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Eucharistie setzt die Taufe voraus

Das Fest der Eucharistiefeier schafft nicht den Frieden, sondern ist die Besiegelung des Friedens.
Taufe von Neophyten, Fresko von Masaccio (1425-1426)
Foto: imago stock&people (imago stock&people) | Durch die Taufe wird die Eingliederung in die Familie Jesu Christi, die Kirche, besiegelt. Taufe von Neophyten, Fresko von Masaccio (1425-1426), Santa Maria del Carmine, Florenz.

Die Taufe wird nur einmal empfangen, die Eucharistie immer wieder. Wie für die Juden der Sabbat der Tag ist, an dem JHWH sein Volk durch sein Wort nährt (Deuteronomium 8,3), so ist der erste Tag der Woche für alle Christen der Tag, an dem die Dazugehörigen – das sind die Getauften – durch den Leib und das Blut Christi genährt werden (Johannes 6,56). Wie die zum Volk Israel Dazugehörigen durch die Tora genährt werden, so analog die Getauften durch das Fleisch gewordene Wort: durch den  Leib und das Blut Christi.

Den Familiennamen verliert man nicht, wenn man die Familie verlässt. Die auf den Namen Jesu Christi Getauften können ihre Taufe durch Abfall und Verrat nicht verlieren. Aber jeder kann seine durch die Taufe besiegelte Eingliederung in die Familie Jesu Christi darstellen oder entstellen. In dem Maße, in dem Letzteres geschieht, wird die Sakramentalität der Kirche (der Gemeinschaft der Getauften) unwirksam. Denn Sakrament ist die Kirche in eben dem Maße, in dem sie Mittel und Werkzeug der Einheit ist. Nichts hat die Glaubwürdigkeit der Kirche so nachhaltig gemindert wie die Spaltungen im Binnenraum der Christenheit. Von außen kommende Verfolgung, Diskriminierung oder Bekämpfung haben der Einheit noch nie geschadet; im Gegenteil, sie haben die Christenheit nicht selten zusammengeschmiedet. Von innen kommende Zerwürfnisse hingegen haben  die Mission des Christentums nachhaltig geschwächt.

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Eucharistie steht am Ende der Versöhnung

Zerstrittene Familienmitglieder hören auf, miteinander zu essen; sie treffen sich erst dann wieder zu gemeinsamen Mahlzeiten, wenn sie sich zuvor versöhnt haben. So ist es auch mit der gemeinsamen Feier der Eucharistie. Sie steht nicht am Anfang, sondern am Ende der Versöhnung. Zuerst muss das Leben der Dazugehörigen wieder dem von der Taufe gestifteten Band entsprechen; dann kann man wieder miteinander das eucharistische Mahl feiern. Im Unterschied zur Taufe stellt die Eucharistie die Einheit der Dazugehörigen nicht her, sondern dar. Wenn die von der Taufe konstituierte Einheit durch Spaltung verraten wurde, hilft nur die Rückkehr in die von der Taufe gestiftete Einheit. Das Fest der Eucharistiefeier schafft nicht den Frieden, sondern ist die Besiegelung des Friedens.

In jeder Eucharistiefeier wird Einheit dargestellt, und zwar auf doppelte Weise, vertikal und horizontal. Die vertikale Einheit wird sichtbar durch die apostolische Sukzession. Die zu Repräsentanten des gründenden, leitenden und richtenden ,Voraus‘ Christi gegenüber der Kirche Bestellten stehen in der Nachfolge „der Zwölf“. Sie geben die ihnen verliehene Vollmacht weiter von Generation zu Generation. So entsteht durch Handauflegung und Salbung die diachrone Treue zum Christusbekenntnis „der Zwölf“. Und wie die vertikale eine sichtbare (inkarnierte) Einheit ist, so entsprechend auch die horizontale Einheit. Denn das Fleisch gewordene Wort Gottes kann man nicht durch eine unsichtbare oder bloß gedachte oder auf irgendeine Zukunft vertagte Bekenntniseinheit darstellen. Was nicht Hand und Fuß bekommt, ist nicht Gemeinschaft mit Christus. Denn Christsein ist die Übersetzung der vertikalen Inkarnation des Christusereignisses in die horizontale Inkarnation der kirchlich gelebten Christustreue. Und: Jeder, dem die Hände aufgelegt werden, repräsentiert nicht nur diachron (vertikal) die Treue zum Ursprung, sondern auch synchron (horizontal) die Bekenntnisgemeinschaft der Getauften.

Weil der ordinierte Christ bevollmächtigt ist, die diachrone (vertikale) und die synchrone (horizontale) Einheit aller Getauften zu fördern, zu wahren und zu verteidigen, ist er schon in der frühesten Kirche der geborene Vorsteher der Eucharistiefeier. Denn in jeder Eucharistiefeier wird die Kirche Leib Christi durch das Empfangen des eucharistischen Leibes. Der Bischof bzw. Priester verkörpert (repräsentiert) beide, den sich verschenkenden Christus und den ihn empfangenden Leib der Kirche.

Von ökumenischen Interessen geleitet

Die von ökumenischen Interessen geleitete Behauptung, das Institut der Apostelnachfolge sei eine katholisch-orthodoxe Fiktion, wird durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Einmal abgesehen von den neutestamentlichen Topoi (Apostelgeschichte 14,23; 1 Timotheus 4,14; 2 Timotheus 1,6), die  eine „diadoche“ (eine Weitergabe der apostolischen Bevollmächtigung) bezeugen, gehört der Erste Clemensbrief mit folgender Aussage eindeutig in die Zeit des Urchristentums (in die Zeit vor dem Abschluss des neutestamentlichen Kanon): „Also setzten die Apostel Bischöfe und Diakone ein und gaben auch die Anweisung, dass nach deren Tod andere bewährte Männer ihren Dienst (griechisch: leitourgia) übernehmen (griechisch: diadechomai) sollten.“ (1. Clemensbrief 44,2f).

In der Bindung des Eucharistievorsitzes an das Institut der durch Handauflegung übertragenen Apostelnachfolge kommt ein Grundcharakteristikum  der Kirche zum Ausdruck. Sie hat ihre Vollmacht und Autorität nicht aus sich selbst.

Sie kann sich ihre Gemeinschaft mit Christus nicht selber verschaffen. Deshalb schon in den Briefen des hl. Paulus an die Korinther die Warnung vor selbsternannter Autorität. Die Kirchengeschichte lehrt: Wo immer eine Gemeinde selbst bestimmen will, wer wie in ihr welche Autorität ausüben soll, entstehen Anmaßung, Rechtsbruch und Spaltung.

Der Einwand, mit der Bindung der Eucharistiefeier an die von Apostelnachfolgern repräsentierte und garantierte Bekenntniseinheit binde man die Christusgemeinschaft des je einzelnen Gläubigen  an rechtliche (von Menschen gemachte) Kriterien und Bedingungen,  verkennt die Untrennbarkeit der vertikalen Gemeinschaft mit Christus von der horizontalen Bekenntnisgemeinschaft der Kirche. Niemand kann Christus bejahen, ohne Kirche  sein zu wollen. Das Motto „Christus ja, Kirche nein“ ist das Motto aller Gnostiker. Sie wollen selbst bestimmen, wer Christus für sie ist, statt sich von Christus einfleischen zu lassen in das sichtbare Werkzeug zur  Heimholung aller Brüder und Schwestern.

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Gemeinsame Kommunikation mit Christus

Natürlich kann jeder Getaufte sich auch als Einzelner an Christus wenden. Aber die eucharistische Kommunikation mit Christus ist immer eine gemeinsame. Eucharistisch kommunizieren kann nur, wer getauft ist und also zur Communio der Kirche gehört. Eucharistische Kommunikation ist gemeinsame Kommunikation mit Christus und deshalb unvereinbar mit Unversöhntheit (Matthäus 5,23f). Wer Einheit feiert, ohne dass diese wirklich besteht, verleugnet die Einheit, die Christus mit der Taufe geschenkt hat. Deshalb gibt es keine Eucharistiefeier ohne das Vater-unser mit der Bitte um vertikale und horizontale Versöhnung (Matthäus 6,12-14 ). Und die Vater-unser- Bitte ist alles andere als Ausdruck des Vertrauens darauf, dass Christus vergibt, ohne dass die mit ihm kommunizierenden Menschen einander vergeben. Der in Christus offenbare Gott ist nicht billige Gnade, sondern der Gott des Bundes. Er bindet seine eucharistische Selbstverschenkung an die wechselseitige Vergebung und Versöhnung derer, die in ihm eins sein sollen. Nirgendwo sonst erscheint Paulus so hart und kompromisslos wie in der Gerichtsandrohung gegenüber denen, die den Empfang der Eucharistie zum bloßen Symbol einer unsichtbaren oder eschatologisch erhofften Einheit verkommen lassen. Auf Paulus kann sich das Motto nicht berufen: „Feiert schon mal zusammen Abendmahl, dann kommt die Einheit ganz von selbst.“ Im Gegenteil: Wer mit der Eucharistiefeier die durch Sünde verursachten Spaltungen verdecken will, isst und trinkt sich das Gericht (Mathäus 11,29.34).

Paulus erklärt im Römerbrief mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, dass es – bildlich gesprochen - nur einen Ölbaum (Römer 11) und also nur ein Volk Gottes geben kann. Oder wie es im Epheserbrief heißt: „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.“ (Ephäser 4,5). Dennoch scheint die These unausrottbar, Paulus stehe für ein Christentum der Unmittelbarkeit des Einzelnen zu Christus; für eine radikale Relativierung von Gesetz, Recht, Kirche und Bekenntnis. Das würde bedeuten: Der wahre Glauben kann allen Getauften gemeinsam sein, obwohl sie in ganz unterschiedlichen Organisationen mit unterschiedlichen Bekenntnissen leben. So gesehen wären Bekenntnisse vorläufige, stets zeitbedingte und letztlich entbehrliche Konsensformeln - nützlich, aber nicht notwendig und schon gar nicht für alle verbindlich.

Bindung des Glaubens an Taufe und Eucharistie

Doch: Wer den Glaubensvollzug (fides qua) vom Inhalt des Glaubens (fides quae) trennt, verkennt die Bindung des Glaubens an Taufe und Eucharistie. Wer die Taufe empfängt, empfängt nicht nur das Geschenk der Versöhnung, sondern wird auch Glied der einen und einzigen Kirche. Es gibt nicht mehrere Völker Gottes und deshalb auch nicht mehrere Kirchen. Deshalb wird die Taufe von den verschiedenen Konfessionen des Christentums wechselseitig anerkannt. Mit der Taufe gehören alle Christen zu der einen Kirche (zum einen Volk) Gottes. Wo diese Einheit verlassen oder geteilt wird, muss man von Sünde sprechen. Wer die in menschlicher Schuld gründenden Spaltungen in eine gottgewollte Vielheit umlügt, ist nicht Pionier einer versöhnenden Ökumene, sondern ein Gnostiker, der die Einheit in und mit Christus in eine platonische Idee verflüchtigt. Wie die Vielheit der Ortskirchen sichtbar ist, so muss es auch deren Einheit sein. Die Universalkirche ist ebenso wenig unsichtbar wie die Ortskirche. Deshalb bekennen Katholiken in jeder Eucharistiefeier ihre Bekenntnisgemeinschaft nicht nur mit dem namentlich genannten Ortsbischof, sondern auch mit dem namentlich genannten Petrusnachfolger. Paulus schreibt seine Briefe nicht an die Kirche von Saloniki, von Rom oder von Korinth, sondern an die eine Kirche in Saloniki, in Rom oder in Korinth.

Die Briefe des Völkerapostels sind durchgängig charakterisiert durch die strikte Bindung der Gemeinschaft mit Christus an die kirchliche Bekenntniseinheit (vgl. 1 Korinther 1,10-17; 2 Korinther 1,15-22).

Wer die vertikale Gemeinschaft mit Christus nicht an die horizontale Einheit mit den Brüdern und Schwestern bindet oder seine eigene Interpretation gegen die der apostolischen Autorität stellt, wird von Paulus exkommuniziert. Das „Anathema“, das er seinem Brief an die Galater voranstellt, ist geeignet, jedem Papst des Mittelalters  Konkurrenz zu machen: „Wer euch aber ein anderes Evangelium verkündet, als wir euch verkündet haben, der sei verflucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.“ (Galater 1,8).


Karl-Heinz Menke ist emeritierter Professor für Dogmatik und Mitglied der Internationalen Theologenkommission.

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