: Wie soll das gut gehen? Ist der „Synodale Weg“ unter diesen Bedingungen nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt? Das würde am Ende nur zu noch größerer Frustration führen.

Genau eine solche riesige Katerstimmung muss man befürchten. Oder wird sie bewusst herbeigeführt, um dann über Jahre Rom unter Druck setzen zu können? Eine Grundhaltung des Evangeliums ist die der Einfachheit. Keine Verstellung, keine Tricks, keine Doppelzüngigkeit, keine Versuche, hintenherum mit bewusster Zweideutigkeit Dinge durchzusetzen. Das ist eine Strategie, die man in politischen Hinterzimmern findet, die aber in der Kirche nichts zu suchen hat. Leider hat man den Eindruck, dass genau dieses Hintenherum den „Synodalen Weg“ pflastert; deshalb hege ich nicht viele Erwartungen auf einen guten Ausgang.

Woher nehmen Sie als Priester und Theologe dann die Hoffnung, dass die Kirche vielleicht doch als erneuerte Kirche aus dieser beispiellosen Krise hervorgeht?

„Besser, sich zu bergen beim Herrn, als zu vertrauen auf Fürsten.“ (Ps 118,9) Das gilt auch für den Blick auf die Kirche. Gott ist der Herr der Kirche, er lenkt die Kirche mit machtvollem Arm. Er ist immer für eine Überraschung gut, vielleicht auch durch Krisen und Zusammenbrüche hindurch. Mein Blick geht auf Gott. Er ist treu, er wird seine Kirche auch jetzt nicht im Stich lassen.

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